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Bildmaterial © 2014 Sony Pictures Releasing GmbH
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22 Jump Street
(Phil Lord, Christopher Miller)
USA 2014, Buch: Michael Bacall, Oren Uziel, Rodney Rothman, Story: Michael Bacall, Jonah Hill, Vorlage (TV-Serie): Patrick Hasburgh, Stephen J. Cannell,
Kamera: Barry Peterson, Schnitt: Keith Brachmann, David Rennie, Musik: Mark Mothersbaugh, mit Jonah Hill (Schmidt), Channing Tatum (Jenko), Ice Cube (Captain Dickson), Wyatt Russell (Zook), Amber Stevens (Maya), Peter Stormare (The Ghost), Jillian Bell (Mercedes), Jimmy Tatro (Rooster), Patton Oswalt (MC State Professor), The Lucas Brothers (Keith & Kenny Yang), Rob Riggle (Mr. Walters), Dave Franco (Eric Molson), Caroline Aaron (Annie Schmidt), Joe Chrest (David Schmidt), Craig Roberts (Spencer), Seth Rogen (Morton Schmidt), Bill Hader (Culinary School Villain), Anna Faris (Anna), 112 Min., Kinostart: 31. Juli 2014
Es gibt Buddy Movies und es gibt »Bromances«. Eine »Bromance«, die Zusammenführung der Worte »Bro« (kurz für Brother) und »Romance«, beschreibt eine nichtsexuelle Beziehung zwischen zwei Männern, die aber immer wieder durch Anspielungen etc. in einen Liebeskontext gebracht wird. Wenn also Ernie Bert Blumen schenkt, Batman mit Robin in die Oper geht oder Felix und Oscar sich aus irgendwelchen Gründen das Bett teilen müssen.
In Sachen »Bromance« könnte 22 Jump Street das Nonplusultra-Paradebeispiel sein, und das wirklich Großartige an diesem Film ist, dass er sich für die Paar-Dynamik und eine wirklich komplexe Handlung mit »Fremdgehen«, »Eifersucht« und ähnlichem weitaus mehr Zeit nimmt als für die Krimihandlung zweier verdeckt ermittelnder Polizisten. Schon im Vorgänger 21 Jump Street ließ man die Vorlage, eine TV-Serie, reichlich unbeachtet, auch wenn Johnny Depp und sein Fernsehkollege mal für einen absurden Gastauftritt lang auftauchen durften. Beim neuen »Kriminalfall« geht es wiederum um die Etablierung einer Modedroge an einem College, und im Drehbuch spielt man recht clever mit Wiederholungen und Variationen des schon im ersten Film eher stiefmütterlich behandelten Krimiplots. Besonders absurd wird es immer dann, wenn die Vorgesetzten explizit verlangen, dass man exakt wie beim ersten Fall vorgeht oder sich (manchmal mit Verzögerung) herausstellt, was jeweils exakt genauso wie beim ersten Fall verläuft.
Doch ungeachtet der mitunter unübersehbaren Parodie der Action-Inszenierung nach Michael Bay (ein fetter R'n'B-Soundtrack, Sonnenuntergänge, Herumgespiele mit Waffen und eine Kamera, die entweder aus Hubschraubern oder Drohnen oder sonstwie besonders dynamisch / beweglich die beiden Protagonisten umkreist und sie dabei eindeutig heroisieren würde, wenn sie sich nicht so oft zum Affen machen würden) geht es in diesem Film vor allem um Gags und die Bromance, die durchweg die besten Gags liefert.
Dass der Film sich dabei nicht im entferntesten ernst nimmt, immer wieder seine Sequelhaftigkeit oder die Versatzstücke des Actionkinos betont, ist erstaunlicherweise ein Riesenspaß. Beispielsweise der von Peter Stormare (Fargo, Jurassic Park III) gespielte Bilderbuch-Bösewicht, der exakt so viele Szenen hat, wie er benötigt, um seine Rolle – und den Bezug zum eigentlichen Schurken des Films – der Lächerlichkeit preiszugeben. Auch die Gespräche mit dem Vorgesetzten (Ice Cube), in Cop Movies oft eine schlimme Macho-Kiste, wird hier lustvoll soweit überdreht, bis sie das Zwerchfell kitzelt – und natürlich unterstützen sich die absurden Meta-Ebenen gegenseitig, so dass es etwa zu folgendem Wortwechsel kommt:
»Is this a hickey?«
»This is actually an octopus related incident …«
Dass einem als Cop in 22 Jump Street ein Tintenfisch einen Knutschfleck verpasst, ist nicht die größte Gefahr, wer den Vorgängerfilm gesehen hat, weiß, dass einer der beiden ungleichen Buddys eine Schussverletzung erlitt, weil er seinen Kollegen retten wollte, und auch diesen plot point variiert man diesmal in solcher Art, dass man den Film auf der Handlungsebene einfach nicht ernst nehmen kann, er dadurch aber als selbstreflexives (und reichlich albernes) Kunstwerk eine Qualität erreicht, von der das Gros aller Filme in den zwei oder drei Genres, die er persifliert, weit entfernt ist.
