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5. August 2015
Thomas Vorwerk
für satt.org


  About a Girl (Mark Monheim)
About a Girl (Mark Monheim)
Bildmaterial © IMBISSFILM
About a Girl (Mark Monheim)
About a Girl (Mark Monheim)
About a Girl (Mark Monheim)


About a Girl
(Mark Monheim)

Deutschland 2014, Buch: Mark Monheim, Martin Rehbock, Kamera: Daniel Schönauer, Schnitt: Stine Sonne Munch, Melanie Landa, Musik: Supervisor: Sebastian Pille, mit Jasna Fritzi Bauer (Charleen), Sandro Lohmann (Linus), Heike Makatsch (Sabine), Aurel Manthel (Jeff), Simon Schwarz (Volker), Dorothea Walda (Oma Emmi), Lauritz Greve (Oscar), Nikolaus Frei (Therapeut), Johanna Kries (Charleen als Kind), 105 Min., Kinostart: 6. August 2015

Diesen Film verbindet vieles mit Coconut Hero, der aber erst eine Woche später anläuft, weshalb man die Kritik auf satt.org auch erst eine Woche später lesen kann – ich habe die beiden Filme aber in der anderen Reihenfolge gesehen und auch die Kritiken in der anderen Reihenfolge geschrieben. Sorry!

Ein Teenager mit Selbstmordgedanken, eine überforderte Mutter, deren wieder auftauchender Exmann und Vater, Therapiesitzungen, die schwarzhumorige Faszination des Todes und eine zarte junge Liebe – eigentlich alles extrem ähnlich wie im »Film des Monats« Coconut Hero, aber diesmal mit einem Mädchen im Mittelpunkt und eine Spur deutscher.

Die fünfzehndreiviertel Jahre alte Charleen (gespielt von der 26jährigen Jasna Fritzi Bauer, der man den Teenager aber fast durchgängig abnimmt) macht ein Praktikum bei einem Bestattungsunternehmer, fotografiert »Roadkill« und befasst sich bevorzugt mit Musikern wie Kurt Cobain, Jimi Hendrix und Amy Winehouse – und kommt, weil sie in letzter Zeit so mies drauf ist, auf die Idee, einen Fön mit in die Badewanne zu nehmen. Die vermeintlichen Abschiedsworte an die Mutter (Heike Makatsch) lauten uncharakteristisch »Ich hab' dich lieb, Mama!«, was diese schon etwas verdächtig findet ... »Bist du schwanger? [...] Schwimm nicht so weit raus!«

Als die Aktion auf kuriose Weise schief geht und Charleen überlebt, kann sie nur mit freiwilliger Therapie verhindern, nicht für drei Monate in eine geschlossene Anstalt eingewiesen zu werden, und bei dem (sehr seltsamen) Psycho-Doc trifft sie im Wartezimmer ausgerechnet auf ihren Mitschüler Linus (Sandro Lohmann), einen nerdigen Lulatsch. Eine naheliegende Storyentwicklung wird noch durch die soeben vernommenen Therapiesätze vorweggenommen: »Mit 15 kann man eine Menge Spaß haben. Aber du willst lieber tot sein. Denkst du, das ist normal?«

Um es vorwegzunehmen: Mit dem Spaß ist nicht etwa jede Menge Sex gemeint, sondern sexuell harmlose Unternehmungen wie das gemeinsame (ungesund schnelle) Fahren in einem Einkaufswagen.

Trotzdem spielt sich vieles auch in der Familie ab. Die Mutter räumt gefährliche Objekte weg, lässt sich dabei ertappen und rettet die Situation halbwegs mit der Frage »Hast du auch noch was für'n Flohmarkt?« Und ob Charleens wiederaufgetauchter Vater oder der neue Freund der Mutter, blöderweise ein Lehrer – so schlimm sind die alle gar nicht, es gibt auch viel Spaß zuhause. Und mit der Oma, die gar nicht so schwerhörig ist, wie man allgemein annimmt, gibt's eine echte seelische Unterstützung.

Für einen deutschen Film mit so einem schweren Thema ist About a Girl erfrischend locker. Der eigens für den Film mit jungen Bands eingespielte Soundtrack ist teilweise durchaus erträglich (nicht immer dieses verkrampfte Gitarrengeklimper mit englischsprachigen Texten, die alle Emotionen »erklären«), die Schauspielleistungen stimmen durchgängig, und man lässt sich neben der stringenten Dramaturgie einigen Raum für kleine absurde Details wie die seltsame Beziehung der Oma zum Pfarrer, den Tierversuch mit dem Hamster Archie (nicht nachmachen, Kinder!) oder den Job der Mutter als Ebay-Powerseller mit lauter Tinnef.

Dass man sich in der Tradition von US-Indiekomödien wie Juno oder Little Miss Sunshine sieht (nur echt mit der dysfunktionalen Familie!), wird auch durch die (durchaus gelungenen) Animationsteile unterstrichen, aber gerade gegen Schluss wirkt das ganze dann doch ein bisschen didaktisch durchdacht und sehr optimistisch, da hätte ich mir etwas mehr Mut gewünscht, auch mal hier und da anzuecken, statt die schöne heile Welt und den Sonnenschein dann zum Schluss doch viele der viel interessanteren dunklen Wolken zu Beginn wegfegen zu lassen. Aber in der Kategorie familientauglicher Jugendfilm nicht nur national besehen weit besser als der Durchschnitt.