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Bildmaterial © 2012 Twentieth Century Fox
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Wolverine:
Weg des Kriegers
(James Mangold)
USA 2013, Originaltitel: The Wolverine, Buch: Mark Bomback, Scott Frank, Christopher McQuarrie, Comic-Vorlage: Chris Claremont, Frank Miller, Kamera: Ross Emery, Schnitt: Michael McCusker, Musik: Marco Beltrami, Production Design: François Audouy, mit Hugh Jackman (Logan / Wolverine), Rila Fukushima (Yukio), Tao Okamoto (Mariko Yashida), Hal Yamanouchi (Yashida), Hiroyuki Sanada (Shingen Yashida), Famke Janssen (Jean Grey), Brian Tee (Noburo Mori), Ken Yamamura (Young Yashida), Will Yun Lee (Kenuichio Harada), Svetlana Khodchenkova (Viper), Ian McKellen (Magneto), Patrick Stewart (Prof. Xavier), 126 Min., Start: 25. Juli 2013
Bei nicht wenigen Superhelden-Filmserien klinke ich mich nach besonders missratenen Beiträgen (etwa Iron Man 2) lieber aus, und X-Men Origins: Wolverine wäre für eine solche Maßnahme einer der besten denkbaren Anlässe gewesen. Doch für seinen im Superhelden-Metier rekordverdächtigen sechsten Auftritt als Wolverine aka Logan (zwei Cameos mitgezählt) hatte Hugh Jackman nicht nur mit James Mangold einen soliden Handwerker als Regisseur vorzuweisen, es sollte sich auch um eine Comicverfilmung handeln, die sich stark auf eine überschaubare Vorlage stützt, nämlich die erste Wolverine-Miniserie von 1982, die mit Autor Chris Claremont zwar einen reichlich überschätzten Schwätzer am Ruder hatte, was aber durch den dynamischen Strich und das innovative Seitenlayout von Frank Miller (damals auf einem ersten Höhepunkt seiner Karriere – und noch hungrig!) mehr als wettgemacht wurde. Man hatte zudem das Gefühl, dass Miller durch persönliche Vorlieben (Japan! Ninjas!) zumindest ein wenig Input bei der Geschichte hatte.
Es ist jetzt nicht so, dass diese Comicserie einen Meilenstein des Medium darstellen würde (höchstens einen außergewöhnlichen Verkaufsschlager, der aus der Figur Wolverine endgültig einen Superstar machte), doch was James Mangold (bzw. seine Drehbuchautoren) aus der Story machten, hat auch einfach relativ wenig mit der Vorlage zu tun, so viele neue Elemente wurden mit reingequetscht.
Das liegt schon mal daran, dass man offenbar keineswegs einen Film über Wolverine drehen wollte, so wie er sich 1982 dem Comicpublikum präsentierte. Die zahlreichen späteren Erweiterungen seiner Herkunftsgeschichte wurden eingearbeitet, obwohl die Geschichte nun bereits 1945 nahe Nagasaki beginnt, spielt der Hauptteil in der Jetztzeit (anhand von Handys leicht zu erkennen) und schleppt auch den kompletten Rattenschwanz der X-Men-Filme mit sich. Das beginnt damit, dass es offenbar nicht reicht, dass Wolverine in der Comicvorlage neben seiner verhinderten »Braut« Mariko auch noch eine sehr an die Paardynamiken Daredevil / Elektra oder Batman / Catwoman erinnernde Attentäterin um sich hat. Nein, im Film hat er auch noch eine Handvoll von Visionen / Träumen, in denen jeweils Famke Janssen als Jean Grey auftaucht, die einerseits alle aktuellen Partnerinnen angesichts ihres Status als die eine (wortwörtliche) Traumfrau verblassen lässt und nebenbei auch noch für seine ausgeprägte Todessehnsucht steht. Wenn Logan vom vermeintlichen »Fluch« der Quasi-Unsterblichkeit befreit wird (und der Film gibt sich redlich Mühe, den nunmehr von seinen Heilungskräften befreiten mit vereinten Kräften umzubringen), so ist er, in einem romantischen Ideal, das hier vor allem als Versuchung fungiert, wieder mit Jean vereint … in Sachen Küchenpsychologie kann der Film durchaus mit einigen Werken Claremonts mithalten.