Weil die Filmemacher, die jüngst auch für The Lego Movie zuständig waren (ihre erste Kinozusammenarbeit war Cloudy with a Chance of Meatballs) einfach gerade mit den dümmsten Versatzstücken besonders intelligent umgehen.
Meine Lieblingsstelle im Film passiert während einer verdeckten Ermittlung in der Bücherei des Colleges (schon die bloße Existenz von Büchern im hippen E-Book-Zeitalter gibt natürlich den Ansatz für einige Gags). Um nicht aufzufliegen, fällt unseren »Bros« nichts besseres ein, als einen Blow-Job unter Freunden vorzuspielen. Im zumeist eher homophoben Umfeld des Actionkinos fällt auf, dass Jenko (Channing Tatum) kein Problem damit zu haben scheint, dass die gefährlichen Killer ihn für schwul halten könnten. Als unsere beiden Cops dann aber »faggots« genannt werden, begehrt er gegen dieses unzeitgemäße Schimpfwort auf und quatscht sich dermaßen in Rage, um sein seit dem letzten Film gediehenes politisch Bewusstsein zu demonstrieren, dass er es auch ohne weiteres in Kauf nimmt, dass er und sein Partner (wie so oft großartig: Jonah Hill), die eben noch eine im Handlungsverlauf absurde und potentiell demütigende Aktion vortäuschten, um nicht enttarnt zu werden, jetzt für diese etwas abwegige Zivilcourage (»If you don't say something, people will never stop discriminating!«) in einen Kugelhagel geraten.
Wie eigentlich immer bei englischsprachigen Komödien sollte man versuchen, den Film im Original zu sehen, wenn man auch nur halbwegs der englischen Sprache mächtig ist. Nicht nur, weil die Gefahr besteht, dass eine kurzfristig nicht perfekte Synchronfassung den exakt kalibrierten Humorlevel ins Straucheln bringen könnte, sondern auch, weil manche Wortspiele einfach komplett unübersetzbar sind, und es mich schon beim bloßen Gedanken, wohin das führen kann, schüttelt. Wenn Jenko seinen (männlichen) love interest kennenlernt, so geschieht das in einem sogenannten meet cute, einem Standard-Handlungsverlauf in RomComs, der unter der Ägide eines Künstlers wie Ernst Lubitsch beispielsweise so aufgelöst werden kann, dass zwei sich zuvor unbekannte Personen unterschiedlichen Geschlechts sich in einem Kaufhaus einen Pyjama teilen, weil sie nur das Oberteil benötigt, während er einzig an der Hose interessiert ist (mit allen inhärenten sexuellen Bezügen, die man seinerzeit noch sehr subtil verharmlosen musste). In heutigen RomComs erschöpft sich das meet cute oft in eher plumpen Kollisionen, bei denen zumeist ein Coffee-to-go eine Bluse durchtränkt oder ähnliches. In 22 Jump Street ist der eigentliche Gag jetzt kein absolutes Meisterwerk, aber die absurde Idee, einen umständlichen Wortwitz auf »meet cute« zurechtzubasteln, bei dem ein Wattestäbchen (hier bitte den gängigen Markennamen dazudenken) in einem Sandwich mit Fleischbelag landet (inklusive einiger nicht sehr subtiler sexueller Anspielungen), ist einfach ein kleines Ereignis. Bei dem dann das übliche Zurückübersetzen eines Synchro-Gags, damit man mitlachen kann, vermutlich selbst beim aufgewecktesten Zuschauer (und Übersetzer) nur zu weitreichendem Unverständnis führen kann.
Eigentlich ist dieser Film ja ein kompletter Schmarrn, aber da man spätestens seit den Marx Brothers, Tex Avery oder Jerry Lewis weiß, dass auch Albernheit (oder Blödsinn) eine ernstzunehmende Kunstform darstellen kann, kommt man einfach nicht umhin, hier nicht weniger als ein Meisterwerk zu konstatieren. Wer sich bei Dialogsätzen wie »Maybe we should just investigate differnt people …« oder »You want an open investigation?« nicht bereits angesprochen fühlt, hat vielleicht nicht die richtige Mentalität für diese clevere Lachnummer, ein Kunstwerk auf der Höhe seiner Zeit kann diesen Anspruch ja auch nur erfüllen, wenn es nicht jedermann anspricht.