Mission: Impossible
- Fallout
(Christopher McQuarrie)
USA 2018, Buch: Christopher McQuarrie, nach Figuren von Bruce Geller, Kamera: Rob Hardy, Schnitt: Eddie Hamilton, Musik: Lorne Balfe, Kostüme: Jeffrey Kurland, Production Design: Peter Wenham, Supervising Art Director: Phil Sims, mit Tom Cruise (Ethan Hunt), Henry Cavill (August Walker), Ving Rhames (Luther Stickell), Simon Pegg (Benji Dunn), Rebecca Ferguson (Ilsa Faust), Sean Harris (Solomon Lane), Angela Bassett (Erica Sloan), Alec Baldwin (Alan Hunley), Vanessa Kirby (White Widow), Liang Yang (Lark Decoy), Michelle Monaghan (Julia Meade-Hunt), Wes Bentley (Patrick), Kristoffer Joner (Nils Debruuk), Alix Bénézech (French Police Agent), DJ Harvey (DJ Harvey), 147 Min., Kinostart: 2. August 2018
Tom Cruise ist nur knapp einen Kopf größer als ein Duracell-Häschen, aber er hat das größere Durchhaltevermögen. Schon zum sechsten Mal rennt er durch einen Mission: Impossible-Kinofilm und lässt sich dabei von fast nichts aufhalten. Nur die Dreharbeiten müssen mal pausieren, wenn er mit seinen wahnsinnigen Stunts auf den Putz haut, bis der Knöchel nachgibt.
Der sechste Mission: Impossible-Film hat das bisher beste Startwochenende in den USA. Das Geraune um die Pausierung der Dreharbeiten aufgrund des Knöchelbruchs des immer stuntbereiten Hauptdarstellers Tom Cruise hat dem Film also nicht geschadet. Warum das so ist, ist offensichtlich: Während bei anderen Filmen »kreative Schwierigkeiten«, entlassene Regisseure oder Darsteller und sich in die Länge ziehende Dreharbeiten im Auge der Kinogänger fast immer zu einer Qualitätsminderung des noch unbekannten Produkts führt, zeugt sie hier nur vom Willen der Filmschaffenden, das bestmögliche Produkt zu schaffen. Die Aufnahmen vom waghalsigen Sprung von Tom Cruise wurden voll in die Werbekampagne integriert (von der zusätzlichen Presse gar nicht zu sprechen. Im Vorfeld der Pressevorführung wurde das noch mal unterstrichen, denn neben dem Trailer zeigte man uns noch ein Filmchen, in dem justamente zum Zeitpunkt, als sich der Fuß des Schauspielers vergeblich versucht, in eine Hauswand zu bohren, erklärt eine Sprecherstimme, was für den Film spricht: »wenn die Stunts so krass sind...«
Und offenbar gibt es Zuschauer, die diesen Nervenkitzel, diese Risikobereitschaft miterleben wollen. Selbst, wenn die mittlerweile berühmte Einstellung sich im Film nur während der Titelsequenz zeigt und man innerhalb der Handlung lieber auf eine alternative Kameraposition zurückgriff - dann aber beim Moment wenige Zehntelsekunden später jenen Tom Cruise zeigt, der gerade realisiert, dass er jetzt Knochenmatsch im Schuh hat und er sich deshalb nur so gerade mal auf den Füßen halten kann (obwohl man doch gerade diesen Teil der Sequenz ohne jedes Risiko hätte nachdrehen können, damit er zum in Folge fortgeführten Dauerlauf passen würde).
Nachdem die M:I-Filmserie zunächst ein Präsentierteller für die unterschiedlichen Gesinnungen bekannter Regisseure war (Brian De Palma, John Woo, J.J. Abrams, Brad Bird), kehrt nun mit Christopher McQuarrie erstmals ein Regisseur zurück zur Serie. Und weil er gleichzeitig auch als Autor aktiv ist, gibt man sich Mühe, erstmals vor allem die Kontinuität der Serie zu betonen. Nicht nur sind Ving Rhames, Simon Pegg und Michelle Monaghan wieder dabei (man mag mir verzeihen, dass ich mich nicht entsinnen kann, ob es für das Fehlen von Jeremy Renner einen handlungsspezifischen Grund im letzten Film gab), auch hat man die im letzten Film sehr positiv aufgenommene Rebecca Ferguson wieder verpflichtet - und sogar den mir kaum im Gedächtnis verbliebenen letzten Oberschurken, der von Sean Harris gespielt wurde.
Foto: David James © 2018 Paramount Pictures. All rights reserved.
