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August 2004
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Christina Mohr
für satt.org | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die ewige ZielgruppeDer Argon Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, zielgruppenbezogene Themenbücher zu veröffentlichen, wie der Blick ins aktuelle Verlagsprogramm zeigt. Reinhard Mohr: Generation Z. Karin Pfundt: Die Kunst in Deutschland Kinder zu haben. Volker Marquardt: Das Wissen der 35-jährigen. Und nicht zuletzt Martin Schachts Die ewige Zielgruppe. Offenbar ist es Trend, aus Trends gleich Bücher zu machen – bei Argon geschieht dies mit hochwertiger Ausstattung, gebunden und mit Schutzumschlag. Nun stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, Themen zwischen zwei Buchdeckel zu packen, die möglicherweise in einem Zeitschriftenartikel genügend Würdigung erfahren hätten oder haben. Martin Schacht befaßt sich mit der drohenden Überalterung der Gesellschaft und entwirft ein Szenario, dass denen, die zu den Alten gehören werden (nämlich uns!) sehr gut gefallen dürfte. Schacht ist davon überzeugt – und untermauert dies mit jeder Menge Beispielen aus Film und Popkultur – dass wir zu der schon seit jeher umworbenen ewigen Zielgruppe gehören und dass sich an diesem Status auch in Zukunft nichts ändern wird. Schacht faßt den Generationenbegriff sehr weit (im Kontrast dazu reicht es bei Volker Marquardt bereits aus, in einem einzigen Jahr geboren zu sein, um eine Generation zu bilden, siehe Das Wissen der 35-jährigen): im Mittelpunkt seines Buches stehen die heute 30- bis 49-jährigen, die so genannten Babyboomer. Die Kinder vor dem Pillenknick, wieder mal wir, die entweder der Jugend unserer Eltern ein abruptes Ende bescherten oder als ersehnte und verhätschelte Post-Wirtschaftswunderbabys in Reihenhaussiedlungen am Rande der prosperierenden Großstädte aufwuchsen. Für Schacht ist das maßgebliche verbindende Kriterium die schiere Menge der 30- bis 49-jährigen. Gemeinsam sind wir stark und brauchen uns auch deshalb keine Sorgen um unsere Zukunft zu machen: um unsere Bedürfnisse wird sich gekümmert werden, in alle Ewigkeit, amen. Das ist im Groben der Tenor des Buches und unrecht hat Schacht damit natürlich nicht. Die heute 30jährigen werden in ein paar Jahrzehnten die gefürchtete Altenplage stellen, aber sie werden auch über das Geld verfügen, das den – verschwindend wenigen – Jungen fehlt. Von daher tut die konsumgüterherstellende Branche gut daran, sich nicht nur heute, sondern auch in der Zukunft um uns zu bemühen. Die von Martin Schacht zur ewigen Zielgruppe ernannte Generation ist es gewohnt, Geld zu haben und dieses auch auszugeben: für Markenklamotten, Urlaubsreisen, Trendsportarten und immer häufiger für Schönheitsoperationen, um auch äußerlich zu signalisieren, dass wir die ewige Jugend für uns reklamieren. Von daher ist es völlig nachvollziehbar, dass Schacht dem Thema Schönheitsoperationen, Gesundheit, Sex mit und ohne Viagra viel Raum gönnt. Diese Themen werden in nur wenigen Jahren für die ehemaligen Babyboomer immer brisanter werden und sicherlich bedeutet Altern im 21. Jahrhundert etwas ganz anderes als früher. Es wird immer wichtiger werden, die wesentlich längere Lebensspanne nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben zu füllen – die zukünftigen Alten wollen unterhalten werden und dabei auch gut aussehen. Heutzutage hört man nicht mit vierzig auf, bei H&M einzukaufen oder Sneaker zu tragen. Mode ist keine Altersfrage mehr, ebensowenig das Hören von Popmusik. In nicht wenigen angesagten Clubs liegt das Durchschnittsalter der Besucher mittlerweile bei weit über dreißig Jahren und die vermeintlich hippen Youngsters haben an der Tür das Nachsehen. Niemand will mit fünfzig als Senior gelten, das Alter beginnt später, so irgendwo um die 80 herum. Schachts streut zwischen seine locker lesbaren Thesen Interviews mit glaubwürdig hippen ehemaligen Jugendlichen wie z. B. Zweiraumwohnung: auch Inga Humpe geht stramm auf die fünfzig zu und wahrscheinlich ist sie häufiger auf der Piste als gewöhnliche 20-jährige. Auch wenn sich beim Lesen dann und wann der Verdacht aufdrängt, dass hier ein Zeitschriftenthema auf Teufel komm raus auf Buchlänge getrimmt wurde, widmet sich Martin Schacht einer Tatsache, die nicht verdrängt werden kann: unsere Gesellschaft entwickelt sich zum gigantischen Seniorenheim und wir gehören dazu! Wir sollten uns schon jetzt – wie auch Bremens Bürgermeister Henning Scherf und seine Senioren-WG – auf unseren Lebensabend freuen. Er wird lang, warm und sonnig! | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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