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Seelen
(Andrew Niccol)
Originaltitel: The Host, USA 2013, Buch: Andrew Niccol, Lit. Vorlage: Stephenie Meyer, Kamera: Roberto Schaefer, Schnitt: Thomas J. Nordberg, Musik: Antonio Pinto, Production Design: Andy Nicholson, Art Direction: Beat Frutiger, mit Saoirse Ronan (Melanie Stryder / Wanderer / Wanda), William Hurt (Jebediah), Diane Kruger (Seeker / Lacey), Max Irons (Jared Howe), Jake Abel (Ian O'Shea), Boyd Holbrook (Kyle), Scott Lawrence (Doc), Chandler Canterbury (Jamie), Emily Browning (Wanda), Frances Fisher (Magnolia), Marcus Lyle Brown (Healer Fords), Andrea Frankle (Healer Skye), 125 Min., Kinostart: 13. Juni 2013
Wegen Regisseurin Catherine Hardwicke sah ich einst Twilight und war verblüfft bis schockiert, wie uninteressant bis blöd ich die Geschichte empfand.
Mein Urteil über die Twilight-Autorin Stephenie Meyer wird durch The Host (abermals nur in Filmform goutiert) keineswegs revidiert – aus Recherchezwecken überflog ich eine »Leseprobe« und bin mir sicher, dass ich als Vielleser zwar auch einiges an Mist lese – aber S.M. wird nie dazugehören.
Vor etwa einem halben Jahr las ich aber (vor Filmsichtung) den Roman Warm Bodies von Isaac Marion und konstatierte dem Werk – trotz unübersehbarer Schwächen – einen gewissen Charme. Über die Geschichte von The Host – des einzigen Romans Stephenie Meyers, der nichts mit Twilight zu tun hat – hatte ich mich nie eingehend informiert. Nach Sichtung des Films muss ich allerdings einsehen, dass die Anleihen Herrn Marions bei Frau Meyer noch weitaus umfassender scheinen, als ich noch vor Jahresfrist annahm. Denn The Host erschien 2008, Warm Bodies erst 2010, und ich will mal – anhand der Verfilmung – einige Elemente aufzählen, die man neben der Liebesgeschichte zwischen junger Frau und Untotem klar auf Stephenie Meyer zurückführen kann. Und nebenbei erzähle ich auf etwas unkonventionelle Weise auch die Geschichte.
The Host handelt von einer Erde, die unter einer feindlichen Invasion leidet. Nur wenige menschliche Überlebende konnten sich in kleinen Gruppen retten und irgendwo verstecken. Der Feind ist diesmal außerirdischer Natur, aber ähnlich wie bei Zombies werden die Körper der Menschen von den Feinden übernommen – sie müssen diesmal nur nicht zuvor sterben. Ähnlich wie bei Jack Finneys SF-Klassiker Invasion of the Body Snatchers (zu dem Robert Rodriguez mit Faculty bereits eine Teenager-Verfilmung lieferte) übernehmen die Außerirdischen die Körper der Menschen, auch die Jagd der Aliens auf die letzten Menschen läuft nach ähnlichen Regeln ab. Die prägnante Form der »pods« bei Finney und den meisten Filmversionen (Siegel, Kaufman, Ferrara) findet man ebenfalls – zumindest in der Verfilmung von The Host – wieder. Doch diesmal ist die Schote eher handgroß, ein silbern glänzendes Behältnis, das je einen Parasiten beherbergt, der ähnlich wie die Trill-Symbionten bei Star Trek operativ in den Wirtskörper eingefügt wird (nur sind es keine cronenbergschen Schleimwürmer, sondern fragile Lichtgestalten – ein befreundeter Kritiker findet, sie sehen aus wie lebendig gewordene Cumshots oder Spermatozoiden). Ach ja, und die Wirte lassen diese Operation natürlich nicht willentlich geschehen.
Die Folgen einer solchen Operation erleben wir beispielhaft an der Hauptfigur Bel- ... äh, Melanie! (Saoirse Ronan, bekannt aus Atonement, The Lovely Bones, Hanna), nur dass diesmal etwas schief geht. Der tausende Jahre alte Parasit, der sich »Wanderer« nennt, stellt fest, dass der Geist von Melanie noch nicht aus dem Körper entschwunden ist, die beiden liefern sich fortan Streitgespräche, was der Film so löst, dass Melanie eine nur vom Wanderer vernommene Stimme-im-Kopf ist, während der Wanderer, ebenfalls von Saoirse Ronan gesprochen und zumindest implizit weiblich, sich jeweils inklusive Lippenbewegung und Sprache äußert, was zu Problemen führen könnte (warum redet die Tante mit sich selbst?), die der Film aber zugunsten der Zwei-Seelen-in-einem-Körper-Situation geflissentlich übersieht. (Ich habe nachgeschaut: Im Buch wird das nachvollziehbar und simpel mit Kursivschrift gelöst.)