Gleich zu Beginn des Films werden zwei der drei wichtigsten Themen von Fallout eingeführt: In paradiesischer Kulisse (ein Baum ist der vielleicht beste 3D-Effekt des Films) sind Ethan Hunt (Cruise) und seine große Liebe Julia dabei, sich das Ja-Wort zu geben, als der Geistliche von seinem üblichen Text abweicht. Laut seinen Ausführungen ist die wichtigste Pflicht des Bräutigams, seine Braut vor Gefahren zu schützen (»to shield her from terror known and unknown«). Seinen größten Alptraum erlebte Ethan Hunt in Film 3 (Abrams), als da damalige Gegenspieler (Philip Seymour Hoffman) Julia töten wollte, um dadurch Ethan besser unter Kontrolle zu bekommen und / oder ihn »zu brechen«. Seitdem war Julia in den Filmen immer nur an der Peripherie aufgetaucht, weil Ethan um ihr Leben fürchtet, wenn sich mal wieder ein Schurke an ihm rächen will.
Wie zur Bestätigung taucht jetzt in der mittlerweile als Alptraum erkennbaren Szene Solomon Lane, der Schurke aus dem Film zuvor auf und bemerkt süffisant: »You should have killed me!« Diesen Satz wird er später noch mal wiederholen und das aus Batman- und Daredevil-Comics bekannte Dilemma durchzieht den ganzen Film: Wenn man einen Superschurken überleben lässt, wird dieser einem später neue Schwierigkeiten machen (vergl. Joker, Bullseye und Konsorten). Und wenn man (bzw. Ethan) all seine Energie darauf ansetzt, sein Team (oder einzelne Mitglieder) am Leben zu erhalten, so wird dies früher oder später andere unliebsame Konsequenzen haben. In diesem Fall stützt sich fast die gesamte Filmhandlung auf diesen Punkt, denn Ethan und seine Leute verlieren nukleare Sprengköpfe, die sie dann im weiteren Verlauf des Films wieder zurückbesorgen (bzw. entschärfen) müssen. Und in Ausübung seiner Pflicht wird Ethan sehr häufig »Sorry« (oder auch mal »je suis désolé«) sagen, wenn er sich gegen die unmittelbare Sicherheit seiner Kollegen und Freunde entscheidet - oder tatsächlich mal versagt, wenn es darum geht, sie am Leben zu halten.
© 2018 Paramount Pictures. All rights reserved.
Als Gegenentwurf bekommt er einen neuen Kollegen zur Seite, der bei der Ausübung seines Jobs eine höhere Siegesquote hat, dafür aber mehrfach Teammitglieder verlor, was er pragmatisch zum Bestandteil der dezidierten Selbstmord-Aufträge rechnet. Henry »Man of Steel« Cavill zeigt sich hierbei als zwar kompetenter, aber immer irgendwie arroganter und somit unsympathischer Gegen- / Mitspieler, von dem man eigentlich ab dem ersten Auftritt weiß, dass man ihm nicht nur wegen seiner Berufsmentalität nicht trauen darf.
Der Rest von Fallout läuft nach den üblichen, bekannten Schemata ab. Ausnahmsweise geht es weniger um einen komplizierten »Bruch«, sondern um die Wiedererlangung der Sprengköpfe, um die sich mehrere zwielichtige Gestalten reißen. Die zu Beginn des Films umständlich eingeführte Terrorgruppe der durchweg unbekannten »Apostel« spielt eigentlich zu keinem Zeitpunkt eine Rolle. Hier und da wird einer der auftauchenden Gegenspieler zwar zu ihren Kreisen gehört haben, aber nach Ausschalten der teilweise mit Messern (!) bewaffneten Attentäter wird zu keinem Zeitpunkt darüber diskutiert, zu welcher Gruppe jetzt dieser oder jener gehört. Ähnlich verhält es sich auch bei der »White Widow« (Vanessa Kirby, durchaus eine Bereicherung), bei der man einfach diverse Stadien von angeblichen Funktionen durchlebt. Erst ist sie eine Waffenmaklerin, deren Bruder über sie wacht, dann zeigt sie sich selbst höchst begabt mit Stichwaffen, und im Verlauf des Films gehört sie zu den zahlreichen Doppel- und Triple-Agenten, die sich gegenseitig das Leben schwer machen. Eine Nacherzählung des Films wäre sehr kompliziert und würde vermutlich auch zahlreiche Logiklöcher zutage fördern, aber der eigentlichen Handlung kann man jederzeit ohne Probleme folgen, weil es letztlich nur darum geht, wer für oder gegen Ethan ist und wie er darum kämpft, seine Freunde zu retten.
Foto: Chiabella James © 2018 Paramount Pictures. All rights reserved.
