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Bildmaterial © 2013 Sony Pictures Releasing GmbH
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Evil Dead
(Fede Alvarez)
USA 2013, Buch: Fede Alvarez, Rodo Sayagues, Kamera: Aaron Morton, Schnitt: Bryan Shaw, Musik: Roque Baños, mit Jane Levy (Mia), Shiloh Fernandez (David), Lou Taylor Pucci (Eric), Jessica Lucas (Olivia), Elizabeth Blackmore (Natalie), Randal Wilson (Abomination Mia), Phoenix Connolly (Teenager), Jim McLarty (Harold), Sian Davis (Old Woman), Bob Dorian, Ellen Sandweiss (Stimmen aus dem Original The Evil Dead), Lorenzo Lamas (Snake Eater), Bruce Campbell, Inca (Grandpa the Dog), 91 Min., Kinostart: 16. Mai 2013
Den Originalfilm von Sam Raimi, The Evil Dead (mit Artikel!) habe ich seinerzeit mal als raubgekopiertes Video gesehen. Zumindest die ersten acht Minuten oder so, dann habe ich ausgemacht. Nicht, weil ich es vor Angst nicht ausgehalten hätte, sondern, weil ich es saublöd fand. Meine Erinnerung an diese acht Minuten vor ca. 30 Jahren ist wie folgt:
Ein Hütte im Wald. Einem jungen Mann wird von einer Hand mit Bleistift (kam evtl. aus einer Kellerluke, aber vielleicht reime ich mir das im Nachhinein auch zusammen) im Fußknöchel gestochert. Beeindruckender Spezialeffekt, aber wenig Sinn. Etwas später rennt dann ein Mädel durch den halbdunklen Wald und wird verfolgt. Zumindest von der Kamera. Schließlich greifen die Äste einiger umstehenden Bäume nach ihr, ziehen die Gliedmaßen auseinander und ein weiterer Ast – bzw. eher ein etwa Handgelenk-dicker Baumstamm stößt energisch in eine Einbuchtung, die einen von einer Vergewaltigungsszene sprechen lässt.
Wie ausgefeilt das inszeniert war oder wie explizit oder suggestiv die zweite beschriebene Szene war, kann ich inzwischen nicht mehr beschreien. Ich habe aber nie bereut, den Film abgebrochen zu haben. Einen wirklichen Grund, jetzt das Remake zu sehen, gab es nicht. Hauptdarstellerin Jane Levy finde ich in der Fernsehserie Suburgatory ganz amüsant, Lou Taylor Pucci mag ich auch, und die Info über die Drehbuchbeteiligung von Diablo Cody (Juno, Young Adult) kam nur kolportiert bei mir an – hätte ich gewusst, dass sie nur (ohne Credit) einige Dialoge »amerikanisiert« hat, hätte mich das wohl eher abgeschreckt. Aber meine Erwartungen waren so oder so immens gering, es war eher ein Fall von »Schaunmermal«.
Der Film beginnt mit einem Prolog, der offenbar die Überleitung zum Originalfilm bietet, ehe dann fünf potentielle Opfer bei der üblichen Hütte im Wald landen – im Gegensatz zum Originalfilm wahrscheinlich etwas älter (so etwa Mitte Zwanzig) und weniger darauf aus, sich ohne Erziehungsberechtigte zu berauschen, sondern ganz im Gegenteil, denn Mia (Jane Levy) hat die verlassene Waldhütte, in der sie einst mit der Familie Sommerurlaube verbrachte, dazu auserkoren, einen von den vier Freunden unterstützten Drogenentzug zu machen. Einigermaßen clever ist dabei, dass das Drehbuch klarmacht, dass sie bereits schon so eine Aktion durchgeführt hat – mit nur eingeschränktem Erfolg.
Die anderen vier und ihre Verbindungen zueinander könnte man jetzt vorstellen, aber da ohnehin klar ist, dass es sich um Kanonenfutter (oder »Dämonenfutter«?) handelt, erwähne ich nur kurz, dass der ältere Bruder David (Shiloh Fernandez) dabei ist, der mal so was wie ein Ersatzvater für Mia war, sich dann aber mit 18 aus dem Staub machte. Man geht schnell davon aus, dass die wahnsinnige Mutter oder der nicht weiter erläuterte Vater später noch eine Rolle spielen könnten – aber um ausgefeilte Logik geht es in dem Film nicht unbedingt.
