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30. Oktober 2019
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Porträt einer jungen Frau in Flammen (Céline Sciamma)


Porträt einer jungen Frau in Flammen
(Céline Sciamma)

Originaltitel: Portrait de la jeune fille en feu, Frankreich 2019, Buch: Céline Sciamma, Kamera: Claire Mathon, Schnitt: Julien Lacheray, Musik: Jean-Baptiste de Laubier, Arthur Simonini, Kostüme: Dorothée Guiraud, Szenenbild: Thomas Grezaud, mit Noémie Merlant (Marianne), Adèle Haenel (Héloïse), Luàna Bajrami (Sophie), Valeria Golino (Herzogin), 120 Min., Kinostart: 31. Oktober 2019

Rahmenhandlung, Ende des 18. Jahrhundert: Marianne (Noémie Merlant) unterrichtet junge Malerinnen, wird dabei auf eines ihrer früheren Gemälde aufmerksam gemacht und erinnert sich an eine frühere Erfahrung mit der Kunst und dem Leben.

Die frühere Klosterschülerin Héloïse (Adèle Haenel) soll auf Wunsch ihrer Mutter (Valeria Golino) verheiratet werden, sperrt sich aber dagegen. Auch will sie nicht porträtiert werden, weil solch ein Gemälde nur dazu benutzt werden würde, Interessenten zu finden.

Porträt einer jungen Frau in Flammen (Céline Sciamma)

© Alamode Filmverleih

Marianne bekommt den Auftrag, heimlich ein solches Porträt zu erstellen, am Tage sucht sie die Nähe ihres unfreiwilligen Modells, wenn sie unbeobachtet ist, arbeitet sie am Bild. Solange die Herzogin außer Haus ist, sind die beiden jungen Frauen abgesehen von der Dienerin Sophie allein.

Es entwickelt sich eine tiefe Freundschaft und eine Solidarität unter den Frauen, letztlich wird aber auch eine unglückliche Liebesgeschichte erzählt. Obwohl die Handlung eher überschaubar wirkt, hat Céline Sciamma kunstvoll eine universell wirkende Geschichte verwoben und wurde für das Drehbuch in Cannes ausgezeichnet.

Porträt einer jungen Frau in Flammen (Céline Sciamma)

© Alamode Filmverleih

Schon die Küstenankunft zu Beginn wirkt wie in Jane Campions The Piano, die sonst so eigenständige innovative Regisseurin (Tomboy, Bande de filles) schwelgt in ihrem Kostümfilm in ikonischen Bildern und ziselisierten Geschichten, wodurch die so leidenschaftliche Geschichte einiges an Impulsen einbüßt.

Man kann den Film nicht wirklich ablehnen, aber vieles wirkt zu durchdacht, immer wieder überarbeitet - wie das Portrait, das einerseits das Potential eines durch Musenkuss inspirierten Meisterwerks hat, aber andererseits als »Tinder-Profilbild« auch nicht zu erfolgreich sein soll - ein klassisches Dilemma, das von langer Hand ausbuchstabiert wird.

Porträt einer jungen Frau in Flammen (Céline Sciamma)

© Alamode Filmverleih

Dazu kommt die Lüge als Fundament einer Liebe, eine ältere Schwester, die sich bereits von den Klippen stürzte, und dann auch noch der Klassen- und andere Unterschied zur Dienerin Sophie (Luàna Bajrami) - Sicher genügend Material für zwei Filmstunden, doch der Stoff konnte mich nur mit einiger Verspätung so ergreifen wie Sciammas frühere Filme - vieles an Portrait de la jeune fille en feu wirkt auch wie ein von einer bewusst gewählten Schwere erdrücktes Meisterstück, eine Doktorarbeit, die eine Ernsthaftigkeit beweisen soll, auf die ich keinen gesteigerten Wert gelegt habe.

Auch die mitunter tonnenschwere Symbolik (Orpheus und Eurydike, Hochzeitskleid vs. Leichentuch) nagelt den Film oft fest, wo eine gewisse Leichtigkeit geholfen hätte.

Porträt einer jungen Frau in Flammen (Céline Sciamma)

© Alamode Filmverleih

Aber die zwei Epiloge, die von einer feinen Poesie getragen sind und beweisen, wie viel Talent in dieser Autorin und Regisseurin stecken, haben mich dann doch wieder mit dem Film versöhnt und mich einiges verzeihen lassen.

Vielleicht fehlte mich an diesem Tag auch einfach die Geduld, mich auf eine Lovestory einzulassen, bei der es gefühlt manchmal ein Vierteljahr dauert, bis ein schüchternes Lächeln aufblitzt.