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Bildmaterial © 2013 Sony Pictures Releasing GmbH
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Das ist das Ende
(Evan Goldfarb & Seth Rogen)
USA 2013, Originaltitel: This is the End, Buch: Seth Rogen, Evan Goldfarb, Vorlage (Kurzfilm Jay & Seth vs. the Apocalypse) von Jason Stone, Kamera: Brandon Trost, Schnitt: Zene Baker, Musik: Henry Jackman, mit Seth Rogen, Jay Baruchel, James Franco, Jonah Hill, Craig Robinson, Danny McBride, Emma Watson, Michael Cera, Jason Segel, Christoph Mintz-Plasse, David Krumholtz, Mindy Kaling, Rihanna, Channing Tatum, Martin Starr, Paul Rudd, Aziz Ansari, Evan Goldberg, Nick Carter, Howie Dorough, Brian Littrell, A.J. McLean, Kevin Scott Richardson (Themselves), Carol Sutton (Cashier), Brian Huskey (Headless Man), 107 Min., Kinostart: 8. August 2013
Inmitten unverhältnismäßig vielen unterschiedlich missratenen Filmen, die sich mit Weltuntergangsszenarien beschäftigen, und inmitten eines Comedy-Booms, der sich schon länger nicht mehr mit Qualitätsstandards belastet, schlägt dieser Film ein wie eine Bombe.
Denn eines seiner Gütemerkmale ist, dass This is the End von anderen Filmen gelernt hat. Spätestens seit die Marken Judd Apatow und Adam Sandler am Markt etabliert sind, erlebt man immer wieder Filme, bei denen eingeschworene Freundeskreise offensichtlich viel Spaß beim Dreh hatten (Adam Sandler etwa dreht auffällig häufig auf Hawaii), bei denen dieser Spaß aber nur unvollständig auf den Zuschauer übergeht. Viele dieser Filme, beispielsweise Pineapple Express, Your Highness oder The Green Hornet werden hier diskutiert und teilweise sogar als Blaupause verwendet. Als Blaupause, es besser zu machen. Oder auch, es noch schlechter zu machen, aber gerade diese Potenzierung des Trashfaktors verdientermaßen abzufeiern (und all jene, die nicht glauben, dass es noch trashiger geht als Pineapple Express, werden diesen Film besonders lieben).
Mit Ausnahme von Woody Harrelson werden alle in diesem Film auftauchenden Stars von sich selbst gespielt. Wobei man größtenteils dem Klischee der jeweiligen Leinwandpersona entspricht, ganz so, wie das Publikum sich vorstellt, wie die Spaßmacher auch im richtigen Leben sind. Der zögerliche, etwas schüchterne, aber liebenswerte Jay Baruchel (und seine übergewichtige Variation Joanh Hill), der etwas großkotzige Partylöwe James Franco, das egozentrische Großmaul Danny McBride und inmitten dieses exzellenten Ensembles der Strippenzieher und Co-Regisseur Seth Rogen, der nicht nur beim Dreh darauf achten musste, dass die freundschaftlichen Feindseligkeiten nicht außer Kontrolle geraten, sondern der auch in der von ihm gespielten Rolle als großer Freundschaftsstifter auftritt.
Seth holt seinen ebenfalls aus Kanada stammenden Buddy Jay am Flughafen ab und will ihn in seinem neuen Freundeskreis integrieren (»I'm gonna lube your entry«). Und das, obwohl Jay vom Lifestyle in L.A. wenig hält, Jonah Hill regelrecht verabscheut und sich sicher ist, dass James Franco ihn nicht einmal kennt. Nach einem relaxten Nachmittag mit 3D-Videospielen und jeder Menge Gras (ganz wie beim Freundeskreis in Knocked Up) geht es dann zur Party bei Franco, der Jimmy alias Jack Baruchel zwar sehr freundlich entgegenkommt, aber ansonsten eine einzige Parodie seiner selbst ist: Mit einer riesigen Phallus-Skulptur und selbstgefertigten (reichlich untalentiert wirkenden) Gemälden, die vor allem seine große und tiefempfundene Freundschaft zu Seth auszudrücken versuchen.
Apropos Männerfreundschaft. Abgesehen vom Vorzeigeschwulen Franco hat man als Zuschauer anfänglich das Gefühl, dass einer der Gags des Films darin besteht, dass er behauptet, alle männlichen Schauspieler in L.A. (Ausnahme: Michael Cera … vielleicht auch Craig Robinson) seien schwul. »I'm gonna stay with you all night«, »I wanna sleep with you«, solche Lippenbekenntnisse begleiten den Weg der Freunde, gleich vier von ihnen schlafen tatsächlich im gleichen Bett. Das Spiel mit der latenten Homosexualität ist schon länger ein Hauptbestandteil der aktuell erfolgreichsten US-Sitcoms, und bei Sandler und Apatow sowieso … und wenn man schon ein größtenteils männliches Ensemble hat, warum treibt man es nicht gleich auf die Spitze?
Aber abgesehen von einem zentralen Thema des Films (und zu diesem Thema, das ich hier nicht preisgeben möchte, ist der Film der beste Beitrag seit mindestens anderthalb Jahrzehnten) ist Ambiguität immer die bessere Wahl. Selbst James Franco beachtet kaum, als seine mannshohe Schwanz-Skultur »geköpft« wird. Aber als Danny McBride (mit seinen Macho-Allüren ein Störenfried) Francos Penthouse-Heft »für Gäste« auf eine Art missbraucht, die auch seinem Umgang mit Wasservorräten, Proviant oder dem letzten Milky Way entspricht, da wird Franco erstmals richtig böse ...
