USA 2011, Buch: Alexander Payne, Nat Faxon, Jim Rash, Lit. Vorlage: Kaui Hart Hemmings, Kamera: Phedon Papamichael, Schnitt: Kevin Tent, Production Design: Jane Ann Stewart, Art Direction: T.K. Kirkpatrick, Kostüme: Wendy Chuck, mit George Clooney (Matt King), Shailene Woodley (Alexandra King), Amara Miller (Scottie King), Nick Krause (Sid), Patricia Hastie (Elizabeth King), Matthew Lillard (Brian Speer), Judy Greer (Julie Speer), Robert Forster (Scott Thorson), Barbara L. Southern (Alice »Tutu« Thorson), Beau Bridges (Cousin Hugh), Michael Ontkean (Cousin Milo), Laird Hamilton (Troy Cook), Grace A. Cruz (Scottie's Teacher), Kim Gennaula (School Counselor), Kaui Hart Hemmings (Matt's Secretary Noe), Carmen Kaichi (Lani Higgins), Karen Kuioka Hironaga (Barb Higgins), Celia Kenney (Reina), Matt Reese (Buzz), Stanton Johnston (Cousin Stan), Matt Corboy (Cousin Ralph), Hugh Foster (Cousin Wink), Matt Esecson (Cousin Hal), Jonathan McManus (Cousin Six), Tom McTigue (Cousin Dave), Tiare R. Finney (Cousin Connie), Milt Kogan (Dr. Johnston), Mary Birdsong (Kai Mitchell), Rob Huebel (Mark Mitchell), 115 Min., Kinostart: 26. Januar 2012
Die Filme von Alexander Payne drehen sich oft um tragikomische Situationen, die dann aber tiefere Einsichten offenbaren. Außerdem sind die Hauptfiguren oft ein bisschen phlegmatische Entscheidungsunwillige, die sich vom Leben solange treiben lassen, bis sie gezwungen werden, sich um die Dinge zu kümmern. In dieser Hinsicht reiht sich George Clooneys Rolle hier ein in die Auftritte von Matthew Broderick in Election und Paul Giamatti in Sideways. Selbst als seine Frau nach einem Bootsunglück im Koma liegt, versucht er den Handlungsdruck noch zu verleugnen. Seine Definition seiner Vaterrolle lautet »I'm the back-up parent. The Understudy.« Doch nun kommt die Zweitbesetzung nicht drum herum, sich um die zwei Töchter zu kümmern. Die 10jährige Scottie und die 17jährige Alexandra (Shailene Woodley), die er aus dem Internat zurückholt und die einen tiefen hass gegen ihre Mutter verspürt, weil sie (was Vater Matt noch nicht weiß) Zeuge einer Affäre wurde.
Kaui Hart Hemmings, die junge Autorin der Romanvorlage des Films, war (laut Presseinfos) sehr erfreut darüber, dass der von ihr geschätzte Alexander Payne die komplizierte Geschichte auf die Leinwand bringt. Matt und seine Familie haben hawaiianische Vorfahren, die sich dann mit Weißen mischten. Dadurch sind Matt und seine zahlreichen Cousins auch die Treuhänder eines bisher unkultivierten größeren Stückes Land auf der Insel. Wie der Titel schon andeutet, geht es um Matts Wurzeln, aber auch um seine Nachfahren (also vorerst die beiden Töchter), und als Verwalter des Familienerbes versucht er, beiden gerecht zu werden, den Vor- und den Nachfahren. Dieser Kern der Geschichte könnte auch aus einem Disney-Kinderfilm stammen (Kapital contra Natur / Tradition, Karriere contra Familie), und Fettnäpfchen stehen genügend bereit, doch Alexander Payne umtänzelt sie mit einer schwindelerregenden Eleganz.
Auch wie Payne den Spielort Hawaii in Szene setzt, ist bemerkenswert. Für den Soundtrack benutzt er fast nur hawaiianische Musik, aber für den Fremdenverkehrsverein der Insel ist der Film nur eingeschränkt verwertbar. So, wie seine Cousins fälschlich glauben, er lebe im Paradies und schlürfe einen Mai Tai nach dem anderen, so scheint auf Hawaii auch nicht immer die Sonne. Und die Probleme mit seinen Töchtern betten selbst die epochale Storyline um das Landerbe realistisch ein. Nebenbei will Matt auch noch den Lover seiner Frau kennen lernen (oder vielleicht doch lieber nicht?), er muss der kleinen Scottie stecken, dass der Moment, wo der Mutter der »Stecker rausgezogen« wird, immer näher rückt, er muss sich mit seinen Cousins und anderen Familienmitgliedern (Alexandras etwas stumpfer neuer Freund und der bärbeißige Großvater) herumärgern - und das Clevere am Film ist, dass gerade die moralisch eindeutigen Entscheidungen durch diverse Zusatzinformationen immer wieder verwässert werden - und Matt immer wieder alles auf die lange Bank schiebt, bis er dann schlichtweg zu Entscheidungen gezwungen wird.
Für das Drehbuch und die Regie ist The Descendants oscarnominiert, und Alexander Payne hat so ein Goldmännchen sicher eher verdient als Woody Allen und Martin Scorsese, die bei den Golden Globes in diesen Kategorien ausgezeichnet wurden. Dass hingegen Golden Globes an den Film selbst (bestes Drama) und Hauptdarsteller George Clooney gingen (beides okay, aber nicht zwingend notwendig), gibt mir das Gefühl, dass ausgerechnet der zweifache tatkräftige Entscheidungsträger Payne sträflich unterschätzt wird. Allen und Scorsese mögen für die Filmkunst seine Vorbilder sein, aber Payne wird die Gegenwart und Zukunft des Mediums weit mehr bestimmen, selbst wenn er sich nicht dazu herablassen sollte, 3D-Kinderfilme mit Owen Wilson zu drehen.