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Bildmaterial © Daniel McFadden & Caitlin Cronenberg
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Maps to the Stars
(David Cronenberg)
Kanada / USA / Deutschland / Frankreich 2014, Buch: Bruce Wagner, Kamera: Peter Suschitzky, Schnitt: Ronald Sanders, Musik: Howard Shore, Kostüme: Denise Cronenberg, mit Mia Wasikowska (Agatha Weiss), Julianne Moore (Havana Segrand), Evan Bird (Benjie Weiss), John Cusack (Dr. Stafford Weiss), Olivia Williams (Christina Weiss), Robert Pattinson (Jerome Fontana), Sarah Gadon (Clarice Taggart), Sean G. Robertson (Roy), Niamh Wilson (Sam), Carrie Fisher (Carrie Fisher), Jayne Heitmeyer (Azita Wachtel), Amanda Brugel (Victoria), Emilia McCarthy (Kayla), Kiara Glasco (Cammy), Justin Kelly (Rhett), 111 Min., Kinostart: 11. September 2014
Der neue David Cronenberg ist zunächst mal ein großer Spaß, eine Hollywood-Satire, die quasi versucht, Billy Wilders Sunset Boulevard zu modernisieren und im Tonfall eines Bret Easton Ellis neu zu erfinden.
Die Norma Desmond des Films, die große Schauspielerin, die vergangenen Zeiten (und Erfolgen) nachweint, ist Julianne Moore als Havana Segrand. Ein Nachname, der nur mit dem germanischen Z noch großkotziger geklungen hätte. Neben der aktuellen Talsohle ihrer Karriere muss Havana mit Geisteserscheinungen kämpfen, ihre weitaus berühmtere Mutter (Sarah Gadon) sucht sie heim, und die ultimative Beleidigung besteht darin, dass selbst die tote Mutter – durch ihren Tod! – jünger aussieht. Und aktuell einfach hipper ist, denn von ihrem großen Erfolg »Stolen Waters« wird gerade ein Remake vorbereitet. Eine Rolle, die für Havana die letzte große Chance bedeuten könnte.
Die zweite (und eigentlich größere) Geschichte des Films dreht sich um eine reichlich zerrüttete Familie, die hier und da Berührungspunkte mit Havana hat. So betreut etwa der Vater, Celebrity-Masseur Stafford (John Cusack), die alternde Diva. Und im Zusammenspiel der routinierten Darsteller hat der Film gleich eine seiner stärksten Szenen, eine faszinierende Schauspielübung. Nur leider zu einem Zeitpunkt, zu dem man über die Figuren noch so gut wie nichts weiß. Stafford hat auch eine Frau, Christina (Olivia Williams), die vor allem für ihren 13jährigen Sohn (und dessen Karriere sowie – lower priority – Wohlbefinden) zuständig ist. Der Kinderstar Benjie (Evan Bird) rennt auch bereits seiner Karriere hinterher und hat schon einen umfassenden Drogenentzug hinter sich – und muss sich, der Fluch Hollywoods – bereits mit jüngeren Darstellern herumschlagen, die seine Thronfolge usurpieren wollen. Zu guter Letzt ist da noch Amanda (Mia Wasikowska), die verstoßene Tochter, die einst pyromanisch aktiv war (ihr kleiner Bruder wurde berühmt durch den Film »Bad Babysitter«, sie hingegen trägt mit gutem Recht ein Tieschört »I was a bad babysitter«), Verbrennungen im Gesicht trägt und nur mit Handschuhen unterwegs ist – und gerade aus dem Sanatorium entlassen wurde. Gaststar ist Robert Pattinson, der wieder (vgl. Cosmopolis) in einer Limousine unterwegs ist – nur diesmal als Chauffeur, der natürlich, wie sollte es in L.A. anders sein, auch als Schauspieler seinen Durchbruch sucht.