Apropos »Seelen«: die Außerirdischen haben keinen Namen wie Alpha-Centaurianer oder dergleichen, teilen sich aber in mindestens drei Gruppen: die »Souls« sind offenbar durchschnittliche Ex-Menschen, die nun ein friedvolles Leben auf dem Planeten Erde fristen. Der Begriff wird aber gleichzeitig auch für die kleinen Parasiten / Symbionten verwendet. Im Film lernt man von den »normalen« Ex-Menschen eher wenige kennen. Überrepräsentiert scheinen mir hingegen die »Seeker«, die durchgehend in strahlend weißen Klamotten und gleißend reflektierenden Fahrzeugen (bei Autos bevorzugt man die Marke Lotus, bei Motorrädern und Helikoptern kenne ich mich nicht so aus bzw. konnte den Händlerschriftzug nicht erkennen) unterwegs sind und deren Job es ist, die letzten Menschen aufzuspüren. Diane Kruger spielt in teutonisch-blonder Gefühlskälte so etwas wie die Anführerin der Seeker (zumindest haben alle anderen in den Stabangaben noch einen anderen Namen wie »Seeker Wolfe« oder »Seeker Hawke«) und somit die Gegenspielerin von Melanie. Die dritte Gruppe der Außerirdischen sind die »Healer«, die mit Hilfe einer Art Hypospray Wunden, die zumeist im Kampf mit den Menschen entstehen, rasant schnell heilen können. Zu Beginn des Film springt die sich einer Festnahme der Aliens widersetzende Melanie mal eben durch ein Fenster und einige Stockwerke aufs Pflaster, doch ihr Körper (»barely a bone not broken or organ not ruptured«) wird für den Wanderer schnell genesen.
Die Sondersituation der zwei Stimmen in einem Körper liegt implizit zum einen am Überlebenswillen Melanies (»This one wants to live«), man kann es aber auch so lesen, dass der Wanderer – erstmals im Körper eines Menschen – von den »strong physical drives« der Menschen verändert wird. Also ähnlich wie der Einfluss der Liebe in Warm Bodies auf den Zombie R. Während R über das häppchenweise Verzehren eines Hirns quasi die Liebe des Hirnspenders, zielgerichtet auf Julie, übernimmt oder erbt, ist die Sache bei Stephenie Meyer, die bekanntlich gern über Dreieckskonstellationen schreibt, komplizierter. Wir lernen Melanie und ihre große Liebe Jared (Max Irons) – zumindest im Film – zunächst über Flashbacks kennen, die auch der Wanderer erfährt. Diese Flashbacks sind zumeist an den Rändern unscharf bzw. mit Weichzeichner kenntlich gemacht und auffällig farbiger als die anderen Filmbilder. Was rein visuell auch an die Hirn-Flashbacks bei Warm Bodies erinnert, aber ich will hier mal keine direkte Einflussnahme suchen.
Wie Stephenie Meyer gern erklärt, geht es aber in The Host nicht nur um die romantische oder körperliche Liebe, sondern auch um die Liebe zur Familie, zum Zuhause oder die quasi-mütterliche Liebe Melanies zu ihrem kleinen Bruder Jeremy (zu dessen Schutz sie zu Beginn den Fenstersturz auf sich nimmt). Der Wanderer, zunächst noch recht professionell die Erinnerungen Melanies zum Auffinden der anderen Menschen an die Vorgesetzte Diane Kruger abliefernd, übernimmt jetzt nicht einfach die Liebe an Jared – wie R – sondern ist eher beeindruckt von Melanies Willen, ihren Bruder (und Jared) zu retten, wofür sie auch jederzeit sich (und damit den neuen Körper des Wanderers opfern würde). Melanies Fähigkeit, ihren Körper noch beeinflussen zu können, bringt das zunächst ungleiche mehrfach in Unannehmlichkeiten oder Gefahr, doch schnell ist klar, dass der Wanderer das Problem – und somit den Körper Melanies – nicht einfach preisgeben will. Das Geheimnis schweißt die beiden zusammen, erst unter den anderen Aliens, später in menschlicher Gesellschaft.
Hier kommt in der Geschichte ein gewaltiger Sprung, den ich aber einfach übergehe.