Ganz im Gegentum, denn nachdem man mit einer kleinen Verspätung (der Geruchssinn eines mitgebrachten Hundes schlägt nicht sofort an) einen nach Blut und Verwesung stinkenden Keller entdeckt hat, in dem ein mit Stacheldraht (!) und schwarzer Folie verpacktes Buch gefunden wird, hat Eric (Lou Taylor Pucci) nichts dringenderes zu tun, als das Buch auszupacken, sich nicht weiter davon stören zu lassen, dass es wohl mit vernarbter Menschenhaut eingebunden scheint, und während er schon auf den ersten Seiten unmissverständliche Warnhinweise wie »Don't read it!« oder »Don't say it!« findet, ignoriert er diese ohne irgendwelche Gründe und intoniert inbrünstig die in einer fremden Sprache gehaltenen Eintragungen, woraufhin in alter Raimi-Manier eine hurtige Kamera durch den Wald eilt, wahrscheinlich auf dem Weg zur Hütte.
Während die Bleistiftszene kein für mich erkennbares Äquivalent bekam, folgt dann die Vergewaltigungsszene, wobei es diesmal recht klar ist, dass ein Dämon vom Opfer Mia ausgebrütet werden soll. Wie schon früh anzunehmen war, spielt der Film also mit einer Analogie von Teufelsaustreibung und Drogenentzug, auch wenn diese nette Idee sich größtenteils in der zweimal vorkommenden Dialogzeile »This time the only way is the hard way« erschöpft.
Wer Evil Dead unbedingt in der Filmgeschichte verorten möchte, der kann mit einem Anfangspunkt wie The Exorcist eine Liste von auf ein Massenpublikum zielende Horrorfilme zusammenstellen, die jeweils mit zeitgemäßen neuen Schocks das immer abgehärtetere Publikum zu überwältigen versucht. Einer der Produzenten formuliert das im Presseheft so: »The genre is always evolving and what you saw as a kid is no longer that scary.« Ob dies eine wirkliche Evolution ist, das mag man bezweifeln. Der Sandalenfilm hat durch immer bombastischere Massenszenen (die tausend CGI-Schiffe in Troy) auch nicht dazugewonnen, der Trend zum 3D-Kino ist meines Erachtens eine Sackgasse. Immer klaustrophobischere Intensität, komplexere Splattereffekte, und zumindest in diesem Fall auch jede Menge Kamera-Brimborium, bis an die Grenzen zum Werbefilm perfektionierte Bildgestaltung und ein Soundtrack, der selbst noch aus Alarmsirenen und Motorsägen so etwas wie Musikinstrumente konstruiert. Aus dem randvollen Kinosaal (ich selbst saß auf der Treppe, auch eine Art Höllentrip) verabschiedete sich nach etwa 40 % des Films nur eine ältliche Kritikerin. Was die wohl vom Film erwartet hat, würde mich interessieren, aber irgendwann gab sie halt auf und erkannte, dass dies nicht ihre Art von Film war.
Die Art und Weise, wie die fünf menschlichen Protagonisten sich eine gute Stunde lang gegenseitig an die Gurgel gehen, und dabei alles an horrorfilmmäßigen Werkzeug, was schon früh etabliert wurde (u.a. elektrisches Fleischmesser, altmodischer Vorschlaghammer und obligatorische Kettensäge, die stilgerecht als Penisneid-Kompensation zwischen zwei Frauenschenkeln im Anschlag gehalten wird), zum Einsatz bringt, zeugt durchaus davon, dass man trotz überschaubarer Zahl an Protagonisten eine Art Rekord aufstellen wollte. Man erprobt einiges an Verstümmelungen, bringt biblische Katastrophen wie einen Blutregen und eine sintflutartige Überschwemmung (nicht in dieser Reihenfolge) ins Spiel. Die ganz hübsche tagline »The most terrifying film you will ever experience« hat auch eine deutsche Übersetzung, die etwas abschwächt: »Der schockierendste Film, den du jemals sehen wirst«. Was natürlich nur solange stimmt, bis der nächste Streifen noch mehr Blut und Schrecken verbreitet.
Die Terrorschwelle von Evil Dead ist ganz beachtlich, leidet aber darunter, dass man eigentlich ziemlich genau erwartet, was man bekommt. Und die (zumindest innerhalb des Genres) überdurchschnittliche Qualität in Schauspiel und Inszenierung leidet darunter, dass die Figuren sich so unsäglich dumm verhalten. Ein wirkliches Mitfühlen, dass den Film noch weitaus erschreckender gemacht hätte, war zumindest mir nicht möglich. Sam Raimi, ebenfalls Ko-Produzent, lieferte das ultimative Werbezitat ab: »I dare you to see it.« Dem kann man nur entgegenwerfen: »I dare you to ignore it.«