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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




28. März 2014
Thomas Vorwerk
für satt.org


Stories we tell (Sarah Polley)
Stories we tell (Sarah Polley)
Bildmaterial: Fugu Films
Stories we tell (Sarah Polley)
Stories we tell (Sarah Polley)

Stories we tell (Sarah Polley)
Regisseurin Sarah Polley


Stories we tell
(Sarah Polley)

Kanada 2012, Buch: Sarah Polley, Narration: Michael Polley, Kamera: Iris Ng, Schnitt: Michael Munn, mit Michael Polley, Harry Gulkin, Susy Buchan, John Buchan, Mark Polley, Joanna Polley, Cathy Gulkin, Marie Murphy, Robert MacMillan, Anne Tait, Deirdre Bowen, Victoria Mitchell, Mort Ransen, Geoff Bowes, Tom Butler, Pixie Bigelow, Claire Walker (»Storytellers«), Rebecca Jenkins (Diane Polley), Peter Evans (Michael Polley), Alex Hatz (Harry Gulkin), Justin Goodhand (John Buchan), Seamus Morrison (Mark Polley), Allie MacDonald (Joanna Polley), Lani Billard (Susy Buchan), Andrew Church (Geoff Bowes), Dave Kiner (Wayne Robson), Jef Mallory (Tom Butler), Kristen Corvers (Deirdre Bowen), Christine Horne (Anne Tait), Jeanie Calleja (Victoria Mitchell), James Downing (Mort Ransen), Tracey Ferencz (Aunt Sheila), Eric Hanson (Mark Polley, 11), Kaylin Griffin (Joanna Polley, 8), Sarah Polley (Herself), 108 Min., Kinostart: 27. März 2014

In ihrem dritten Kinofilm als Regisseurin berichtet Sarah Polley über ihre eigene Geschichte. Ausgehend von einem Manuskript ihres Vaters Michael, das dieser wie ein Hörbuch vorträgt, erstellt sie eine Reihe von Interviews mit Familienmitgliedern, vor allem ihren Brüdern und Schwägerinnen, die sich anfänglich um die gemeinsame Mutter drehen, Diane Polley – an Krebs verstorben, als Sarah noch sehr jung war. Da Sarah die jüngste ist, erinnern sich die anderen an ein paar Kleinigkeiten mehr, aber es entspinnt sich auch eine weitergereichte Familiennarration, ehe man langsam entdeckt, dass auch ein kleines Geheimnis – mindestens eines – zwischen all den kleinen Geschichten verborgen und lange Zeit unterschlagen wurde. »What good was it gonna do? The family was messed up enough.«

Sarah Polley wird bei dieser dokumentarischen Herangehensweise zu einem oft auch sichtbaren Detektiv, der aber gleichzeitig die Fäden als Filmemacherin fest in den Händen hält. Augenscheinlich gibt es auch einen erheblichen Vorrat an Familienaufnahmen aus der Schauspielfamilie, das durch die fortschreitenden »Ermittlungen« im Nachhinein Anlass zu Interpretationen gibt. Und auch die Schauspielauftritte der Eltern wie derer von Sarah spielen mit in die Geschichte hinein. Etwa ein Geständnis, das ausgerechnet erfolgte, als Sarah gerade in Jaco Van Dormaels Mr. Nobody in Neanderthaler-Verkleidung auftritt (wer hätte gedacht, dass diese Outtakes noch mal eine ganz andere Geschichte fortspinnen?). Wobei eine Konfrontation zwischen Sarah und ihrem Vater (der nach dem Tod der Mutter ein besonders inniges Verhältnis mit der Tochter hatte und die wirkliche Entdeckung des Films ist) dann, weil sie nirgends dokumentiert worden war, kurzerhand nachgespielt wird. Was ja auch legitim ist.

Ich möchte die sich langsam entfaltende Geschichte des Films an dieser Stelle nicht vorwegnehmen, aber zumindest einer der Protagonisten, der sich später in den Mittelpunkt schiebt, spricht sich auch ganz vehement gegen die »Erzählform« des Dokumentarfilms aus, weil er die Kontrolle über »seine« Geschichte behalten möchte und sie nicht in die Hände einer möglichen »Manipulatorin« legen will, die durch Schnitt etc. den Fokus sacht oder weniger sacht verschieben könnte. »The story is only mine to tell«. Und so entwickelt sich aus dem anfänglich fast simpel anmutenden Dokumentarfilm »A search for the vagaries of truth and the unreliability of memory«. Wobei der mehrfache Geniestreich des Films darin besteht, dass sowohl die zugrunde liegende Geschichte als auch die »Ermittlungen« und die und die filmische (Re-)Konstruktion schon alleine fasziniert hätten, sich hier aber zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk verbinden.

Der Film wurde übrigens mehrfach als bester Dokumentarfilm des Jahres ausgezeichnet. Zu Recht.

»When you are in the middle of a story, it isn't a story at all but only a confusion, a dark roaring, a blindness, a wreckage of shattered glass and splintered wood, like a house in a whirlwind or else a boat crushed by the icebergs or swept over the rapids, and all aboard powerless to stop it. It's only afterwards that it becomes anything like a story at all, when you're telling it, to yourself or someone else« (Margaret Atwood, Alias Grace)