Wenn Melanie später wiedervereint ist mit ihrem Bruder, ihrem Onkel Jebediah (William Hurt) und natürlich auch mit Jared, schlägt ihr, die durch seltsame Leuchtaugen sofort als vom Alien besessen erkennbar ist, zunächst Hass entgegen. Wer von den Aliens besessen ist, ist nicht mehr zu retten. Ähnlich wie ein gern durchgespielter Konflikt in Zombiefilmen erinnert zwar das Aussehen an ehemals geliebte Menschen, man muss aber den Feind erkennen und einzig die Tötung des Feindes – ungeachtet emotionaler Bindung an den Menschen, den man sieht -erscheint sinnvoll. In Warm Bodies geht es auch darum, den Feind Zombie als Hoffnung zu erkennen, der große Unterschied zwischen The Host und Warm Bodies ist, dass bei The Host Onkel Jebediah der erste ist, der einen Sinn darin sieht, den Feind im Körper Melanies nicht sofort zu töten, während bei Warm Bodies Julies Vater (im Film John Malkovich) der energischste Feind aller Zombies ist. Dass Jared zunächst keinerlei Interesse an der veränderten Melanie hat, und dass der Wanderer in ihr (der bald »Wanda« genannt wird, und damit vom Personalpronomen »it« zu »she« aufsteigt) sich ausgerechnet in jenen Knaben verliebt, der sie zu Beginn fast erwürgt hat, das sind einerseits ganz clevere Ideen von Stephenie Meyer, andererseits macht sie daraus aber natürlich auch genau jenen Kleinmädchenschmus, den ich bei Twilight nicht ertragen konnte.
Genug Inhaltsangabe und Vergleich mit Warm Bodies, ich komme zum Urteilsspruch.
Es gab und gibt Leute, die in der ersten Twilight-Verfilmung (die anderen Teile habe ich mir nie angetan) bereits humorvolle ironische Momente bei der Darstellung der Teenager-Liebe erkannt haben. Die seltsam überhöhte Darstellung des schwindsüchtigen Edward ist auch mir nicht entgangen, aber ich fand es nie amüsant, sondern durchweg blöd (diese Wort benutze ich momentan häufig – das liegt aber an den zu beurteilenden Filmen). In The Host gibt es entsprechende Momente, und zwar nicht wenige. »Kiss me like you want to get slapped« und der nachfolgende Moment, wenn Wanda zur »Wiederbelebung« der seit Tagen »verstummten« Melanie nach deren Schwarm Jared gleich auch noch den anderen Knaben Ian abschlabbert, um eine Reaktion zu erzwingen: Das war so over-the-top, dass auch ich mich unterhalten fühlte. Oder anders ausgedrückt: Das war so blöd, dass es schon wieder gut war.
Obwohl die außerirdischen Leuchtaugen es dem Betrachter nicht erleichtern, sich auf die Figuren einzulassen, und die Verwirrung des Kleinmädchen-Aliens mehr zum Amüsement als zur Identifikation einlädt, obwohl es im Film reichlich hirnrissigen Quatsch gibt wie einen Fußmarsch durch die Wüste auf High Heels oder ein unterirdisches, über Spiegel mit Sonnenlicht versorgtes Kornfeld (das zudem auch die Effektmacher klar überforderte), obwohl die Spannung über den Ausgang der Geschichte sich vor allem darauf beschränkt, wie Frau Meyer es hinbiegt, dass am Ende alle halbwegs zufrieden sind: Irgendwie hat mir dieser Film Spaß gemacht. Der Wanderer ist ein bisschen wie der TNG-Android Data, der erstmals mit einem Ständer aufwacht (nur halt verharmlost und für ein Kleinmädchenpublikum), die »innere Stimme« hat durchaus ihre komischen Momente, und der Kampf um den Körper wird immerhin überzeugender durchgespielt als in John Woos Face/Off.
Nicht nur Autor und Regisseur Andrew Niccol hat sich Mühe gegeben, aus dem Stoff einen passablen Film zu basteln (meine »Leseprobe« war verglichen damit verheerend), auch Saoirse Ronan liefert trotz Augen-Handycap eine gute Leistung. Selbst Diane Kruger konnte ich diesmal ertragen, weil sie nicht nur als Fiesling interessanter ist, sondern auch die Veränderungen ihrer Figur überzeugend rüberbrachte. Die männlichen Jungdarsteller waren für meinen Geschmack eine Spur zu austauschbar hübsch, aber das sind halt Konzessionen an das Zielpublikum, die man als Normalo-Betrachter auf sich nehmen muss. Ich fand, dass das Verhältnis von Kleinmädchenschmus und Blödsinn zum Unterhaltungswert gerade noch akzeptabel war. Ich muss allerdings auch einschränken, dass ich diesen Film im Umfeld noch weitaus dümmerer Streifen sah (vor allem After Earth und Now you see me), weshalb ich vielleicht etwas ausgehungert nach halbwegs passabler Unterhaltung war …