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21. November 2012
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Puppe, Icke & der Dicke (Felix Stienz)
Puppe, Icke & der Dicke (Felix Stienz)
Fotos © Stefan Hoederath/strangenough pictures/One Two Films
Puppe, Icke & der Dicke (Felix Stienz)
Puppe, Icke & der Dicke (Felix Stienz)
Puppe, Icke & der Dicke (Felix Stienz)


Puppe, Icke
& der Dicke
(Felix Stienz)

Deutschland 2012, Buch, Schnitt: Felix Stienz, Kamera: Markus Förderer, Lynne Linder, Musik: Fabian Nervous Zenker, Mareike Hube, mit Tobi B. (Bomber), Stephanie Capetanides (Europe), Matthias Scheuring (Bruno), Matthias Hinz (Matthias), Vivien Bullert (Vivien), Nadia Kibout (Eva), Karoline Schuch (Fahrerin), Alice Dwyer (Kellnerin), Heiko Pinkowski, Jasin Challah, Christoph-Humnig, Nora Abdel Maksoud, 87 Min., Kinostart: 22. November 2012

Tobi B., der schon Darsteller in den fünf letzten Kurzfilmen des Regisseurs war, präsentierte sogar die kleine Pressevorführung persönlich (ein seltener Fall!) und wirkt wie ein sympathisches und authentisches Kerlchen. Wer ihn und den Slogan des Films (»We only speak German and bad English«) kennengelernt hat, verzeiht auch den sich einem Berliner Publikum aus vergangenen Zeiten anbiedernden Titel. Doch Bomber, die von B. gespielte Figur, stammt aus diesem Berlin, und er würde auch nicht lange fackeln, bevor er jemanden »Puppe« oder »der Dicke« nennt (eine Kostprobe seines verführerischen Charmes: »Ich schlage vor, wir gehen in dein Zimmerchen, und dann zeig ich dir meinen Lümmel!«).

Wir lernen Bomber kennen, wie er seine Wohnung an eher suspekte Personen untervermietet, und dann seinen Job als Fahrer verliert, bloß um die Waren auf eigene Faust nach Paris zu kutschieren, wo er mit seiner neuen Selbstständigkeit aber eher weniger Glück hat.

An diesem Punkt gesellen sich dann die anderen »Titelhelden« zu Bomber, und inmitten anderer Nebenfiguren mäandert das Road Movie etwas hin und her, um seinen Figuren genügend Zeit zu geben, sich ungezwungen vorzustellen. In Zeiten von Drehbüchern, bei denen die perlenkettentechnisch angereihten Handlungspunkte oft wichtiger sind als die Charakterentwicklung, eine echte Wohltat, auch wenn der Humor nicht jedermanns Sache sein wird. Lakonie mit Sparwitzen zu spicken, das ist schon mittelgroße Kunst - und hier gelingt es größtenteils.

So wird Bomber etwa mit einem mittelschweren Popstar verwechselt, zögert nicht in diese Rolle zu schlüpfen - und schafft es mit rudimentärem Musiktalent, nicht komplett aufzufliegen. Die schließlich mit nach Berlin aufbrechenden Co-Stars sind die »Puppe« mit dem zunächst symbolisch überladen wirkenden Namen »Europe« (Stephanie Capetanides), eine von einem Berliner Müllmann geschwängerte Blinde (!!), und der »dicke« und stumme Bruno (Matthias Scheuring), ebenso lethargisch Bierdosen dezimierend wie von einer tiefen philosophischen Weisheit durchdrungen. Ich meine hiermit jene Weisheit, wie man sie von dem fiktiven Präsidentschaftsberater Chauncey Gardener kennt.

Trotz des schlimmen Filmtitels ist Puppe, Icke & der Dicke nicht nur grundsympathisch, sondern auch einer dieser Filme, in denen man, wenn man sich erst darauf einlässt, auch in die Gefahr geraten kann, aus dem lachen schier nicht mehr herauszukommen. Was hier zwar nicht in gesundheitsschädliche Dimensionen abdriftet, aber in die der gelungenen Unterhaltung (ohnehin selten), noch dazu mit viereinhalb Denkanstößen. Einer der zehn besten deutschen Filme des Jahres - und daraus der mit Abstand liebenswerteste und – trotz Fraktus – witzigste.