Bei Christopher McQuarrie habe ich gewisse Vorbehalte, weil er trotz seiner früh erworbenen Lorbeeren für das Drehbuch von The Usual Suspects (habe ich seit dem Kinostart nie wieder gesehen, ich befürchte, dass der Film den test of time nicht bestehen würde) inzwischen vor allem dadurch auffällt, dass er gerade drei Filme in Folge mit Tom Cruise drehte (der dritte war Jack Reacher) und seine Filme mittlerweile ganz auf den Star und Mit-Produzenten zugeschnitten sind. Die große Stunt-Angeberei kann etwa vor dem geschulten Auge nicht standhalten, wenn man bei mehreren Verfolgungsjagden immer ganz genau zwischen den Einstellungen unterscheiden kann, bei denen Cruise selbst beispielsweise auf dem Motorrad saß (hier nutzt man gerne eine Kamera, die ihm quasi auf der Nasenspitze sitzt und die einen wirklich erfahrenen Stuntfahrer für den Kameramann erfordert) - oder eben nicht, was dann meistens weniger spektakulär wirkt, aber hin und wieder viel gefährlicher ist. Mit seinem Motorrad rast Ethan Hunt immer wieder durch rote Ampel und mindestens einmal war für mich schon im Kino sonnenklar (Einzelbildschaltung der BluRay wird weitere Punkte zeigen), dass der Fahrer, der in einem dieser Momente »Grün« hatte, schon durch eine Ausweichaktion auf Hunt reagiert, bevor er ihn überhaupt sehen konnte. Früher bin ich bei solchen Stuntfahrten immer voll mitgegangen, heutzutage sehe ich eher, wo man geschlampt hat.
Ach ja, ich hatte ja zu Beginn mal was von den Themen des Films angerissen. Ein Thema ist, dass Ethan und seine Jungs (und vereinzelt Mädchen) auf anderen Pfaden wandeln als wir Normalsterblichen. Oft sieht man ein Fahrzeug auf einer normalen Straße, während Ethan fast durchgängig auf Ausfallstraßen, in dunklen Gassen, unterirdisch oder wo auch immer unterwegs ist. Eine der spektakulärsten Sequenzen des Films zeigt eine Verfolgung zu Fuß, die Technik-Nerd Benji (Simon Pegg) über einen Monitor verfolgt. Dabei entgeht ihm aber, dass Ethan zumeist 50 Meter oder so oberhalb seiner Zielperson unterwegs ist, wodurch ihm nicht die weiten freien Plätze zur Verfügung stehen, die der (unbemerkt) Verfolgte nutzt. Die Art und Weise, wie man diesen Gag erzählerisch auflöst, sagt nicht nur etwas darüber aus, wie überflüssig es ist, diesen Film in 3D zu schauen, sondern auch, für wie blöd oder zumindest unaufmerksam man den Zuschauer einschätzt.
© 2018 Paramount Pictures. All rights reserved.
Das Spiel mit den Überraschungen für den Zuschauer (Doppelagenten, Masken, nachgebaute Spielorte) spielt in Fallout wieder eine große Rolle, aber es wird für die Filmemacher immer schwieriger, jemanden wirklich noch auf falsche Gleis zu führen. Und wenn es dann doch mal passiert, staunt man nicht mehr mit aufgerissenen Glotzerchen, sondern nimmt es eher schulterzuckend hin.
Die Logiklöcher (warum fällt Lane auf die Jerusalem-Finte rein, wenn er doch offensichtlich ganz andere Pläne verfolgte?), der irgendwie fehlende ästhetische Aspekt, der in der Serie immer eine große Rolle spielte, die unglaubwürdige »Erleuchtung« rund um Angela Bassett, und die blitzsaubere Toilette im vollgepackten Tanzpalast - viele Teilaspekte des Films haben mich nicht überzeugt. Was jedoch wirklich gut geklappt hat, war der komplett überzogene Showdown, der noch mal alles übertrifft, was schon zuvor in der Serie over-the-top war, nun aber zu einem seltsamerweise funktionierenden bis zum Superlativ ausgereizten Spaß wird. Statt John Woos Motorrad-Rodeo gibt es realistische Verfolgungen, die Vatikanszenen aus Teil 3 toppt man auf ganz besondere Art, als Freeclimber bewährt sich Ethan abermals, der Michelle-Monaghan-Handlungsstrang wird aufgenommen, um für eine weitere Beteiligung Rebecca Fergusons die monogame Moral zu re-etablieren. Und selbst die wohl spektakulärste aller Mission: Impossible-Szenen, die mit dem Hubschrauber im Tunnel unter dem Ärmelkanal, wird hier quasi getoppt, weil sich hier zwei Helikopter bekriegen, die dabei schließlich in einem noch weitaus schmaleren »Tunnel« landen.
Wer Spektakel mag, wird hier auf seine Kosten kommen, wer indes Intelligenz als wichtiger erachtet, könnte hier und da anecken.