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August 2003
Frank Willmann
für satt.org




zum Thema:
Jörn Luther, Frank Willmann:
Und niemals vergessen - Eisern Union

Die Geschichte des Berliner Fußballclubs.
BasisDruck Verlag, Berlin 2000
Preis: EUR 15,00
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Jörn Luther zur Entstehung von "Und niemals vergessen - Eisern Union"

Tief im Osten Berlins

Frank Willmann befragte ein Mitglied der Redaktion des Programmheftes des 1. FC Union Berlin.

(Mit Fotos von Knut Hildebrandt)



Im Stadion "An der Alten Försterei" in Berlin-Oberschöneweide ist Fußball noch eine Angelegenheit der Nähe und des Verzichts. Verzichten muss der Fan auf überflüssigen Schnickschnack im Stadion. Die AF, wie der Unioner sein Stadion liebevoll nennt, ist kein multifunktionales Hamsterrad, sondern ein reines Fußballstadion, welches zu DDR-Zeiten ziemlich vernachlässigt wurde. So wartete der Unionfan bis 2001 auf eine überdachte Tribüne. Umgezogen wird sich im Container, die Anzeigetafel wird von Hand bedient, das Programmheft von Fans gemacht. Das ist nicht üblich bei einem Bundesligaclub, aber Union ist auch kein üblicher Verein. Man kann bei Union noch richtigen Fußball sehn, ab und an saust der Vereinspräsident mit hochrotem Kopf durchs Stadion und diskutiert mit den Fans. Hier ist noch nichts weichgespült, keine sonoren Herren mit teuren Anzügen kommen vorbei und machen aus einem Fußballclub eine Aktiengesellschaft. Dem Fan wird aufs Maul geschaut, am Samstag, dem 12. Juli feierten 150 Fans mit der Mannschaft und den Vereinsoffiziellen eine Strandparty auf Usedom. Dabei wurden die Spieler mit Wuhle-Wasser (die Wuhle ist ein Bächlein hinter dem Unionstadion, wo ab und an Cottbusser reinfallen) getauft und somit optimal auf die Saison vorbereitet.
Der Verein spielt seine dritte Saison in der zweiten Liga, aus dem Schmuddelkind und Lizenzbetrüger Union Berlin ist etwas geworden. Gleich am ersten Spieltag (3. August) muss Union am nach Mainz zu den dortigen Mainzelflennchen fahren. Die "Programmierer", wie die Macher des Programmheftes genannt werden, sind natürlich mit dabei, wenn aus Mainz die Punkte entführt werden.

Frank Willmann befragte ein Mitglied der Redaktion des Union-Programmheftes.


Fans des 1. FC Union Berlin

Das Programmheft des 1. FC Union Berlin wird von Fans gemacht. Wie kam es dazu?

Als Union mal wieder am Sterben war, fragte uns der damalige Manager Mayk Hajek, dem ich mal Vorschläge gemacht hatte, wie so´n Heft bißchen interessanter sein könnte, ob wir uns zutrauen würden, so was selbst zu machen. Hamwa dann halt mal versucht – mit null Ahnung von janüscht ein Heft zusammengepfriemelt, wie wir es selber gern lesen würden. Da wir damals wenig bis gar nichts daran verdienten (und die paar Einnahmen auch noch mehrfach vom Gerichtsvollzieher gepfändet wurden), war das für den permanent zahlungsunfähigen Club eine willkommene Einsparung, und das war auch der einzige Grund wie wir Jungfrauen zu diesem Kinde kamen.

Wie viele Leute arbeiten daran?

September ´97 haben fünf Leute begonnen, die sind in Urbesetzung auch noch zusammen und haben seit ´99 unseren Statis-Ticker als sechsten. Außerdem schreiben inzwischen auch "Gastjournalisten" für unser kleines Heftchen.

Fans des 1. FC Union Berlin

Wollte der Verein es schon mal aus den Händen geben?

'99 wollte die Marketing-Abteilung, so wie es ihre Aufgabe ist, das Heft vermarkten, sprich damit Geld verdienen. Eine professionelle Agentur hatte viele Taler geboten, es fortan herstellen zu dürfen (und via Werbung in Hülle und Fülle noch mehr Taler damit zu verdienen). Das kam beim geneigten Leser aber nicht so an. Und protestierfreudig, wie der Unioner ist, wenn ihm was nicht passt, wurde lautstark rumgemotzt, und die Marketing bot uns (Fairplay!) an, es wieder in die eigene Hand zu nehmen. Und da liegt´s noch heute.

Versucht die Clubführung Einfluss zu nehmen? Wie frei seid ihr?