In diesem kranken Zerrspiegel der Gesellschaft zieht Drehbuchautor Bruce Wagner so ziemlich alle Register, und ein gewisses Problem des Films besteht darin, dass Mia Wasikowska gleichzeitig die emotionale Kernfigur des Films ist, die sich mit ihren Eltern versöhnen will, etwas ähnliches wie Liebe sucht, nebenbei noch die Verbindung zum Bruder aufbaut und für Havana Segrand arbeitet – dabei aber mindestens genauso viele Abgründe mit sich trägt wie anderen Figuren. Das mit dem »Bad Babysitter« trifft in einem Ausmaß auf ihre Figur zu, dass es einen irgendwann erschreckt. Und das, obwohl man sich bei diesem Film eigentlich schnell sicher ist, dass man sich von nichts erschrecken lassen wird – denn die Satire ist zu jedem Zeitpunkt wichtiger als die Figuren, von denen man annehmen könnte, dass einige noch zu retten sind.
Ein zweites Problem erwächst dem Film durch den Umstand, dass er eben doch größtenteils in Kanada gedreht wurde. Da gibt es eine Szene mit einem reichlich unglaubwürdigen Hollywood-Schild auf einem gefühlt 3,50 Meter hohen »Berg«, die vermutlich auch eine Aussage mit sich trägt. Doch das »echte« Hollywood, das Billy Wilder oder Robert Altman (The Player) auszeichnete, wird hier nur behauptet. Da gibt es Dialoge über Chuck Lorre, Juliette Lewis oder P.T. Anderson (laut Untertitel »P.D. Anderson«), doch für einen Auftritt »als sie selbst« konnte man nur Carrie Fisher auftreiben, deren Twitteraccount hier berühmter erscheint als sie selbst. Stattdessen verliert sich der Film in fiktiven Berühmtheiten und einer durchdachten maßgeschneiderten Filmgeschichte, drapiert um »Bad Babysitter«, »Blue Matrix« oder »Summer of Love«, für den Havana 2002 den (kanadischen!) Genie Award gewann. Wenn man in dieses fiktive Universum tief eindringt und beispielsweise darauf achtet, welche Kinoplakate in der Cafeteria hängen, wird man belohnt. Doch dieses Investment kann man vom Kinozuschauer nicht erwarten. Dieser wird stattdessen oft brüskiert. Durch die vorhersehbare Entwicklung der Geschichte, einen reichlich prätentiösen Gedichteinsatz (Liberty von Paul Elnard, »bearbeitet« von Wagner und Cronenberg) – oder durch peinliche CGI-Effekte in einer wirklich überraschenden Schlüsselszene, die dadurch gleich wieder einiges an Impetus einbüßt. Vermutlich ist auch all das »schlecht umgesetzte« im Film absichtlich und ein Kommentar (immer eine gute Ausrede), doch aus meiner Sicht ist Maps to the Stars zwar der beste Cronenberg-Film seit Jahren (habe allerdings den Keira-Knightley-Kram ausgelassen), aber mit Sunset Boulevard, The Player oder auch nur einem leidlich gelungenen Roman von Bret Easton Ellis wie Lunar Park kann sich der Film nicht ansatzweise messen. Selbst die straight-to-video Adaption von The Informers, trotz zahlreicher Schwachstellen, konnte mich stärker in eine angespannte Erregung versetzen als dieser einfach zu brav durchdachte Möchtegern-Schocker.
Nichtsdestotrotz ist ein Cronenberg (insbesondere dieser) eigentlich immer Pflichtprogramm für Leute, die öfter ins Kino als zum Friseur gehen. Und dieser Film könnte viele »normale« Zuschauer wegfegen wie ein Tornado. Wenn er diese nicht auf dem Weg verliert, was ich stark befürchte. Und um die Massen erstmal ins Kino zu locken (unverkennbar eine Absicht, die Cronenberg inzwischen wichtiger wurde), reicht vielleicht auch die (aus meiner Sicht großartige) Besetzung nicht. Mia Wasikowska und Sarah Gadon in einem Film! Julianne Moore, John Cusack, Olivia Williams! Und der Pattinson tut auch nicht weh (auch wenn ich seine Fans warnen muss, dass seine Rolle jetzt eher klein ausfällt).