Ready Player One
(Steven Spielberg)
USA 2018, Buch: Zak Penn, Ernest Cline, Lit. Vorlage: Ernest Cline, Kamera: Janusz Kaminski, Schnitt: Sarah Broshar, Michael Kahn, Musik: Alan Silvestri, Kostüme: Kasia Walicka-Maimone, Production Design: Adam Stockhausen, Supervising Art Director: Mark Scruton, Set Decoration: Anna Pinnock, mit Tye Sheridan (Wade Owen Watts / Parzifal), Olivia Cooke (Samantha Evelyn Cook / Art3mis), Mark Rylance (James Donovan Halliday / Anorak), Ben Mendelsohn (Nolan Sorrento), Lena Waithe (Aech), Win Morisaki (Daito), Philip Zhao (Shoto), Hannah John-Kamen (F'Nale Zandor), T.J. Miller (i-R0k), Simon Pegg (Ogden Morrow / Og), Susan Lynch (Aunt Alice), Ralph Ineson (Rick), Rona Morison (Number Nine), Julia Nickson (JN / Commuter), Letitia Wright, Mckenna Grace, Kae Alexander, 140 Min., Kinostart: 5. April 2018
Passend zu Kinostart geht die »Nachricht« um, dass Steven Spielberg vor dem Suchtpotential virtueller Welten warnt. In seinem neuen Film geht es um diese Problematik fast gar nicht. Irgendwann wird mal eine Art »Moral« ausformuliert, die an simpler Naivität kaum zu überbieten ist (»reality is real - do you understand what I'm saying?«), und auf beinahe subtile Art zeigt eine der Figuren durch eine Bearbeitung ihres Avatars, dass sie mit gewissen »Herausforderungen» ihrer Realperson offenbar durch Ereignisse während des Films nun besser «klarkommt» mit dem Erscheinungsbild - aber bis auf kleine Details ist der Unterschied zwischen dem Gamer und dem Avatar kaum von Bedeutung. Man ist jung, gutaussehend und voller Tatendrang. Und fasziniert von einem riesigen Spektakel, das vermutlich einiges an Kinozuschauern in die Säle locken wird.
Ganz zu Beginn des Films wird mal etwas ausgeführt, unter welchen Problemen das Leben in den »stacks«, heruntergekommenen Barracken im Oklahoma des Jahres 2045 leidet. Die Tante der Hauptfigur Wade (Tye Sheridan) hat einen jähzornigen Freund, bei einer Kamerafahrt an einigen Wohnungen vorbei, sieht man vermeintlich typische Vertreter der »Sucht«, nur noch in der virtuellen Welt zu leben. Eine übergewichtige Frau macht Poledance-Übungen - mit gewissen Implikationen auf ihre Wunschträume, und in der nächsten Wohnung spielt ein junger Schwarzer Tennis, den sprichwörtlichen »weißen« Sport. Das war's dann größtenteils auch für gut zwei Stunden mit solchen »realen« Elementen, die einem als Zuschauer für den Genuss des Dauerspektakel zu »real« erscheinen könnten.
Courtesy of Warner Bros. Pictures
In der ersten halben Stunde des Films dachte ich fast, der gesamte Film sei in der virtuellen Welt mit Namen «Oasis» verankert, wo jeder so erscheint, wie es ihm oder ihr gefällt, seine virtuellen Münzen sammelt und sich damit einen virtuellen Spiellevel mit zunehmend elaborierten Waffen aufbaut. Die sogenannten Gunters (kurz für «egg hunters») sind auf der Suche nach Ostereiern des vor einigen Jahren verstorbenen Programmierers der virtuellen Welt, den Mark Rylance ohne Angst, sich lächerlich zu machen, als eine Art »King of Nerds« spielt, und der die Kontrolle über Oasis an jenen Gamer bzw. Gunter weiterreichen will, dem es gelingt, über drei Schlüssel an das Ei zu geraten.
Klingt alles wie ein kompletter Mindfuck ohne reale Konsequenzen (im schlimmsten Fall stirbt man im Spiel und verliert das virtuelle Habe), doch die globale Netzmacht IOI (sieht durch das Logodesign aus wie digitaler Code, steht aber für »Innovative Online Industries«), unter der Führung des Möchtegern-Darth-Vader Nolan Sorrento (Ben Mendelsohn aus Rogue One) schickt einfach eine schier unzählbare Brigade an Gamer-Söldnern ins Spiel, um selbst die Kontrolle zu erlangen. Was zum einen den Gamern das Spiel versauen würde, aber wie sich schnell herausstellt, fungiert IOI ganz im Stil realer böser Supermächte wie Google oder Amazon: unzählige Drohnen liefern nicht nur Pizzas, sondern spionieren alles aus und jagen dann unliebsamen Individuen eine paramilitärische Macht auf den Pelz.
