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28. November 2018 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||||||||
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Alexander McQueen
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© 2018 Prokino Filmverleih GmbH / Ann Deniau |
Der perfekt designte Look dieser »Schädel-Sequenzen«, die eher wie stylishes Füllmaterial wirken als zu einer Dokumentation zugehörig, findet seine Entsprechung in dem späteren McQueen, der mit seinem hart erarbeiteten Reichtum auch sein eigenes Erscheinungsbild radikal veränderte: Nach Fettabsaugungen und Zahnarztbesuchen trägt er später Designermode und entspricht eher dem allgemeinen Image, das man so mit berühmten Modedesignern verbindet.
In seinen Shows jedoch, die der Film wie Kapitel eines Lebenswegs präsentiert (»The McQueen Tapes«), sieht man nach wie vor die rotzige Punk-Attitüde, mit der McQueen, ein Knabe aus einfachen Verhältnissen, seinen autodidaktisch erworbenen Kunstanspruch umsetzt, größtenteils in deutlichem Kontrast zu dem, was man gemeinhin von der Modebranche erwartet. Für McQueen waren seine Mitarbeiter*Innen nie einfach Zulieferer oder Auftragserfüller, die Models keine laufenden Kleiderständer. Er will die Schneiderinnen während seiner Zeit bei Givenchy persönlich kennenlernen und verwandelt bei Präsentationen die Auftritte zu kleinen Kunstwerken, die nicht unbedingt etwas mit der Branche zu tun haben.
In einer seiner ersten Shows mit größerem Medieninteresse, »Highland Rape«, wirkten die Models etwa wie gehetzte Vergewaltigungsopfer, die sich eben noch Schrammen holten, als sie durch eine Hecke flüchten mussten - aber selbst, wenn die Models mit Bleichmittel präparierte Jeans tragen, die so aussehen, als hätten sie sich gerade in die Hose gemacht, oder die Kleider absichtlich so geschnitten waren, dass die Schamhaare herausblitzten, betonte McQueen, der sich auch Misogynie-Vorwürfen stellen musste, immer wieder das Image der starken Frau.
© 2018 Prokino Filmverleih GmbH / Ian R. Webb |
Oh, by the way, I was abused
when I was a kid, by my brother-in-law...
In den Interviews mit seinen früheren Mitarbeitern wird gerade die Veränderung McQueens nachvollzogen, die durch den Erfolg und Reichtum (und Koks) kam, den Liebling der hippen Londoner Szene aber nicht glücklich machte. Er gab viel, aber er verlangte noch mehr, Hingabe bis an die Grenze zur Selbstaufgabe. Nicht jeder seiner Mitarbeiter war bereit, diese Opfer (gemeinsame Urlaube, Hunde hüten, 14-Stunden-Arbeitstage) jahrelang darzubringen, und so gab es auch mal böses Blut und unschöne Trennungen, wo man in den Anfangstagen die Zusammenarbeit noch so beschrieb: »We were paying him to work for him, to be part of his vision«.
Dieser emotionale Teil des Films ist weitaus beeindruckender als die Oberflächenreize, und nebenbei gibt es auch viele interessante Anekdoten zu erzählen, über brennende Autowracks neben dem Laufsteg, bei denen man versäumt hatte, den Benzintank zu leeren. Oder Ausflüge zum Schnellimbiss nach der ersten Fashionweek, wo McQueen nicht mal mehr das Geld hatte, sich eine Portion Pommes zu leisten.
© 2018 Prokino Filmverleih GmbH / Ann Deniau |
Die verschiedenen Einfälle für die Shows wären schon allein abendfüllend, aber die tragische Geschichte dahinter packt einen wirklich. »My family keeps me grounded, because fashion is a very superficial business.« Zwischendurch wollte er tatsächlich mal seinen eigenen Selbstmord zum Höhepunkt einer Show machen.
Ein besonders Schmankerl für mich war der Soundtrack des Films. McQueen war ein großer Fan von Michael Nyman, der Soundtrack zu The Piano begleitete ihn seine Kariere über, und Nyman schrieb sogar mal ein eigenes Stück für McQueen (»Sarabande for McQueen«), nach dem eine Show und eine Stiftung für Nachwuchstalente benannt wurden. Noch überzeugender als die Schädelskulpturen mit in Zeitraffer verwelkenden Blumen unterstützt die Musik Nymans das Archivmaterial, unterstützt den Film emotional, wobei man, wenn man wie ich einige Soundtracks Nymans im CD-Regal stehen hat, auch noch ein zusätzliches Gefühl der Heimeligkeit geschenkt bekommt.
Meiner unmaßgeblichen Meinung nach eine der vier besten Dokus des Jahres und selbst inmitten vieler (auch Spielfilm-)Künstlerportraits (Phantom Thread, The Disaster Artist, Shut up and play the piano, The Happy Prince) noch herausragend.
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