All dies ist aber fast noch positiv am Film, denn die richtigen Klopfer kommen erst im letzten Drittel des Films, wo etwa die verführerisch-abstossend dargestellte, aber ansonsten reichlich uninspirierte Schurken-Figur Viper (Svetlana Khodchenkova) gemeinsam mit einem großen halbelektronischen Samurai aus Adamantium (jenem härtesten Metall des Marvel-Universums, aus dem auch Wolverines Krallen gemacht sind) für einen übergewichtigen Showdown antreten, in den nicht nur die drei aus dem Comic übernommenen Nebenfiguren, sondern auch noch jede Menge Ninjas und komplizierte Verstrickungen eingewebt wurden. Leider mit dem Ergebnis, dass man vor allem zu beweisen versuchen scheint, wie hoch man Bullshit stapeln kann. Und wie wenig es in diesem Film voller Veränderungen um die Konsequenzen dieser geht.
Schade, schade, denn wenn man den (häufig in Superhelden-Filmen) wuchernden und sensationsheischenden Schluss mal ausblendet, so hat der Film zuvor durchaus einige interessante Momente.
Allein schon filmhistorisch (und hierbei geht es um die neuere Filmgeschichte, die sich in den Moneyshots ihrer Blockbuster immer wieder zu übertreffen sucht) setzt The Wolverine früh markante Duftspuren. Wie Indiana Jones lässt sich Logan selbst von einer Atombombe kaum erschüttern, und nach einem die Erwartungen untergrabenden Zwischenspiel mit einem Bären, das gleichzeitig pazifistischer als auch mörderischer als im Miller-Comic ausfällt (ein seltsam paradoxer Trend, der den Film durchtränkt), kommt dann als Höhepunkt einer bereits ausgedehnten Actionsequenz ein Ausflug auf das Dach eines Hochgeschwindigkeitszugs, der (auch ohne Helikopter im Tunnel) selbst Ethan Hunt aufmerken lassen würde. Zwar hochgradig blödsinnig und übertrieben, aber durchaus unterhaltsam. Und lange Zeit amüsieren auch die Oneliner (etwa beim Betreten des »Mission to Mars«-Zimmers eines »Love Hotels«) und kürzeren Dialoge (nach einem Beauty-Makeover: »You look nice!« --- »I feel violated.«), ehe man dann zunehmend ins claremontsche Bedeutungsschwangere diverser Macho-Floskeln abdriftet: »You are a soldier and you seek what every soldier seeks« --- »And what is that?« --- »An honorable death, an end to all your pain.«
Wenn der Film seiner Titelfigur oder wenigstens sich selbst diesen ehrenwerten Abgang gegönnt hätte (und wenn es nur ein erneutes Verschwinden in kanadischen Wäldern gewesen wäre), statt noch in den letzten Sekunden fieberhaft auf eine Fortführung der »alten« X-Men-Filmserie hinzuarbeiten, hätte man The Wolverine trotz mal wieder überflüssiger 3D-Bearbeitung immerhin positiv in Erinnerung behalten. Doch nun bleibt nur festzustellen, dass der Film nicht ganz so misslungen ist wie sein Vorgänger, und dass man statt einer möglichen In-sich-Abgeschlossenheit des verwendeten Materials nun offensichtlich nur eine letztlich bedeutungslose Episode im auf möglichst viele Fortsetzungen angelegten X-Men-Franchise vorgesetzt bekommen hat. Auf eine traurige Art kommt der Film somit dem stetigen Output der Marvel-Comics (wie auch anderer Verlage) somit sogar stilistisch näher: So wie manches Monatsheft mit sensationellen und umfassenden historischen Umwälzungen (»Collector's Item«!) angepriesen wird, so wirkt schon der Filmtitel The Wolverine (Betonung auf dem Artikel) wie ein Neuanfang, eine Kulmination, ein Must-See, erweist sich dann aber doch nur als eine »Episode Drölf«, die den Status Quo entschieden bewahrt, statt ihn in Frage zu stellen. Keine verpasste Chance, sondern ein gewollter Verzicht darauf, etwas Besonderes zu liefern. Die Serie (und das künstlich wachgehaltenen Interesse des Publikums) ist wichtiger als die Einzelnummer.