Ach ja, vielleicht sollte man es kurz erwähnen, ganz wie der Titel This is the End andeutet, geht es auch in diesem Film um Vorgänge, die sich ganz in Richtung Weltuntergang bewegen, wobei ich mal an dieser Stelle offen lassen will, ob sich die Natur rächt, Aliens angreifen oder Zombies – oder man sogar noch ein wenig Hoffnung auf ein Happy End haben darf. (»I don't wanna die at James Franco's house!«)
Der Humor ist – alles andere wäre bei dieser Besetzung eine Enttäuschung! – natürlich weder jugendfrei noch politisch korrekt. Im Grunde genommen ein Film »just for fun« (inklusive Fun-Splatter, wie eine zeitgemäße Version der Ghostbusters), aber nebenbei macht man sich über ähnliche, sich zwar ernst nehmende, aber genau so infantile Hollywood-Filme lustig. Wobei hier, im Gegensatz zu den Event-Blockbustern in 3D, der Showdown tatsächlich auch ein Höhepunkt ist, denn alles, was daran lächerlich erscheint, wird gleichzeitig sehr ernstgenommen und auf subtile Art karikiert. Ich hatte mich bereits entschieden, die »Auflösung« der Bedrohung nicht aufzulösen, weshalb ich etwas länger ausholen muss.
Wäre This is the End ein Western, würde man im Verlauf des Showdowns mindestens gegen einen tollwütigen Grizzly und eine Rinderstampede antreten. Und wenn die Stampede nur noch etwa 20 Meter entfernt ist, beginnen beispielsweise James Franco und Jonah Hill eine Grundsatzdiskussion darüber, auf welche Art man Klapperschlangen am besten als Delikatesse zubereiten kann (Quiche contra Curry-King). Das passiert mehrfach im Film, und man sieht nie, aber erahnt jedes Mal, dass während dieser für den Film ungemein wichtigen Gespräche die Rinderherde geduldig und semikollektiv mit dem Huf im Staub schart (ich muss dabei an Cartoons mit Bugs Bunny denken, in denen man bekanntlich auch nicht an Wagner-Passagen im Soundtrack gespart hat), um dann bei Beendigung des Palavers erneut Anlauf zu nehmen. Und in jedem anderen Film würde ich mich darüber aufregen, aber hier erhöht das in seiner absurden Skurrilität noch den Spaß.
Ich mag etwas verdrängt haben, aber ich glaube, es gibt nur eine Szene im Film, auf die man hätte verzichten können. Nachdem Craig Robinson auf durchaus elegante Weise seine Lösung der gegenwärtigen Wasserknappheit demonstrierte, legt Seth Rogen noch einen drauf und lässt für einen Moment selbst noch die schlimmsten Momente im Werk der Farrelly-Brüder sehr charmant wirken. Aber darüber kann man hinwegsehen, weil der Film selbst zum Bepissen komisch ist.
Nachdem mein Text bereits stand, entschied ich mich doch noch, einen Nachtrag voller Spoiler nachzuliefern. Regelmäßige Leser meiner Kritiken werden wissen, dass ich mit religiösen Themen so meine Probleme habe. This is the End ist aber meines Erachtens ein von Religiösität nur so durchtränkter Film – und seit Lars von Triers Breaking the Waves der erste Film dieser Kategorie, der mich dennoch voll überzeugte. Nicht in der Hinsicht, dass ich jetzt wieder in die Kirche eintrete oder vielleicht doch noch die zweite Hälfte des Neuen Testaments zuende lese. Sondern, weil der Film (die Spoiler-Warnung war bereits, wer jetzt noch weiterliest, macht sich wirklich den Film kaputt) eine Version des jüngsten Gerichts bietet, die inmitten unzähliger improvisierter derber Scherze wirklich durchdacht wirkt. Wo ich bei Dogma am liebsten schreiend aus dem Kino gelaufen wäre, habe ich mir hier auf die Schenkel geklopft – teilweise auch nachträglich. Der absolute Höhepunkt neben dem zweitgrößten Pimmel der Filmgeschichte (gleich nach Dr. Manhattan in Watchmen, aber hier überzeugt das Material und die Leidensgeschichte) und dem Happy-End war hier die Kombination zweier Elemente, die man aus unzähligen Alien-Invasion-Filmen kennt (zum einen etwa Close Encounters of the Third Kind, The X-Files und Paul, zum anderen Spielbergs War of the Worlds und aktuell Pacific Rim), die dann aber im Nachhinein eine ganz andere Erklärung erfahren. Kolossal! Und auch wenn einige »Dämonen« eher so aussehen, als wären sie vom Set von Stephen Kings The Mist oder eben Ghostbusters entlaufen, so ist dies ein Film, der sich so manchen Spaß mit dem Christentum gönnt (ohne jemanden mit den Initialen J.C.), dabei aber erstaunlich fair bleibt und durchaus eine positive Botschaft verbreitet. Und das verwirrende dabei ist: Ich liebe diesen Film trotzdem!