Courtesy of Warner Bros. Pictures
Unser Held Wade, der unter dem Namen Parzifal zu den weltweit fünf besten Gamers gehört (die »High Five«), studiert seit Jahren, was der Oasis-Programmierer einst in den 1980ern so zu seinen Lieblingsspielen, -Filmen etc. zählte und scheint dem ersten Schlüssel recht nahe. Und verliebt sich nebenbei in seine Gamer-Kollegin Art3mis (Olivia Cooke), die aber weitaus heldenhafter / rebellischer als er auftritt und wirklich die Welt retten will, weshalb sie sich nicht so recht für ihn interessiert. Wie schnell sich diese Grundprämisse in Rekordgeschwindigkeit in eine (abgesehen von der dauerhaften Lebensgefahr) »vorprogrammierte « Liebesgeschichte verwandelt, ist einer der Punkte, warum Ready Player One trotz allem Spektakel (bis auf eine reale Autofahrt sind die Spezialeffekte makellos und atemberaubend) weit entfernt davon ist, was ich einen rundum gelungenen Film nennen würde.
Foto: Jaap Buitendijk / Courtesy of Warner Bros. Pictures
Da ich aber im Grunde auch ein Kind der Achtziger bin, konnte ich mich an den zahlreichen Anspielungen, Kurzauftritten und Spielereien sehr erfreuen.
Ein Film jenes meiner Lieblingsregisseure, der wohl am deutlichsten für die zweite Hälfte des 20. Jahrhundert steht (aktiv von 1951 bis 1999), spielt hier eine besondere Rolle - und erklärt wohl auch, warum Spielberg diesmal mit Warner Bros. zusammenarbeitete.
Courtesy of Warner Bros. Pictures
Laut Inhaltsangabe auf wikipedia geht es bei der Suche nach dem Osterei in der Romanvorlage u.a. um Dungeons and Dragons, Pac-Man, den Matthew-Broderick-Film War Games oder Blade Runner. Für die Verfilmung hat man gerade bei den zur Schau gestellten Franchsies vieles geändert, und so tauchen bei einem spektakulären Autorennen ein Godzilla-ähnlicher Feuerspeier und ein übelgelaunter King Kong auf, Spielberg zieht seinen Hut vor dem einstigen Zögling Robert Zemeckis (inklusive Score von Alan Silvestri) und so weiter. Selbst mit überdurchschnittlichem Wissen muss man den Film vermutlich mehrfach (am besten mit Pausentaste und sehr großem Bildschirm) sehen, um die ganzen Anspielungen zu erkennen und auch zu verstehen.
Ob Buckaroo Banzai, eine bestimmte Geste des Terminators, ein umfrisiertes Hamlet-Zitat oder die (unter den Songs des hübsch achtzigerlastigen Soundtracks seltsamerweise nicht vertretene) Rockband Rush und die Filmografie von John Hughes: das Beste am Film sind die Gags am Rande, wenn sie mal nicht extra erklärt werden.
Courtesy of Warner Bros. Pictures
Ich persönlich hatte auch eine zusätzliche Freude daran, mich nicht nur an der Oberfläche des Films abzuarbeiten, sondern mich beispielsweise darüber zu wundern, warum man im Film Batman, Batgirl und das Batmobile sieht, man aber Marvel-Figuren eher nicht auftauchen lässt. Oder aber der mehrfach mit dem Oscar ausgezeichnete Hauptdarsteller jenes Films, den man wohl nicht spoilen sollte, hier nie sein Gesicht zeigt (dazu müssen die Darsteller immer erst ihr Okay geben).
Inmitten von ähnlichen »virtuellen« Filmen, von Welt am Draht über Tron, Total Recall und The Matrix bis hin zu Inception werde ich aber für Gevatter Spielberg aus Gründen, die ich hier nicht ausführen möchte, einen ehrbaren elften Platz in meiner Subgenre-Liste reservieren.
(Mindestens) einen echten Spielberg-Moment aus den 1980ern gibt es im Film übrigens auch, und zwar, wenn der elfjährige Shoto (der mich immens an »Short Round« aus Indiana Jones and the Temple of Doom erinnerte) gegen Ende dann doch kein Problem mehr damit hat, jemandem bei Knutschen zuzuschauen. Ist zwar streng genommen aus The Princess Bride geklaut, hat aber viel von dem damals noch naiveren Familienglück, das Spielberg immer wieder in seinen Filmen propagiert (seit ich Susan Lacys Doku Spielberg gesehen habe, weiß ich, dass das weniger mit einem Anbiedern beim Publikum als mit einer ganz persönlichen Prägung zu tun hat).