Doctor Sleeps Erwachen
(Mike Flanagan)
Originaltitel: Doctor Sleep, kompletter deutscher Titel: Stephen Kings Doctor Sleeps Erwachen, Buch, Schnitt: Mike Flanagan, Lit. Vorlage: Stephen King, Kamera: Michael Fimognari, Musik: The Newton Brothers, Kostüme: Terry Anderson, Production Design: Maher Ahmed, Art Director: Richard Bearden, mit Ewan McGregor (Dan Torrance), Rebecca Ferguson (Rose the Hat), Kyliegh Curran (Abra Stone), Cliff Curtis (Billy Freeman), Emily Alyn Lind (Snakebite Andi), Zahn McClarnon (Crow Daddy), Bruce Greenwood (Dr. John), Carl Lambly (Dick Hallorann), Alex Essoe (Wendy Torrance), Jacob Tremblay (Bradley Trevor), Carel Struyken (Grampa Flick), Zackary Momoh (David Stone), Jocelin Donahue (Lucy Stone), Violet McGraw (Violet Hansen), Dakota Hickman (Young Abra), Henry Thomas (The Bartender), Selena Anduze (Apron Annie), Robert Longstreet (Barry The Chunk), James Flanagan (Diesel Doug), Catherine Parker (Silent Sarey), Sadie Heim, KK Heim (Grady Twins), Michael Monks (Delbert Grady), Molly C. Quinn (Mrs. Grady), Danny Lloyd (Spectator), 151 Min., Kinostart: 21. November 2019
Ich bin einer von den Leuten, die Stephen King in den Vor- und Nachworten seiner Bücher gern constant readers nennt. Ich kaufe mir zwar nicht mehr die Hardcover gleich bei Erscheinen, sondern hole das Werk wie Annie Wilkes mit etwas Verspätung als Paperbacks nach. Dafür scheue ich aber auch nicht vor den etwas unbekannteren Werken zurück wie beispielsweise Blockade Billy, The Plant, Joyland oder das mit Stewart O'Nan zusammen verfasste Faithful, ein Sachbuch über die unglaubliche 2004er Saison der Boston Red Sox.
Ich war nicht der Meinung, dass The Shining unbedingt ein Sequel braucht, das Danny Torrance als Erwachsenen zeigt. Als ich dann hörte, dass man dieses etwas andere Sequel auch noch verfilmen will (durch den Horror-Autorenfilmer Mike Flanagan, der neben Filmen wie Ouija: Origin of Evil oder Oculus auch schon den King-Roman Gerald's Game adaptieren durfte), fragte ich mich, inwiefern man die Kinozuschauer dazu bringen kann, den allseits bekannten Kubrick-Film quasi zu vergessen, weil der eben schon recht weit weg war von der Buchvorlage...
Ich will da nicht ins Detail gehen (Wespennest, Heckentiere), aber zumindest sah ich ein Problem darin, dass der 1980 von Scatman Crothers gespielte schwarze Koch Dick Hallorann im Roman überlebt, während er in der Kubrick-Verfilmung durch einen Axthieb in seine Körpermitte stirbt. Wenn man dann auch noch einige der Szenenfotos sieht, könnte man auch darüber nachdenken, dass das Overlook Hotel im Roman in die Luft gejagt wird, was Kubrick aber ein zu oberflächlicher Effekt war.
© 2019 Warner Bros. Entertainment Inc.
Mike Flanagan, der neben der Regie auch Schnitt und Drehbuch übernahm, orientiert sich ganz deutlich am Kubrick-Film (inkl. sorgsam gecastete Doppelgänger vieler Darsteller) - und er fand unterschiedlich gelungene Kniffe, die Unterschiede zwischen King-Buch und Kubrick-Film verschwinden zu lassen. Und das, obwohl er - als großer King-Fan - durchaus verzaubert davon war, wie King in seinem Nachfolgeroman die diversen »Vorgaben« Kubricks ganz gezielt ignorierte und sich stattdessen ganz auf seinen Roman konzentrierte, gemäß Kings gern benutztem Mantra, wenn er in Interviews gefragt wird, was er davon hält, was diese oder jene Verfilmung aus seinen Büchern gemacht hat und er dann immer mit Blick auf sein inzwischen wohl riesiges Regal von Belegexemplaren meinte, dass seine Bücher noch exakt so seien wie vor der jeweiligen Adaption.
