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Juni 2007 | Thomas Vorwerk für satt.org | |
Irina Palm (R: Sam Garbarski)Belgien / Frankreich / Deutschland 2006, Buch: Philippe Blasband, Martin Herron, Kamera: Christophe Beaucarne, Schnitt: Ludo Troch, Musik: Ghinzu, mit Marianne Faithfull (Maggie), Miki Manojlovic (Miki), Kevin Bishop (Tom), Siobhán Hewlett (Sarah), Dorka Gryllus (Luisa), Jenny Agutter (Jane), Corey Burke (Olly), Meg Wynn-Owen (Julia), Susan Hitch (Beth) Flip Webster (Edith), 103 Min., Kinostart: 14. Juni 2007 “The first time is embarassing, after that you wank for England.” Mit diesen Worten führt eine Kollegin die Witwe Maggie in einen florierenden neuen Unterbereich der Berufsbezeichnung “Hostesse” ein - Der deutsche Zusatztitel von Hot Fuzz, “Zwei abgewichste Profis” hätte für Irina Palm (Maggies Künstlername, nachdem sie sich eingearbeitet hat) sehr viel besser gepasst. Im Wettbewerb der letzten Berlinale war Irina Palm ein kleiner Geheimtip, was aber auch damit zusammenhängt, daß es im Berlinale-Wettbewerb immer wenig zu lachen gibt. Und die Abenteuer der “wanking widow” sind durchaus amüsant, wie es auch der Trailer zum Film sehr gut demonstriert: Ihre langweiligen Nachbarinnen sind zunächst schockiert, dann aber fast etwas neidisch, daß sie nun “the best right hand in London” ist, und sie sich bereits eine neuartige Berufskrankheit zugezogen hat, den “Penisarm” (die Entsprechung des Tennisarm bei einer anderen typischen Handbewegung - schade, daß Robert Lembke dies nicht mehr erlebt hat). Doch bei allem tongue-in-cheek-Humor unterschlägt der Trailer völlig, daß der Film auch einen ernsten Hintergrund hat, und Maggie sich nicht etwa für den neuen Job entscheidet, weil sie neue Menschen (bzw. Schwänze) kennenlernen will, sondern weil ihr Enkel todkrank ist. Eine neuartige Behandlung in Australien ist seine letzte Chance, das Zeitfenster schrumpft, und die Eltern haben gemeinsam mit Maggie schon für die bisherigen Behandlungen alle finanziellen Reserven aufgebraucht. Erst in dieser Notlage kommt Maggie auf die Idee, nach einem Job zu suchen, und hätte nicht die euphemistische Berufsbezeichnung “Hostess” auf dem Schild gestanden, hätte sie niemals nachgefragt. Natürlich dreht sich in dem Film viel um die Doppelmoral der Gesellschaft. Eine Nachbarin und frühere beste Freundin (Jenny Agutter aus An American Werewolf in London) beleidigt sie, ahnt aber nicht, daß Maggie von deren sexuellem Geheimnis weiß. Und Maggies Sohn, der Vater des kranken Olly, tut plötzlich auch so, als ob er seine Mutter nicht wiederkennt. All diese dramatischen Entwicklungen (im Rotlichtmilieu gibt es natürlich auch Konkurrenzkampf) stecken aber, und hier entspricht der Film dem Trailer doch ziemlich genau, zurück, um dem Film trotz allem eine Art Feelgood zu verleihen - Im Grunde ist Irina Palm kein Sozialdrama, sondern ein Rotlichtmärchen, zwar ohne Richard Gere, dafür aber auch mit einer weitaus überzeugenderen Schauspielerin in der Titelrolle. Popsängerin Marianne Faithfull (The Ballad of Lucy Jordan war in den 1980ern ihr größter Hit, aber noch vor einigen Jahren brachte sie ein hervorragendes Album mit Gastmusikern wie Beck, Billy Corgan oder Jarvis Cocker heraus) hatte schon zuvor Kinoauftritte (Intimacy, Paris je t’aime, Marie Antoinette), aber nach dieser Vorstellung traut man ihr durchaus zu, im Alter noch in einem neuen Berufsfeld zu brillieren - auch, wenn ich auf ihr nächstes Album vorerst gespannter bin als auf den nächsten Film.
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