After the Wedding
(Bart Freundlich)
USA 2019, Buch: Bart Freundlich, Kamera: Julio Macat, Schnitt: Joseph Krings, Musik: Mychael Danna, Kostüme: Arjun Bhasin, Production Design: Grace Yun, Art Direction: Cat Navarro, mit Michelle Williams (Isabel), Julianne Moore (Theresa Young), Billy Crudup (Oscar Carlsen), Abby Quinn (Grace Carlson), Alex Esola (Jonathan), Susan Blackwell (Gwen), Vir Parchisa (Jai), Anjula Bedi (Preena), Kaizid Gandhi (Jacques), 112 Min., Kinostart: 17. Oktober 2019
Normalerweise wäre es naheliegend, dass ich bei solch einem Remake einen detaillierten Vergleich mit dem Original bemühe, aber es ist 13,5 Jahre her, dass ich den Originalfilm Efter bryllupet von Susanne Bier sah - nicht einmal an die Kerntwists konnte ich mich erinnern, weshalb die Neuverfilmung nicht darunter litt, dass ich schon genau wusste, was passieren würde.
Der Knaller von After the Wedding ist natürlich die Besetzung mit Michelle Williams und Julianne Moore - umso bedeutsamer, dass deren Rollen damals von Mads Mikkelsen und Rolf Lassg√•rd gespielt wurden. Also eine doppelte Geschlechtsumwandlung der beiden Figuren, die im Grunde eine Art Kampf gegeneinander ausführen. Und die auch gänzlich anderen Typen entsprechen.
© Telepool 2019
Isabel (Michelle Williams) führt in Kalkutta ein Waisenhaus, bei dem sie besonders den kleinen Jai (Vir Parchasi) ins Herz geschlossen hat, Für eine immense Spende, die ihr Projekt und weitere für diverse Jahre sichern würde, soll sie für ein kurzes Treffen mit der Selfmade-Millionärin Theresa Young (Julianne Moore) nach New York fliegen, und der Abschied von Jai ist so emotional, wie man als Zuschauer ahnt, dass Isabels Versprechen, zu Jais Geburtstag wieder zurück zu sein, irgendwie kompromittiert werden könnte.
In New York fällt zunächst erst mal auf, mit welchem überzogenen Luxus schon Isabels Hotelzimmer ausstaffiert ist. Schnell zeigt sich, dass Theresa völlig andere werte und Größenordnungen vertritt. Überspitzt formuliert könnte man sagen, dass Isabel mit dem Inhalt von Theresas Kaffeekasse das Waisenhaus für Monate finanzieren könnte. Isabel hat also genügend Gründe, vorsichtig aufzutreten, um ungeachtet der Interesselosigkeit der Spenderin an ihrem Herzensprojekt diese wichtige Finanzierung nicht zu verlieren.
© Telepool 2019
Doch Isabels Plan, möglichst schnell zurückzureisen, scheint sabotiert zu werden. Als erstes soll sie bei der Hochzeit von Theresas Tochter teilnehmen, was schon mal absurd klingt, aber Isabel willigt ein - und nach der Hochzeit ist sehr klar, dass hier andere Motivationen zum großzügigen Angebot führten.
Michelle Williams tritt hier zunächst wie eine moderne Audrey Hepburn auf, ein fast weißhaariger Engel unter den indischen Kindern, voller Lebensgüte und warmen Emotionen. Erst im Kampf gegen die diametral ausgelegte Theresa entwickelt sie eine verzweifelte Vehemenz - aber an der Stelle des Films geht es auch schon um ganz andere Probleme, die zu einem schwer erkämpften Kompromiss führen müssen - oder zu einer sturen Sperrung einer der Frauen. Denn auch, wenn es vordergründig so wirkt, als ginge es darum, ob Isabel sich »kaufen« lassen wird, ist die Geschichte nicht so schwarzweiß gestrickt, es geht auch noch um andere Schicksale, und ähnlich wie einst Susanne Bier (und ihr Autor Anders Thomas Jensen) lässt auch Bart Freundlich sich glücklicherweise nicht zu einem Happy End hinreißen, dass sich an einem Punkt des Films so überdeutlich abzuzeichnen scheint. Nein, hier geht es trotz aller Melodramatik und eines im Endeffekt am Reißbrett entstandenen Konflikts um das Gefühl, echten Menschen und realen Problemen gegenüberzustehen.
© Telepool 2019
Ich kenne keinen einzigen der früheren Filme von Bart Freundlich, auch, wenn er im Presseheft über den grünen Klee gelobt wird. Dennoch wirkt es auf mich so, dass zum Gelingen des Films nicht nur beigetragen hat, dass er mit Julianne Moore verheiratet ist (beide werden übrigens als Fans von Susanne Bier bezeichnet, aber das steht schon obligatorisch in solchen Presseheften - und bei der Entscheidung für so ein Projekt hat man genug Zeit, mal eben eine Filmographie nachzuholen).
Die Veränderung zu den beiden Frauenfiguren ist natürlich auch der aktuellen Genderpolitik zu verdanken, aber rein emotional (Mads Mikkelsen möge mir verzeihen) passen diese zwei Figuren auch besser zu Frauen - womöglich hatte man beim Originalfilm auch schon bestimmte Darsteller im Kopf, als man die Geschichte ersann (Mitte der Nuller Jahre spielte Mikkelsen gefühlt in jedem zweiten großen dänischen Film die Hauptrolle).
© Telepool 2019
Ich bin erklärtermaßen seit Jahren ein großer Fan von Michelle Williams und muss sagen, dass ich sie seit Jahren in keiner besseren Rolle sah (habe aber aus irgendwelchen Gründen Manchester by the Sea immer noch nicht nachgeholt). Julianne Moore ist ja momentan auf dem Höhepunkt ihrer Karriere (über seltsame Karriere-Entscheidungen wie Carrie und The Hunger Games sehe ich mal hinweg), und After the Wedding wirkt ein bisschen wie eine zurückhaltende Fassung ihrer Oscar-Rolle in Still Alice, wo sie ebenfalls uneigennützig ihre Lebensplanung umzusetzen versucht.
After the Wedding ist trotz der Starbesetzung (Billy Crudup und Abby Quinn unterstützen die beiden Frauen im Scheinwerferlicht kompetent) ein eher kleiner Film. Aber ich mag diese Filme im mittleren Budget, die insbesondere im US-Kino immer stärker diesem Blockbuster-Tinnef weichen müssen. Dies ist ein Film, bei dem man mit einem gewissen Stolz sein Ticket kaufen kann und sich nicht wie der soundsomillionste Mitläufer fühlt, der unbedingt auch über Joker mitreden will.