Flanagan im Presseheft
»I loved the contradictions between The Shining and Doctor Sleep: addiction and recovering; encroaching ice and fire. [King] took so many wonderful elements from the first book and let them grow into something entirely new.«
Flanagan hält es da ganz anders: Er übernimmt zwar die Kernhandlung des Romans Doctor Sleep (eine Gruppe fast unsterblicher vampirähnlicher Wesen tötet Kinder mit besonderen Fähigkeiten, dem »Shining«, ehe Dan Torrance und ein zwölfjähriges Mädchen, mit dem er Kontakt aufnahm, ihnen entgegentreten), aber Flanagan schreibt diese Geschichte umfassend um, wodurch Dan zum Overlook zurückkehrt (was im King-Universum wie gesagt unmöglich wäre) und die Figur im Verlauf der Geschichte immer mehr in die Rolle seines verstorbenen Vaters gedrängt wird.
© 2019 Warner Bros. Entertainment Inc.
So bekommt Ewan McGregor die Möglichkeit, wie einst Jack Nicholson durch das berühmte »Heeeeeere's Johnny«-Loch in der Badezimmer-Tür zu schauen... sehr werbewirksam im Plakat angedeutet) und gefühlt fast alle berühmten Schauplätze, Nebenfiguren, musical cues, Requisiten, Kameraeinstellungen und recreatedEffekte aus dem Kubrick-Film The Shining tauchen wieder auf. Zuzüglich einiger, die eher im Roman als im Film eine Rolle spielen (auch eine art von closure). Das ist zwar filmisch eine gewisse Leichenfledderei, funktioniert aber als Gegengewicht für einige der spinnerten Ideen der Haupthandlung eigentlich ganz gut. Auch, wenn der zusätzliche Fokus auf die Warner library (Casablanca, RWBY) mir ein wenig großkotzig daher kommt (wie der Comicshop in den späteren Staffeln von The Big Bang Theory, wo fast ausnahmslos nur noch DC Comics stehen, weil der Konzern dem großen Konkurrenten Marvel nicht auch noch freiwillig bewerben wollte).
Nebenbei findet Flanagan aber auch einige eigene tolle Bilder für die manchmal mental ausgefochtenen Kämpfe.
Foto: Jessica Miglio, © 2019 Warner Bros. Entertainment Inc.
Und mit Rebecca Ferguson und Emily Alyn Lind bietet der Film zwei teuflische weibliche Gegenspieler, die Ewan McGregor, der in manchen Szenen leider mehr an Obi-Wan Kenobi erinnert als einen mit den Traumata und Alkoholproblemen seiner mitfühlen zu lassen, gehörig an die Wand spielen. Da ist Newcomerin Kyliegh Curran als Wunderkind Abra Stone diesen Gegnerinnen viel eher ebenbürtig, was das cinematische Charima angeht
Ich will es nicht verhehlen: Nicht alles an Doctor Sleep überzeugte mich auf ganzer Linie. Der Kampf gegen The True Knot wird auf einen Showdown konzentriert, in dem es eindeutig zu sehr um Schusswaffen und Spezialeffekte geht. Auch werden die einzelnen Figuren dieser gemeingefährlichen Vereinigung zu wenig vorgestellt (da hat King in seinem Roman eindeutig mehr Raum), weil Flanagan halt eher den zahlreichen Fans des Kubrick-Films nostalgische Momente beschert (wobei aber das Overlook von außen etwas mickrig aussieht und Flanagan nicht im Ansatz an die gruselige Monumentalität des Hotels bei Kubrick heranreicht und an der einen Stelle tiefstapelt, um dann an einer anderen Stelle (das Heckenlabyrinth von oben) wieder zu sehr anzugeben. Gerade auch einige der ikonischen helicopter shots aus The Shining, die ja einen großen Eindruck in der Filmgeschichte hinterließen (Blade Runner, Funny Games) wirken in der heutigen Zeit von Drohnenkameras und CGI leider nicht mehr ansatzweise so majestätisch wie damals.
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Aber für mich persönlich als Kubrick- und King-Fan ist Flanagans Herangehensweise zumindest hochinteressant und trotz mancher Abstriche (die allerletzte Szene und worauf sie aufbaut) findet Flanagan tolle neue Themen, die er zwar ähnlich wie Kubrick wenig vorlegengetreu umsetzt - aber man spürt dennoch, welchen tiefen Respekt er vor der Welt von Stephen King hat.
Und weil ich ja auch ein genereller film buff bin, erfreute ich mich auch an vielen kleinen Gastauftritten von Darstellern, die mir ans Herz gewachsen sind. So etwa Carl Struyken (Twin Peaks, Mr. Homn in Star Trek: The Next Generation, Lurch aus The Addams Family), Bruce Greenwood (Christopher Pike aus den Abrams-Star-Trek-Filmen) oder Jacob Tremblay, der Junge aus Room, mit dem Flanagan schon in Before I wake zusammenarbeitete.
Wer die Stabangaben durchgeht, findet noch andere bekannte Namen, die ich aber zugegebenermaßen nicht alle im Film erkannt habe (insbesondere die drei ehemaligen Kinderstars Molly, Henry und Danny).