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18. Dezember 2014
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Die Wolken von Sils Maria (Olivier Assayas)
Die Wolken von Sils Maria (Olivier Assayas)
Bildmaterial © Pallas Film / NFP Carole Bethuel
Die Wolken von Sils Maria (Olivier Assayas)
Die Wolken von Sils Maria (Olivier Assayas)
Die Wolken von Sils Maria (Olivier Assayas)


Die Wolken von Sils Maria
(Olivier Assayas)

Originaltitel: Clouds of Sils Maria, Frz. Titel: Sils Maria, Frankreich / Deutschland / Schweiz 2014, Buch: Olivier Assayas, Kamera: Yorick Le Saux, Schnitt: Marion Monnier, mit Juliette Binoche (Maria Enders), Kristen Stewart (Valentine), Chloë Grace Moretz (Jo-Ann Ellis), Lars Eidinger (Klaus Diesterweg), Johnny Flynn (Christopher Giles), Angela Winkler (Rosa Melchior), Hanns Zischler (Henryk Wald), Nora von Waldstätten (Actress in Sci-fi Movie), Brady Corbet (Piers Roaldson), Aljoscha Stadelmann (Urs Kobler), Claire Tran (Maria's London Assistant), Peter Farkas (Journalist in Zürich), Stuart Manashil (Maria's Agent), Ben Posener (Journalist in London), Ricardia Bramley (Talk Show Host), Luise Berndt (Nelly, Urs' assistant), 124 Min., Kinostart: 18. Dezember 2014

Aus meiner Sicht sind Sils Maria und Maps to the Stars zwei Variationen der gleichen Prämisse (der im Januar startende Birdman zeigt auch Ähnlichkeiten, und alle drei Filme haben mich nicht komplett überzeugt, sind aber – gerade im Vergleich – durchaus sehenswert). Julianne Moore in Maps und Juliette Binoche hier sind die amerikanische bzw. europäische Version einer Schauspielerin, die sich langsam Sorgen machen muss um den weiteren Verlauf ihrer Karriere. Und in beiden Fällen wird diese Figur nicht nur bei einem Filmprojekt mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert (Julianne Moore als Havanna Segrand sollte das Remake eines Films drehen und dabei die Rolle ihrer jung verstorbenen Mutter übernehmen, Juliette Binoche als Maria Enders soll in der Neuaufnahme eines Stücks, das ihr einst den Durchbruch bescherte, die andere – ältere – Frauenfigur übernehmen), sondern vor allem mit anderen SchauspielerInnen und einer Assistentin (Mia Wasikowska bzw. jetzt Kristen Stewart), die jeweils einer jüngeren Generation angehören und sie dadurch abermals an ihr fortschreitendes Alter erinnern.

Der Tonfall von Sils Maria ist nicht ganz so spekulativ / sensationsgeil, mit Ausnahme einer von Paparazzi verfolgten Jungschauspielerin (Chloë Grace Moretz) ist die Scheinwelt der Stars nicht ganz so schillernd, und statt möglichst kommerzieller Hollywood-Streifen geht es hier, in den Schweizer Bergen, eher um Hochkultur und den Austausch zwischen einer europäischen Kulturelite, die auch Theater- und andere Künstler beinhaltet. Wo Cronenberg vor allem die Entgleisungen und Intrigen der Hollywood-Meute beschreibt, schildert Assayas tatsächlich auch den Arbeitsalltag einer Schauspielerin, nämlich das Texteinüben. Was aber im Zwiegespräch mit der jüngeren Assistentin durchgehen zum Spiel mit Doppeldeutigkeiten und der Metaebene wird. Wenn man beispielsweise diskutiert, ob das Verschwinden einer Figur im Stück deren Selbstmord impliziert, so hat das einen Bezug zur übergeordneten Realitätsebene, der zu den selben Überlegungen Anlass gäbe, wenn Assayas nicht (und das ist für ihn ungewöhnlich) gegen Schluss das Vertrauen in sein (vielleicht diesmal größeres?) Publikum verliert und auf der Storyebene deutlicher wird, als es meines Erachtens nötig wäre.

Während bei Cronenberg ein Problem darin besteht, dass die Figuren (und die Situation) zu satirisch überzeichnet sind (man hat fast das Gefühl, dass er gar nicht will, dass man sich zu sehr mit seinen »Opfern« identifiziert), verliert sich der Assayas ein wenig in der Gegenüberstellung von Extremen: alt und jung, europäisch und amerikanisch, Kunst und Kommerz, wobei es immerhin ganz clever ist, dass man einen teuer produzierten Blockbuster zwischen Sci-Fi und Marvel (incl. einer Scarlet Witch«) nicht einfach als »Blödsinnsfilm« ablehnt, sondern es eine Diskussion darüber gibt, inwiefern dieses Kino einfach mit anderen Mitteln zur detaillierten Analyse einlädt (wobei die Fronten hier dann doch wieder deutlich in die Lager »Old Europe« und »up and coming US of A« aufgeteilt sind). Man hat aber das Gefühl, Assayas' Standpunkt klar zu erkennen. Zum einen aufgrund der Art und Weise, wie er einen Film-im-Film inszeniert, zum anderen, weil ein erwähntes Remake von Forbidden Planet (repräsentativ für die Art von Filmen, die man heutzutage dreht) bei all meiner Liebe zum Originalfilm einfach unfassbar absurd klingt. Doch auch die Kunstelite wird der Lächerlichkeit preisgegeben, nur mit anderen Mitteln.

Sowohl Sils Maria als auch Maps to the Stars zählen heutzutage zu den klar überdurchschnittlichen Filmen, noch dazu zum leider verschwindenden Segment von Filmen mit einem Staraufgebot, die dennoch kein Multi-Millionen-Dollar-Budget benötigen, doch im jeweiligen Œuvre der beiden Regisseure sind sie eher geringere Werke. Überzeugender als die beiden Filme für sich ist in meinen Augen die Gegenüberstellung der beiden Entwürfe, der unterschiedlichen Herangehensweise, Darstellung und Aussage. Kulturpessimismus auf so hohem Niveau, dass es schon selbst fast wieder hohe Kunst ist. Wenn die beiden Filme irgendwie zu einem verschmelzen könnten, dann wäre ich vermutlich wirklich überzeugt. Cronenbergs satirische Schärfe mit Assayas' Art, Geschichten zu erzählen!