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4. Mai 2016
Thomas Vorwerk
für satt.org


  La belle saison - Eine Sommerliebe (Catherine Corsini)


La belle saison
Eine Sommerliebe
(Catherine Corsini)

Frankreich / Belgien 2015, Originaltitel: La belle saison, Buch: Catherine Corsini, Laurette Polmanss, Kamera: Jeanne Lapoirie, Schnitt: Frédérique Baillehaiche, Musik: Grégoire Hetzel, Production Design: Anna Falguères, mit Izïa Higelin (Delphine Benchiessa), Cécile De France (Carole), Noémie Lvovsky (Monique Benchiessa), Jean-Henri Compère (Maurice Benchiessa), Loulou Hanssen (Françoise), Kévin Azaïs (Antoine), Benjamin Bellecour (Manuel), Laetitia Dosch (Adeline), Sarah Suco (Fabienne), Calypso Valois (Charlotte), Nathalie Beder (Marie-Laure), Bruno Podalydès (Prof. Chambard), Antonia Buresi (Geneviève), Julie Lesgages (Joëlle), Franc Bruneau (Guy), 105 Min., Kinostart: 5. Mai 2016

Filmemacherin Catherine Corsini war 1971 15 Jahre alt, die Hauptfigur ihres Films ist 23 und in der Provinz aufgewachsen. Delphine (Izïa Higelin) wird eingeführt mit Landschaftstotalen, man sieht sie bei der selbstständig wirkenden Feldarbeit. Recht schnell wird eine gleichgeschlechtliche Liebe gezeigt, doch ihre Freundin gibt unter dem Druck der Gesellschaft nach und entscheidet sich zur Heirat statt für ein geheimes Ausleben eines Tabus. Auch Delphine wird von ihren Eltern immer wieder daran erinnert, dass sie im heiratsfähigen Alter ist, Antoine vom Nachbarhof ist auch deutlich interessiert an ihr. Die nicht mehr ganz taufrischen Eltern sind aber nicht zuletzt auch daran interessiert, die Zukunft des Hofes zu sichern.

La belle saison (Catherine Corsini)

Bildmaterial: © Alamode Film

Delphine bricht aus aus dieser Atmosphäre der »gut gemeinten« Unterdrückung und lernt in Paris ein komplett anderes Leben kennen. Dabei verliebt sie sich sehr schnell in die etwas ältere Lehrerin und Frauenrechtlerin Carole (Cécile de France) und gibt sich dabei deutlich Mühe, zu ignorieren, dass diese trotz ihres mitunter militanten Protests gegen das Patriarchat in einer gut funktionierenden heterosexuellen Beziehung steckt. Wie in einer Umkehrung des Macho-Spruchs »Die muss nur mal richtig ...« gelingt es Delphine aber über einen zunächst verunglückten Kuss und eine sture Beharrlichkeit, auch in Carole die »Sommerliebe« des deutschen Zusatztitels zu entfachen. Bis auf Caroles nun zurückgestoßenen Freund sind alle glücklich, atmosphärisch dicht wird die politisch-feministische Aufbruchszeit gezeigt. Und der Konflikt lässt nicht lange auf sich warten.

La belle saison (Catherine Corsini)

Bildmaterial: © Alamode Film

Denn weil Delphines Vater einen Schlaganfall hatte, sieht sich die Tochter gezwungen, zu den Eltern zurückzukehren, um zumindest so lange auf dem Hof auszuhelfen, bis eine erhoffte Stabilisierung des Vaters eintritt. Die Frischverliebten leiden unter der Trennung und schließlich folgt Carole in die Provinz, Delphines Mutter wird eine harmlose Geschichte von einer »Kollegin« erzählt, und in der Folgezeit erlebt man vor allem, wie Delphine in ihrem Versteckspiel gefangen ist, während Carole sehr offensiv für den früheren status quo ihrer Beziehung eintritt. Und da die Gefahr des ländlichen Eklats jedes intime Stündchen in freier Natur überschattet und man sich im elterlichen Haus auch sehr vorsichtig verhalten muss, kommt es zu ersten Spannungen zwischen den beiden jungen Frauen.

Noch problematischer wird es aber durch Mutter Monique (Noémie Lvovsky), die den beiden irgendwann hinter die Schliche kommt und perfide manipuliert - dabei aber nie in eine klare Schurkenrolle gedrängt wird, denn man sieht die Situation auch aus ihrer Sicht (und unter den Wünschen und Erwartungen der Eltern leiden unzählige Männer und Heteros in ähnlicher Weise).

La belle saison (Catherine Corsini)

Bildmaterial: © Alamode Film

Der etwas nostalgisch ausgeprägte Blick in die jüngere Geschichte bietet natürlich die Möglichkeit, eine mittlerweile kaum mehr erzählenswerte Geschichte anders aufzuzäumen (vgl. Brokeback Mountain oder Carol), doch damit droht man natürlich auch schnell in die »damals« üblichen »Auflösungen« hineinzutappen. La belle saison findet da einen ganz gelungenen Kompromiss und bietet die kaum merklich auch lesbische Verhältnisse umgebogene Schlussszene aus Les parapluies de Cherbourg. Bis man allerdings dort ankommt, zerfasert sich der Film etwas in einer Vor-Zurück-Begegnung, die in einer gefühlt viel zu langen Szene auf einem Umsteigebahnhof kulminiert. Zwar ist diese »Geh weg!« - »Nein, ich komm' mit!« - »Nein, doch nicht...«-Mentalität uns allen bekannt (und wird auf Bahnhöfen und Flughäfen immer schnell intensiviert), doch während man lange Zeit mitfiebert mit dem Paar, verliert der Film in diesen Momenten einiges an Zuschauerempathie.

La belle saison (Catherine Corsini)

Bildmaterial: © Alamode Film

Die ersten zwei Drittel des Films haben mir aber gut genug gefallen (nichts zuletzt wegen der Atmosphäre und der drei größtenteils überzeugenden Hauptdarstellerinnen), um darüber hinwegzusehen. Und die etwas exhibitionistische Darstellung der Frauenliebe (allerdings in harmloser Weise) gerät bei einer Regisseurin natürlich nicht so schnell ins Schussfeld wie bei Abdellatif Kechiche, dessen Erfolg mit La vie d'Adèle - chapitres 1&2 ich hier klar als inspirierend einschätzen würde. Nicht zuletzt die Figurenkonstellation der beiden Frauen (auch, was die Besetzung angeht) wirkt doch sehr ähnlich. Was sich bewährt hat, greift man halt schnell mal auf - aber ansonsten wird der Film in eine andere Richtung gemuddelt ... mit unterschiedlich großem Erfolg.