Generazione mille Euro, Italien 2009, Buch: Massimo Venier, Federica Pontremoli, Buch-Vorlage: Antonio Incorvaia, Alessandro Rimassa, Kamera: Italo Petirccione, Schnitt: Carlotta Cristiani, Musik: Giuliano Tavani, Carmelo Travia, mit Alessandro Tiberi (Matteo), Valentina Lodovini (Beatrice), Carolina Crescentini (Angelica), Francesco Mandelli (Francesco), Francesco Brandi (Faustino), Paolo Villaggio (Professor), Francesca Inaudi (Valentina), Roberto Citran (Taxifahrer), Stellan Boje (Mark), 101 Min., Kinostart: 19. Juli 2012
Die knapp dreißigjährigen Freunde Matteo, Francesco und Alessio teilen sich eine WG in der Bankenstadt Mailand. Matteo ist unser Erzähler und die Hauptfigur, ein Mitglied der »Generation 1000 Euro«:
»Ich verdiene tausend Euro im Monat
mit einem Job, den ich nicht mag,
für eine Firma, die mich nicht mag.
Und jeder sagt mir, ich soll mich glücklich schätzen.«°
(die Vorlage für den Film, von der auch der Titel übernommen wurde, ist übrigens mal wieder ein Sachbuch, ähnlich wie bei Fast Food Nation oder How to lose Friends and Alienate People). Francesco ist ein Träumer und Kindskopf, der die Entscheidungen des Lebens am liebsten spielerisch trifft, mit einer Runde One-on-One-Basketball oder einem Playstation-Fußball-Spiel zwischen Brasilien und Andorra. Und Alessandro ist derjenige, der zu Beginn des Films eine Frau abschleppt, weshalb die anderen zwei sich ein Bett teilen müssen. Und der dann, nachdem er den Zustand der Wohnung wenigstens teilschuldig in den Katastrophenbereich abstürzen ließ, nur mit einem Abschiedsbrief zurück zu seinen Eltern zieht. Der Film transportiert das ziemlich gut, weil wir Alessandro auch niemals im Film sehen.
Neben der desolaten Wohnsituation, dem fehlenden dritten Mieter und der drohenden Entlassung legt dann auch noch seine Freundin Valentina die Beziehung auf Eis, weil Matteo »sich verändert« hat, was man aber auch so interpretieren kann, dass sie sich verändert hat (zur lockenden Arztkarriere hin), während er die entsprechende Bewegung nicht mitgemacht hat.
In dieser Situation lernt Matteo zwei faszinierende Frauen kennen. Zum einen Beatrice, die Cousine Alessandros, die genauso mittellos und mit eingeschränkten Zukunftsperspektiven ist, und bei den beiden einzieht, was zu einigem Chaos führt, weil sie beispielsweise nicht darüber informiert ist an welcher Stelle der Wohnung durch einen Wasserschaden ein Durchbruch in die darunter liegende Wohnung entstanden ist. Und zum anderen die blonde Angelica aus seiner Firma (Carolina Crescentini ist die italienische Antwort auf Sophia Myles), von der er erst später erfährt, dass sie eine Karrieristin aus der administrativen Ebene ist, die aber durch gemeinsame Zigarettenpausen auf dem Dach genug Interesse an Matteo entwickelt hat, dass sie auch ihn in ungeahnte, lukrative und gesicherte Positionen in der Firma »mitnehmen« könnte.
Francesco, der wie so viele Filmfiguren (Sherlock Junior, Peeping Tom, Cinema Paradiso, Fight Club, Inglourious Basterds) nebenbei als Filmvorführer tätig ist, klärt Matteo über den Sachverhalt auf:
»Du steckst mitten in einer ausgewachsenen RomCom.
Durchschnittliche Regie, vorhersehbares Skript, aber nette Musik.
Weißt Du, wie viele solche Filme ich gesehen habe?
Zu viele, weil ich zu großherzig bin!
Der Freund ist interessant:
Ein ernsthafter, intelligenter Typ, außerdem gutaussehend ...«°
Der Wahrheitsgehalt dieses Ratschlags nimmt gegen Ende ab. Ganz positiv bei Generazione mille Euro ist, dass es nicht so unendlich wichtig ist, wen Matteo zuerst küsst oder mit welcher der Damen er im Bett landet. Es gibt sogar Passagen, wo ich persönlich das Skript gar nicht so vorhersehbar fand, wie es sich selbst proklamiert.
Der Filmvorführer Francesco hat es mir angetan. Wenn die bodenständigere Beatrice Matteo später mit Angelica zusammen sieht, klagt sie im Projektionsraum ihr Leid, und Francesco ist offensichtlich damit überfordert, sie zu trösten:
»Weißt Du, wie viele Blondinen wie die ich in Filmen gesehen habe?
Und wie es immer ausgeht?«
[Kunstpause]
»Sie gewinnen, normalerweise.
Aber das ist Kino, das ist doch Blödsinn!«°
Der Film exerziert zwar einige der RomCom-Klischees wie die musikübertünchte Montage oder den Manhattan-mäßigen Sprint zum Bahnhof durch, aber es gibt einen Moment kurz vor Schluss, wo ein wirklich großartiger Film hätte entstehen können. Abermals Francesco:
»Bitte sag' mir, dass es da keinen Kuss auf dem Bahnsteig gab,
mit den schnaufenden Zügen, dem Dampf
und der Steadicam, die euch umkreist ...
Um Himmels willen,
sag' mir, dass Du uns das erspart hast!«°
°Alle Dialogzitate aus dem Film sind frei übersetzt nach den englischen Untertiteln.
Und dann sieht man für einige Sekunden Matteo und kurz vor dem Schnitt gibt es ein fast unmerkliches Zucken in seinen Augenbrauen. Wenn in diesem Moment der Abspann gekommen wäre, wäre ich verzückt gewesen, aber natürlich kommen dann noch drei Minuten, mit dem obligatorischen Ende, wie es sich für eine RomCom gehört. Immerhin ist aber auch das Ende, mit dem man das Zielpublikum nicht vor den Kopf stößt, noch durchaus gelungen.