Nein! Von Anfang an gab es nie den Versuch Einfluss auszuüben oder gar Zensur vorzunehmen. Das ist eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit zwischen Clubführung und uns, die wir hoch schätzen. Die basiert aber auch auf dem Vertrauen in uns als Unioner, die sich ja selbst schaden würden, wenn sie in irgend ner Form Union schaden. – Es gab auch schon Diskussionen nach erschienenen Heften. Dann aber immer sachlich und fruchtbar, was ja OK ist.

Wie ist die Akzeptanz der Fans? Gabs schon mal nen Preis?

Hihi – nee, nen Preis gibt´s für so was, glaub ich, nicht. Aber sicher bald ´ne TV-Show "Deutschland sucht das Super-Programm". - Ich glaub, n paar finden das Heft ganz gut. Es kommt schon mal die eine oder andere Ode an uns …– was uns dann immer gaaanz verlegen macht.

Auflagenhöhe?

Ist abhängig vom Gegner, sprich der zu erwartenden Zuschauer, so von 3.000 bis 8.000. Ein paar mal waren wir schon ausverkauft (stolz-guck).

Seitenanzahl?

Angefangen mit 24, jetzt sind wir bei 48, manchmal 52. "Rekord" war unsere Jubiläumsausgabe (die 100. – ein Superheft, sag ich dir!!) mit 64.

Warum A5-Format?

Weil´s hinten in die Arschtasche passt.

Fans des 1. FC Union Berlin

Drei Sätze zur letzen Saison …

Aach weeßte … war alles n bisschen holprig letztes Jahr. Man hat gemerkt, der Schnitt musste kommen, und das isser ja nun auch.

Wer ist neu bei Union? Wie schätzt du sie ein?

Alle Neuzugänge können nur absolut obersuper sein. Sonst hätten wir die auf gar keinen Fall genommen!

Deine Erwartungen/Befürchtungen für die kommende Saison?

Obwohl man als Unioner, weil man´s immer schon so kannte, auch einem gepflegten Abstiegskampf was abgewinnen kann, muss es dies Jahr dann doch lieber nicht erst dazu kommen. Denke, das sollte sich eher im langweiligeren aber dafür sichereren Tabellenmittelfeld abspielen. An Aufstieg denk ich nicht, der wäre (immer noch) zu früh. Gerade im Zusammenhang mit der Stadionfrage.

Wie siehst du die gegenwärtige Entwicklung bei Union?

Es geht seit 97 stetig vorwärts, hinzu kommt, dass gute Voraussetzungen bestehen, diesen Trend weiterzuführen. Man muss sich aber bewusst sein, dass Union mit dem Eintritt in den Profifußball-Zirkus, ohne den wiederum ein Überleben nicht möglich wäre, auch die unangenehmen Aspekte dieser Entwicklung hinnehmen muss. Aber immerhin wird oftmals versucht, dies auf das nötigste Mindestmaß zu beschränken und nicht blind alles mitzumachen, weil´s ja alle anderen auch so machen. Insgesamt also eine erfolgreiche und akzeptable Entwicklung.

Ist Union ein Ostverein? Wenn ja, warum?

Klar ist Union ein Ostverein, weil Union nun mal die längste Zeit im Osten ein Begriff war, weil immer noch der Großteil aus dem Osten zu den Spielen kommt. Daraus ein politisches Statement zu machen, wäre aber Unsinn. Union wird sich zu einem Gesamt-Berliner Verein entwickeln parallel zur Entwicklung von Ost- und West-Berlin zu einer Gesamtstadt. Kann also noch n bisschen dauern.

Wird im Stadion mit DDR-Fahnen gewedelt?

Hab ich sehr vereinzelt schon gesehen. Was damit ausgedrückt werden soll, hab ich aber noch nicht kapiert.

Hat Union ein Hooliganproblem?

Ich glaube, Union hat hier eher Frau Tappendorf als Problem (Leiterin der AG-Holligan bei der Berliner Polizei). Hier wird so lange ein Problem herbeigeredet, bis es tatsächlich da ist. Union hat keine aktive Hooliganszene, allerdings hin und wieder bei besonderen Spielen einige Trittbrettfahrer von außerhalb.

Wo steht Union am Saisonende?

Haste schon mal einen erlebt, der dann "auf nem Abstiegsplatz" sagt? Also bedien auch ich mich der Floskel "auf einem gesicherten Mittelfeldplatz mit Blick nach oben".

Dein derzeitiger Lieblingssong?

Schön, dass du fragst! Die Titel 1 bis 10 der neuen CD von TOMTE! Und zwar laut.

Wann warst du zuletzt beim Friseur?

Fri … was?

Was wolltest du im Zusammenhang mit Union schon immer mal gefragt werden?

Ich habe mir immer schon gewünscht, ein einziges Mal nur gefragt zu werden, was ich im Zusammenhang mit Union schon immer mal gefragt werden wollte. Danke!