Der Effekt des Wassers
(Sólveig Anspach)
Originaltitel: L'effet aquatique, Frankreich / Island 2015, Co-Regie: Jean-Luc Gaget, Buch: Sólveig Anspach, Jean-Luc Gaget, Kamera: Isabelle Razavet, Schnitt: Anne Riegel, Musik: Martin Wheeler, mit Samir Guesmi (Samir), Florence Loiret Caille (Agathe), Didda Jónsdóttir (Anna), Philippe Rebbot (Reboute), Estéban (Daniel), Olivia Côte (Corinne), Frosti Jón Rudólfssón (Frosti), Johanna Nizard (Sofia), Bouli Lanners (Emile Van Den Broek), Sólveig Anspach (Vorsitzende des Schwimmbadvorstands), 83 Min., Kinostart: 25. Mai 2017
Romantic Comedies beginnen oft mit einer Lüge, die dann später verziehen werden muss, damit das klappt mit der Liebe. In diesem Fall ist die kleine Lüge eigentlich die naheliegendste Möglichkeit, das Objekt der Begierde näher kennenzulernen, denn Agathe (Florence Loiret Caille), in die Samir (Samir Guesmi) nach einem Café-Zwischenfall, den er beobachtete, verschossen ist, arbeitet als Schwimmlehrerin in einem Vorstadt-Schwimmbad bei Paris. Also gibt man einfach vor, Nichtschwimmer zu sein und schon könnte es trotz Feuchtigkeit funken.
Dummerweise ist Agathe aber nicht die einzige Schwimmlehrerin vor Ort, und die Schüler können sich ihre Lehrkraft nicht einfach aussuchen. Und so landet Samir bei Corinne (Olivia Côte), die ihrerseits wieder an ihm interessiert ist und das auf deutliche Weise klarmacht. Sehnsüchtig sieht Samir zu, wie Agathe den kleinen Oscar (ein anderer Schüler) in ihren Armen wiegt, während er bis in die Duschräume von der eindeutig zu aggressiven Corinne verfolgt wird.
© Elsa Palito
An der Stelle hatte sich eine Kritikerkollegin schon mit den Worten »Sexuelle Belästigung ist nicht witzig!« mental vom Film verabschiedet, während ich sagen muss, dass ich nicht im Geringsten das Gefühl hatte, dass Samir nicht Herr dieser Situation war.
An Komödienpotential ist einiges gegeben, wenn Samir kurzerhand den Kursus-Stundenplan »ändert« und auch die Angestellten im Schwimmbad sämtliche Entwicklung minutiös diskutieren. Und irgendwann lässt Agathe dann ihn auf dem Wasser schweben, während die Unterwasserkamera ihre Füße einfängt, als sei sie eine Ballerina.
© Elsa Palito
Das mit dem César ausgezeichnete Drehbuch trickst zwar ein wenig sehr mit klemmenden Umkleidetüren, aber irgendwann kommt es dazu, dass sowohl Samir als auch Agathe sich nach Beendigung der Öffnungszeiten im Bad und gemeinsam unentdeckt bleiben wollen, wobei sie sich ausgerechnet auf einem Sprungbett verstecken und sich näher kommen. Durch eine abermals komplexe Verstrickung von Umständen muss Samir dann sein Geheimnis lüften (von wegen Nichtschwimmer), und weil Agathe nichts so hasst wie Lügner (das wissen wir seit der Café-Szene), war es das dann auch schon fast wieder.
Sie setzt sich ab, nach Rekjavik, zu einem »internationalen Bademeisterkongress« (!), aber Samir gibt nicht auf und reist ihr hinterher. Um sich gleich wieder in ein Netz von Lügen zu verstricken und als israelischer Abgeordneter Samuel Cohen-Dreyfus einzuschleichen und gleich noch Friedenspläne mit Palästina anzuregen, womit er zum Liebling des Kongresses wird.
ex nihilo zik zak filmworks
Und dann verliert Samir sein Gedächtnis, und Agathe, die so was von angepisst ist von seinem Verhalten, hat Schuldgefühle und will ihm helfen, sein Gedächtnis wiederzufinden...
Die Story ist so dermaßen abgedreht und das Ganze dabei naiv-charmant, dass der Film trotz allem einfach Spaß macht. Die aus Island stammende, aber seit längerem in Frankreich lebende Regisseurin hat in den beiden Teilen des Films die sehr unterschiedlichen Mentalitäten der beiden Länder auf Kollisionskurs gebracht, und mich persönlich hat am meisten fasziniert, wie clever man die beiden Locations in die Story einbezogen hat. Ich hatte den Film quasi gleich im Anschluss an Una gesichtet, und so unterschiedlich die beiden Filme sind, so ähneln sie sich doch im Einsatz vorgefundener Lokalitäten, die in beiden Fällen die durchaus ungewöhnlichen Geschichten mit etwas Authentizität versehen.
ex nihilo zik zak filmworks
Sólveig Anspach, die leider den Endschnitt ihres Films nicht mehr erlebt hat (damit erinnert sie mich an Adrienne Shelly, deren Waitress - deutscher Titel: Jennas Kuchen - mir auch überdurchschnittlich ans Herz gewachsen ist), wirkt auf mich in Sachen Buch und Regie wie eine naive 14jährige, die eine Mischung aus RomCom, Being There und Jacques Tati zusammengeköchelt hat, die nicht jedermann überzeugen wird, dafür manche Zuschauer aber ganz besonders ansprechen wird.
Für mich hat dieser Film das Herz an der richtigen Stelle, auch wenn er manchen Leuten auf die Füße tritt und in Sachen Realismus ganz sicher keine Vorbildfunktion hat.