Edge of Tomorrow
(Doug Liman)
USA / Australien 2014, Buch: Christopher McQuarrie, Jez Butterworth, John-Henry Butterworth, Lit. Vorlage: Hiroshi Sakurazaka, Kamea: Dion Beebe, Schnitt: James Herbert, Musik: Christophe Beck, mit Tom Cruise (Major William Cage), Emily Blunt (Rita Vrataski), Brendan Gleeson (General Brigham), Bill Paxton (Master Sergeant Farell), Noah Taylor (Dr. Carter), Jonas Armstrong (Skinner), Tony Way (Kimmel), Kick Gurry (Griff), Charlotte Riley (Nance), Dragomir Mrsic (Kuntz), Franz Drameh (Ford), Masayoshi Haneda (Takeda), Terence Maynard (Cruel Sergeant), Marianne Jean-Baptiste (Dr. Whittle), Jeremy Piven (Col. Walter Marx), Jim Sturgeon (Doctor), Lara Pulver (Karen Lord), Madeleine Mantock (Julie), Beth Goddard (Secretary Judith), Anna Botting, Jane Hill, Erin Burnett, Dany Cushmaro (Themselves), Sebastian Blunt (Young Soldier / Tarmac), 113 Min., Kinostart: 29. Mai 2014
Den Kern der Handlung des neuen Tom-Cruise-Vehikels zusammenzufassen, war selten einfacher: Man nimmt einfach Groundhog Day (dt.: Und täglich grüßt das Murmeltier) und versetzt diese Handlung in ein futuristisches Alien-Invasions-Weltkrieg-Spektakel. Da die Pressevorführung mal wieder erst eine Woche vor dem Kinostart stattfand, fehlt mir die Zeit (oder Ambition), vorher noch die japanische Romanvorlage zu lesen, um einen Abgleich der Vor- und Nachteile zu erstellen, aber in der Filmfassung gibt es neben einigen tollen Ideen auch einige Ärgernisse, die womöglich auch im Buch schon so waren, aber ich gehe in solchen Situationen eher davon aus, dass da die Hollywood-Connection einiges vermurkst hat.
Beginnen wir mit den positiven Aspekten und einer ansatzweisen Inhaltsangabe. Der reichlich gelackte Major William Cage (Cruise), ein Werbeexperte, der jede Menge Kanonenfutter für den Endkampf des in Zentraleuropa tobenden Landkrieg gegen die Alieninvasion motiviert hat, will selbst lieber außen vor bleiben. Der Schreibtischtäter betont: »I'm not a soldier. Can't stand the sight of blood. Not so much as a paper cut.«
Bildmaterial © WARNER BROS. PICTURES
Dummerweise tritt er einem bornierten General (Brendan Gleeson) gegenüber aber dennoch arrogant herablassend auf und glaubt sogar, diesem drohen zu können, und so findet er sich selbst in der Lage, an der Front dienen zu »dürfen«, wobei General Brigham besonderes Augenmerk darauf gelegt hat, dass sich Cage nicht einfach »rausreden« kann. Von seinen Kameraden als Feigling und Deserteur verabscheut, nicht einmal darüber informiert, wie man das Arsenal seines Exo-Skeleton-Kampfanzugs scharf schaltet, landet er auf einem Strand, der der Normandie oder dem Anfangs-Gemetzel in Saving Private Ryan reichlich ähnelt und darf noch kurz mitansehen, wie einige Mitkämpfer (darunter Emily Blunt, die man zuvor nur als Posterheld à la »Uncle Sam« kennenlernte) ins Gras bzw. den Sand beißen, ehe dann auch er in einem beinahe heldenhaften Duell mit einem großen Alienbiest abtritt.
Die Tagline des Films lautet: »Live. Die. Reset.« Und so wacht Cage wieder auf dem zur riesigen Barracke umfunktionierten Heathrow-Flughafen auf, ein Sergeant spricht ihn mit »On your feet, maggot« an und es folgen eine Menge Déjà-vu-Momente mit Symbolcharakter (»For you, it's judgment day!« oder »Tomorrow morning you will be baptized. Born again.«), und wie einst Bill Murray als Phil versucht Cruise dann, seine Lage zu verbessern, seine Lebenszeit zu verlängern und nebenbei (in frühen Cruise-Filmen wie The Color of Money oder Rain Man der Standard) zum besseren Menschen (und widersinnigerweise gleichzeitig auch zum besseren Soldaten) zu werden. Die konkrete Erklärung der »Zeitschlaufe« wird diesmal auch geliefert, und wenn man sich erst einmal mit der Blödsinnigkeit der Prämisse abgefunden hat, ist das von den Autoren sogar logisch ganz gut durchdacht, einzig die genaue zeitliche Abfolge des sich im Verlauf des Films verändernden Tages würde ich gern mal durch kontinuierliche Uhrzeiteinblendung festgemacht sehen, dann werden sich einige Schwächen besser festmachen lassen.
