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13. September 2017
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Mr. Long (Sabu)


Mr. Long
(Sabu)

Originaltitel: Ryu san, Japan / Hong Kong / Taiwan / Deutschland 2017, Buch: Sabu, Kamera: Kôichi Furuya, Schnitt: Georg Petzold, Musik: Junichi Matsumoto, Kostüme: Kazuyo Koiso, Production Design: China Hayashi, mit Chen Chang (Long), Shô Aoyagi (Kenji), Yi Ti Yao (Lily), Run-yin Bai (Jun), Masashi Arifuku (Heisuke), Tarô Suwa (Tadao), Ritsuko Ohkusa (Kumiko), Shiiko Utagawa (Machiko), Yûsuke Fukuchi (Jiang), Tetsuya Chiba (Sakata) 129 Min., Kinostart: 14. September 2017

Lediglich von »Entschleunigung« oder einem »Neuanfang« zu sprechen, reicht im Fall der Kehrtwende des ebenso effizienten wie erbarmungslosen Auftragskillers Long (Chen Chang) zum in jeder Hinsicht minimalistischen Imbisskoch einfach nicht aus. Da wird man schon genötigt, eine »Wiedergeburt« zu postulieren, für die es im Film auch dezente inszenatorische Hinweise gibt.

Mr. Long (Sabu)

Nach den ersten zwei überdrehten, rasanten und brutalen Sequenzen, die aus einem soliden Actionfilm stammen können, landet der verletzte Killer, der für einen Job nach Tokyo kam, irgendwo in einer dörflichen, größtenteils verlassenen Geistersiedlung in Japan, wo ein kleiner Junge namens Jun (Run-yin Bai) ihn wie ein kleiner Schutzengel mit Kleidung, Verbandszeug und Lebensmitteln unterstützt und er trotz fehlender Japanischkenntnisse quasi von einer slapstickartig auftretenden Gruppe von Laiendarstellern einer Theatergruppe »adoptiert« wird. Von seinen Kochkünsten, insbesondere der taiwanesischen Rindfleischsuppe, sind die komischen Kauze so verzückt, dass sie »Mr. Long« mal eben eine fahrbare Garküche zusammenstellen, die dem eigentlich auf eine Rückreise versessenen Mann der wenigen Worte einen neuen, ganz einfachen Lebensstil offenbaren, bei dem auch die »Betreuung« von Juns drogensüchtiger, aber durchaus happyendtauglicher taiwanesischen Mutter Lily (Yi Ti Yao) eine größere Rolle spielt.

Mr. Long (Sabu)

Leider hat die durch ihre Sucht eigene Kontakte zur Unterwelt, was nicht nur über einen Flashback eine unerwartete Verbindung der beiden Lebensgeschichten offenbart, sondern die Gewalt jetzt in Longs neues Umfeld bringt. Bis es soweit ist, lässt sich Sabu aber gut anderthalb Stunden Zeit - und das soll keine Anklage sein, sondern ein Lob, denn nach der inszenatorischen Vollbremsung tauchen die Anzeichen drohender Gefahr lange Zeit nur ganz verhalten am Rande auf, und man bereut es in jeder Hinsicht, dass der Wechsel zur märchenhaft simplen Garküchen-Kleinfamilie nicht einfach mit einem offenen Ende gestattet und belohnt wird.

Mr. Long (Sabu)

Eine Rückkehr zur Genrewelt vom Anfang, mit ihren atmosphärischen bunten Bildern und dem Soundtrack irgendwo zwischen Radiohead und Björk, wird glücklicherweise nicht angestrebt, der Showdown findet in einer seltsamen Synthese der beiden Filmwelten statt, die mich persönlich nicht wirklich überzeugt hat (ein wenig wie die lange Kampfeinstellung aus Oldboy, inklusive der Brutalität, aber ohne deren Stilwillen) - aber das Filmende entbehrt nicht einer gewissen Poesie, wo mich Sabus vorletzter Film, Chasuke's Journey, doch eher enttäuschte. Man mag jetzt die Symbolik eines auf eine Tasse gemalten Herzens eher aufgesetzt bis abgeschmackt finden, aber irgendwo hat sich in meinen Augen Mr. Long (der Film wie die Filmfigur) schon durch das Erzähltempo (sehr hübsch ist der fast durchgehend naheliegende Romantik umschiffende Tempelbesuch) sein Happyend verdient - aber Sabu entscheidet sich lieber für eine in jeder Hinsicht quälende Parallelmontage, die erst wirkt, als entspräche sie gängigen Regeln des Suspense, nur um sich dann als Kern einer Tragödie zu erweisen.

Mr. Long (Sabu)

Die Laufzeit von zwei Stunden hat man zu diesem Zeitpunkt schon fast erreicht, aber der Übergang vom Showdown zu einer Art Epilog verrät dann in meinen Augen den vorherigen Film, weil die Zeit, die man sich zuvor zum Erzählen nahm, hier unpassend verkürzt wird. Dennoch ein Film, den man reinen Gewissens empfehlen kann.