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22. März 2017
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Der Hund begraben (Sebastian Stern)


Der Hund begraben
(Sebastian Stern)

Deutschland 2016, Buch: Sebastian Stern, Kamera: Peter von Haller, Schnitt: Frank Müller, Musik: Markus Lehmann-Horn, mit Justus von Dohnányi (Hans Waldmann), Juliane Köhler (Yvonne Waldmann), Georg Friedrich (Mike), Ricarda Viola Zimmerer (Laura Waldmann), Ben Cervilla Fischer (Fabi), Irina Sulaver (Autoverkäuferin Jasmin), Walter Hess (Glückscoach Serge Bonheur), Christian Hoening (Hans' Chef), Doris Buchrucker, Johanna Bittenbinder, Bernd Wolf (HundebesitzerInnen), 86 Min., Kinostart: 23. März 2017

Ganz wie in Wilde Maus spielt Georg Friedrich auch hier den »neuen besten Freund« eines Mannes, der gerade seinen Job verloren hat, aber bisher noch nicht dazu kam, sein Umfeld davon zu informieren. Hans Waldmann (Justus von Dohnányi) ist ein Familienoberhaupt vom alten Schlag, dem urplötzlich klar wird, dass er ausgedient hat. Seine Frau Yvonne (Juliane Köhler) räumt wegen Feng Shui die Wohnung um und begeistert sich für einen zugelaufenen Hund mit mehr Euphorie, als sie ihrem Mann in längerer Zeit hat zukommen lassen. Und die 15jährige Tochter Laura (Ricarda Viola Zimmerer), deren Freund jetzt häufiger mitesst und übernachtet, nimmt den Vater schon länger nicht mehr für voll.

Anhand des reichlich entspannten, aber nicht unbedingt durch positive Charakterzüge auffallenden Freundes Fabi (Ben Cervilla Fischer) kann man besonders schön erkennen, dass Hans zwar eigentlich das »Hausrecht« hätte, das »Führungspotential« aufweisen kann oder ähnliche veraltete Konzepte für ihn sprechen, er aber mit einer beiläufigen Nonchalance nunmehr zum »alten Eisen« gehört, wenn er sich nicht etwas einfallen lässt.

Der Hund begraben (Sebastian Stern)

© Hendrik Heiden

Noch stärker als Fabi (ich liebe die Szene, in der er erstmals sein Frühstücksbrot kredenzt: halbes Brötchen, drei Scheiben Käse - zack!, zwei Scheiben Mettwurst - fertig! ... so tritt man das Kühlschrank-Erbe an) übernimmt hierbei der Hund die Rolle des Nachfolgers, der Hans, wie auf dem Plakat mit einem Alternativtitel mit einem hässlichem »von-Genitiv« betont wird, »überflüssig« macht.

Obligatorisches Inszenierungsmittel der Situation: Hans schaut auf das Haus, dessen Herr er einst war. Inzwischen ist er nicht mal mehr »Herrchen«.

Der Hund begraben (Sebastian Stern)

© Hendrik Heiden

Der Hund begraben ist in der Wahl der Mittel nicht immer sehr subtil, aber wichtig ist ja, dass es funktioniert. Und das klappt sowohl thematisch als auch mit einem punktgenau angesteuerten Humor, der auf einem dramaturgischen wie atmosphärischen Bogen noch besser flutscht als in Wilde Maus, wo es eher die Einzelszenen sind, die überzeugen, als das große Ganze.

Und da kann es dann öfters mal etwas dick aufgetragen sein, wenn Yvonne und andere Hundebesitzerinnen sich gegenseitig ihr neu gefundenes Glück schildern oder Hans die Standard-Midlife-Crisis-Kompensation eines deutschen Mannes wählt und sich ein neues Auto gönnt - während die junge Autoverkäuferin an ihm interessiert ist und der Werbeslogan natürlich »Frühlingsgefühl« lautet. (»Manchmal hat man einfach Lust auf was Neues...« - »Absolut!«)

Aber im gleichen Moment sind die Familienmomente wirklich gut getroffen. Und die heftigeren Übertreibungen und die subtilen Nuancen unterstützen sich gegenseitig hervorragend.

Der Hund begraben (Sebastian Stern)

© Hendrik Heiden

Der Hund, der übrigens »Kurt« genannt wird (wie Kurt Cobain), obwohl Hans gerne betont, dass die Familie sich nicht zu sehr an ihn gewöhnen sollte, muss weg, doch die Komplikationen der zunächst so überschaubaren Story häufen sich.

Da gibt es den bereits erwähnten »neuen besten Freund« Mike (Georg Friedrich), der sich auch nur in der Familie einschleimen zu scheint wie ein Usurpator. Von wegen »ich werde die Situation entwirren, weil du mir sympathisch bist« ...

Oder einen Glückscoach namens »Serge Bonheur« (klingt eine Winzigkeit wie ein Künstlername, finde ich ...), dessen Website übrigens (thematische Geschlossenheit) www.seiderhundnichtderschwanz.de heißt. Und der gerne von der Ungerechtigkeit doziert, dass Pluto (notabene: ein Hundename!) sein Planetenstatus aberkannt wurde.

Der Hund begraben (Sebastian Stern)

© Hendrik Heiden

Und natürlich ist da Murphys Gesetz, und man kann sich drauf verlassen, dass Hans noch so einiges durchleben muss, ehe es zu irgendeiner Art von Konflikt und / oder Auflösung kommen kann. Und weil Justus von Dohnányi wirklich prädestiniert dafür ist, auf amüsante Weise zu leiden (altes Rezept: add insult to injury!), macht man daraus so viel wie möglich, hier zwei Highlights:

Mike fährt in Hans' neuem Auto (von dem keiner was wissen soll) Yvonne spazieren, die - sichtlich angetan von Mike - dazu meint: »Schöner Wagen! ich wollt' schon immer'n Cabrio fahren. Aber ich glaube, mein Mann wär' für sowas zu vernünftig!«

Mike lernt Laura und Fabi kennen, von denen ihm Hans schon erzählt hat: »Lasst mich raten ... 15 und 17! Das ist ein ehrliches Alter, da gibt es viel zu entdecken ...!« (Der Gag wird etwas später noch mal hübsch weiter gemolken).

Mit dem Schluss des Films bin ich nicht tausendprozentig zufrieden, aber im Grunde ist der auch nur konsequent und es gehört bei diesem Film irgendwie dazu, dass es auch mal wehtun muss. Bis jemand in Deutschland mal eine so stimmige, nuancierte, teilweise rabenschwarze Komödie ins Kino bringt, muss man gefühlt ein Dutzend schreckliche Sparwitzanhäufungen ohne die geringste Relevanz über sich ergehen lassen. Hat teilweise sogar was von den Coen-Brüdern, gerade dieses "mit Überzeugung in die falsche Richtung rennen" (Regisseur Sebastian Stern).