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4. Februar 2015
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Foxcatcher (Bennett Miller)
Foxcatcher (Bennett Miller)
Foxcatcher (Bennett Miller)
Bildmaterial © Fair Hill LLC
Foxcatcher (Bennett Miller)
Foxcatcher (Bennett Miller)
Foxcatcher (Bennett Miller)


Foxcatcher
(Bennett Miller)

USA 2014, Buch: E. Max Frye, Dan Futterman, Vorlage: , Kamera: Greig Fraser, Schnitt: Stuart Levy, Conor O'Neill, Jay Cassidy, Musik: Rob Simonsen, West Dylan Thordson, Mychael Danna, Make-Up: Bill Corso, mit Channing Tatum (Mark Schultz), Steve Carell (John Du Pont), Mark Ruffalo (Dave Schultz), Sienna Miller (Nancy Schultz), Vanessa Redgrave (Jean Du Pont), Anthony Michael Hall (Jack), Guy Boyd (Henry Beck), Dave »Doc« Bennett (Dokumentarfilmer), 134 Min., Kinostart: 5. Februar 2015

Auch in seinem dritten Film (nach Capote und Moneyball) erzählt Bennett Miller von seltsamen Männerfreundschaften. Man könnte annehmen, dass zwischen den beiden (ungewöhnlichen) »Sportfilmen« über die finanziellen Hintergründe beim Baseball und Ringen eine besondere Verbindung besteht, doch Foxcatcher knüpft weitaus stärker bei Capote an, was die generelle Atmosphäre und bestimmte unterschwellige Themen angeht.

Der Film erzählt zum einen die Geschichte zweier Brüder, die in ihren jeweiligen Gewichtsklassen (und unterschiedlichem Alter) jeweils olympische Erfolge für das US-Team erzielen konnten. Dabei geht es zunächst um den jüngeren, Mark (Channing Tatum), der eingeführt wird, wie er in der Aula einer Elementary School 8-12jährigen Kindern davon erzählt, wie er in Los Angeles olympisches Gold errang. Danach darf er sich im Sekretariat einen Scheck über 20 Dollar abholen und wird noch ungewollt gedemütigt, als man ihn fragt, ob der Scheck auf Dave oder David ausgestellt werden soll. Das Ringen ist eine brotlose Kunst, und er steht trotz seines Erfolgs noch ganz im Schatten seines Bruders (der im konkreten Fall eigentlich auftreten sollte).

Den Bruder lernt man auch kennen, und Mark Ruffalo sieht als Dave mit Bart und Glatzenansatz ein wenig aus wie Jeffrey Wright, hat aber offensichtlich für die Rolle trainiert und insbesondere die Körperhaltung eines Ringers übernommen (was nicht heißen soll, dass Channing Tatum seiner Rolle nicht entspricht, doch im Gegensatz zu Ruffalo ist Tatum ja für körperbetonte Auftritte bekannt.

Im Gegensatz zum etwas traurigem Solotraining Marks (und seiner heruntergekommenen Wohnen und den runtergewürgten Hamburgern) erkennt man beim gemeinsamen Training der Brüder trotz einer manchmal übertriebenen Grobheit die familiäre Verbindung, die aber, wenn sie nicht gemeinsam den Turnhallenboden zum Quietschen bringen, in der Zukunftsplanung keine Fortsetzung findet. Während Dave bereits Familienvater ist und mit dem Gedanken spielt, in Colorado zu coachen, sucht der eigenbrötlerische Mark noch sportliche Erfolge, die irgendwie seine finanzielle Situation verbessern sollen.

Da kommt das mysteriöse Angebot des superreichen John E. Du Pont (Steve Carell mit einer Make-Up-Adlernase – und auch sonst kaum wiederzuerkennen), der Mark auf seiner Foxcatcher Farm (die Familie organisierte früher mal Fuchsjagden per Pferd, wie man aus Archivmaterial zu Beginn des Films entnehmen konnte) eine Trainingsmöglichkeit bieten will, um bei den bevorstehenden Sommerspielen 1988 in Seoul an seine früheren Erfolge anschließen zu können.

Ganz schleichend erweist sich der erst spät in den Film eintretende Du Pont als die eigentliche Hauptfigur. Den Ornithologen und reichen Philanthropen nimmt man ihm ohne weiteres ab, aber seine Faszination für das Ringen (er tritt tatsächlich auch bei einem Turnier an) scheint kaum vereinbar mit seinem Körperbau, seine Mutter Jean du Pont (Vanessa Redgrave) scheint ihn Zeit seines Lebens als Schwächling verspottet zu haben und findet das Ringen eher unangemessen und plebeisch. Und John hat ebenso nichts für Pferde übrig. »Horses are stupid. Horses eat and shit, that's all they do. It's very silly. It's all very silly. I love my mother very much, but this is ridiculous.« Man muss eigentlich nicht extra erwähnen, dass er solche Statements nicht in Anwesenheit der Matriarchin äußert.

Ich will nicht alles ausplaudern, was in diesem Film passiert, er basiert auf wahren Begebenheiten, die aber für das Drehbuch deutlich komprimiert wurden (ich empfehle für nach dem Film die Infos auf History vs. Hollywood), und ganz gemächlich entwickelt der Film eine drückende, fast klaustrophobische Atmosphäre, bei der es zu einem Konflikt zu kommen scheint, der sich nicht auf einer Ringermatte beilegen lässt. Du Pont zeigt Mark die Welt der Reichen, dazu gehört offenbar auch Kokainkonsum, und man ahnt, dass das keine idealen Trainingsbedingungen sind. Außerdem gibt es vage Andeutungen sexueller Natur und da Mark immer selbstzerstörerischer zu werden scheint, hofft man darauf, dass sein Bruder, der der ganzen Sache eher skeptisch gegenübersteht, ihn retten kann.

Eine der tragischen Komponenten ist die kontinuierliche Scheinwelt, in der Du Pont lebt. Einmal gesteht er Mark gegenüber: »I only had one good friend when I grew up. The son of my mother's chauffeur. When I was 16 I found out that my mother was paying him for being my friend.« Diese »bezahlte« Popularität verfolgt Du Pont selbst noch nach dem Tod der Mutter, und wie er daran langsam zerbricht spielt Carell, den man fast ausschließlich als linkischen Komiker wie in Anchorman kennt, mit einer Gravitas, die man nie erwartet hätte. Ich selbst habe ihn nur mit etwas Verspätung an der Stimme wiedererkannt (die Info, dass Bennett Miller Regie führt, reichte für mich voll und ganz, um mich für den Film zu entscheiden) Doch Carells schauspielerische Leistung geht über das die pure Make-Up-Leistung weit hinaus, Körperhaltung und Stimmmodulierung unterstützen das dem realen Vorbild nachempfundene Aussehen bedingungslos. Und bedingungs- und teilweise gnadenlos ist auch die Regieleistung Millers. Drei Filme, drei Volltreffer.