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Wer Zeitreise-Filme wie Groundhog Day oder (im übertragenen Sinne) 50 First Dates mag, der bekommt hier zumindest ansatzweise eine ähnliche Romanze geboten, denn durch die wiederholte Zusammenarbeit mit »Heavy Metal Bitch« Rita (Emily Blunt) verschaut sich Cage spätestens beim 350sten »Reset« in sie und will fortan nicht nur den Weltfrieden retten (bei Groundhog Day reichte es fast schon, darauf anzustoßen), sondern am liebsten auch die Grundlage für eine gemeinsame Zukunft schaffen. Während sie ihn Tag und Reset-Tag neu zum ersten Mal trifft. Und so weiß er irgendwann, wie viel Zucker sie in ihren Kaffee nimmt und rätselt sogar an ihrem größten Geheimnis, dem mysteriösen »middle name« herum, doch das große Dilemma besteht ähnlich wie bei Phil, der einfach nicht vor dem Schneesturm die Stadt verlassen konnte, darin, dass bestimmte Stationen des »ewigen Tages« sich selbst bei minutiöser Planung immer wieder als Sackgasse erweisen. In einer schönen Hommage an das filmische Vorbild gibt es hier statt einer Montage des auf unterschiedliche Arten zerstörten Weckers immer wieder den Weckruf des Sergeants alternierend mit dem Lauf einer Pistole: »maggot« – BAMM! – »maggot« – BAMM!
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Das Problem des Films besteht für mich diesmal nicht darin, dass ich einer jener »verbohrten Logik-Puristen« (© Björn Becher) bin, sondern in der Anbiederung an ein bestimmtes Publikum. Ich bin mir sicher, wenn Edge of Tomorrow 20 Minuten kürzer wäre und das Budget auf ein Drittel gekürzt worden wäre, hätte ein erstaunlich großartiger Film herauskommen können (selbst mit Tom Cruise). Doch aus unerfindlichen Gründen wurde ich hier dauernd an James Cameron erinnert. Angefangen mit den Exo-Skeleton-Kampfanzügen (Aliens, Avatar), über die Besetzung von Bill Paxton und eine Variation von Private Vasquez (beides Aliens), bestimmte Alien-Mutter-Aspekte, durchgedrehte Militärs und Wissenschaftler (bei Cameron alle Nase lang) oder sogar das wie Quecksilber (Terminator 2) aussehende Blut der »Mimics«, das sich wie Säure ins Gesicht von Tom Cruise frisst. Das Alien-Design leidet auch etwas darunter, dass man solche krakenmäßigen Matrix-Viecher erst eine Woche zuvor bei den X-Men sah, und natürlich bedient man auch andere Standards, die mittlerweile leider zum »wie-übertreffe-ich-alles-vorhergehende« Blockbuster-Rezept gehören: 3D, eine Christopher-Nolan-mäßige Dröhn-Musik, ein (immerhin hübscher) umgefallener Eiffelturm und ein Showdown im Alien-»Nest« unter dem Louvre (!!) für irgendwelche Schauwerte, die natürlich im direkten Widerspruch zu irgend welchen Logikfragen stehen.
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Emily Blunt hat in den letzten Jahren eine gewisse Vorliebe für intelligentes Mainstream-Kino entwickelt, von The Adjustment Bureau (dt.: Der Plan) über Looper zu Edge of Tomorrow hat sie auch ihre Figuren ausarbeiten können, vom einstigen »damsel in distress« nun zur harten »Ausbilderin«. Aber während Looper vermutlich einigen Box-Office-Schaden durch sein kompromissloses Ende nahm, ist mir so etwas immer noch lieber als der Gegenentwurf durch die Hand von Tom Cruise. Wer sich fragt, ob William Cage am Schluss des Films einen (finalen) Heldentod geben muss oder darf oder ob man irgendwie noch ein Happy-End hinbiegt, dem kann ich nur sagen, dass mein Wunsch, der Film wäre zwanzig Minuten kürzer sich eindeutig auf die letzten zwanzig Minuten bezieht. Ob man sich hier bereitwillig durch die Logik kämpft oder nicht: das ist halt typischer Hollywood-Schmarrn, wo alles davor (bis auf die Cameron-Aspekte) intelligent und hochunterhaltsam war. Doch dann fügt sich der Film den von Marktforschungen vorgefertigten »Erwartungen« und verrät sich zum Schluss selbst.