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September 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

Oldboy
Südkorea 2003

Oldboy (R: Park Chan-Wook)

Regie:
Park Chan-Wook

Buch:
Hwang Jo-yoon, Lim Chun-hyeong, Park Chan-wook

Story: Garon Tsuchiya

Kamera:
Jeong Jeong-hun

Schnitt:
Kim Sang-Beom

Musik:
Jo Yeong-wook

Art Direction:
Ryu Seong-hie

Darsteller:
Choi Min-sik (Oh Dae-su), Yoo Ji-tae (Lee Woo-jin), Kang Hye-jeong (Mi-do), Ji Dae-han, Oh Dal-su, Kim Byeong-ok, Kim Su-hyeon, Lee Seung-jin, Yun Su-kyeong, Park Myeong-shin, Yun Jin-seo

Kinostart:
2. September 2004

Oldboy


Sein Joint Security Area war eine Art koreanisches Good Bye, Lenin! - Sowohl vom Thema her als auch wegen der nationalen und internationalen Erfolgsgeschichte. Danach folgte Sympathy for Mr. Vengeance, der umstrittene erste Teil von Park Chan-Wooks "Rache-Trilogie", die nun mit Oldboy fortgeführt wird, bevor Sympathy for Mrs. Vengeance die kleine Reihe vollenden soll.

Oldboy (R: Park Chan-Wook)
Oldboy (R: Park Chan-Wook)
Oldboy (R: Park Chan-Wook)
Oldboy (R: Park Chan-Wook)
Oldboy (R: Park Chan-Wook)

Oldboy wurde in Cannes mit dem "Grand Prix der Jury" ausgezeichnet, nach dem Regie-Bären für Kim Ki-duk in Berlin (für Samaria) ein weiteres Anzeichen für den momentan international sehr angesehenen südkoreanischen Film.

Wie so oft, steht man als Rezensent auch bei Oldboy vor dem Problem, daß man den Inhalt nur zusammenfassen kann, wenn man gewisse Details unterschlägt.

Geschäftsmann und Familienvater Dae-su findet sich eines Tages in einer kleinen Wohnung wieder, die für 15 Jahre sein Gefängnis sein wird. Ein Fenster ist nur eine Attrappe, sein einziges Fenster zur Welt ist ein Fernseher - sein Kalender, seine Schule, sein Freund (sehr schön, wie hier ein Ausschnitt aus James Whales Frankenstein eingebaut wurde) - und manchmal sogar seine Geliebte. Hier erfährt er auch davon, daß er am Mord seiner Frau schuldig sein soll. 15 Jahre fragt sich Dae-su, warum er derart bestraft wird - und schwört sich, dafür Rache zu nehmen.

Im täglichen Trott des Gefangensein betritt nur dann jemand sein Gefängnis, wenn Dae-su zuvor mit Gas betäubt wurde - eine tägliche Routine, die mit einer Spieluhr-Melodie angekündigt wird. Doch er bereitet einen Ausbruch vor, trainiert verbissen für den Moment, wenn er seinen Peinigern gegenüber stehen wird.

Wieder in der realen Welt, hat sich Dae-su zu einem Monster entwickelt. Sein Rachebedürfnis überschattet sämtliche anderen Impulse, selbst die zarte Verbindung zur jungen Kellnerin Mido leidet darunter. Dae-su will wissen, wer daran Schuld ist, daß er 15 Jahre seines Lebens verlor - und er scheut sich nicht, für die Aufklärung dieses Rätsels über Leichen zu gehen.

Wie schon Sympathy for Mr. Vengeance ist auch Oldboy ein Film der extremen Bilder. Hier werden Zähne gezogen und Kraken bei lebendigem Leibe verspeist - und der absurde bis zynische Humor des Films wird sich nicht jedem offenbaren. Ein Motto des Films fasst dieses Problem gut zusammen: "Laugh - and the world laughs with you. Weep - and you weep alone." Dae-su, dessen Name eigentlich bedeutet, daß er gut mit Menschen auskommt, hat den Spaß in seinem Leben verloren - und sowohl für ihn als auch für den Zuschauer stellt sich die Frage, ob er ihn wiederfinden wird.

Der Film stellt noch viele Fragen: Wird sich Dae-sus imaginäres Training auszahlen? (Ja und Nein) Wird er seine Rache vollziehen können und herausfinden, was der Grund für seine Gefangenschaft war? Oder muß er sich an einem Punkt entscheiden, ob er lieber Rache oder die Wahrheit erfahren wird …?

In seinen stärksten Momenten erinnert Oldboy an das Schlußdilemma von Seven, an Parks koreanischen Regiekollegen Kim Ki-duk (die in Neuseeland gedrehten Winterszenen erinnern insbesondere an Frühling, Sommer, Herbst, Winter und Frühling - oder Zhang Yimous Hero), an Kafka und Lynch. Doch durch die ebenso unkonventionelle wie überkonstruierte Auflösung des Films wird auch Oldboy die Zuschauer in zwei Gruppen spalten, wie es im koreanischen Film so oft der Fall ist. Was der eine als romantisch empfindet, wird ein anderer als skandalös verschreien, was dem einen als witzig erscheint, wird den anderen aus dem Kinosaal treiben. Schon dadurch ist Oldboy ein sehenswerter Film, auch, wenn er einige Makel hat, zu denen ich auch jene (zugegeben wenigen) überflüssigeren CGI-Effekte zähle, die mich schon bei Zatoichi störten. Und auch, wenn es faszinierend ist, wie die Arme einer Krake sich im Todeskampf um ihren Gegner schlingen - Ebenso wie der in Scheiben geschnittene Fisch in Kims The Isle sind dies Anblicke, auf die ich auch verzichten könnte - und bei denen ich es begrüsse, daß man nach einem Hollywood-Film immer lesen darf, daß keine Tiere zu Schaden gekommen sind. Anderswo muß man schon zufrieden, wenn keine Menschen zu Schaden kommen …