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23. November 2015 |
Nadine Ebert
für satt.org |
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Frauenbilder in »Outlander«Wie könnten wir die langen Wintermonate nur ohne Fantasy überstehen? Ohne Harry Potter, Twilight und Herr der Ringe? Werwölfe, Goblins, Drachen und mächtige Zauberer - ihre magischen Elemente üben nicht nur im Buch, sondern auch auf der Leinwand eine große Anziehungskraft aus. In den letzten Jahren ist ein weiteres Element dazugekommen, denn immer öfter spielt eine starke Frau die Hauptrolle. Früher waren das seltene Phänomene, die auch nur in fremden Genres auftraten. Etwa in Alien (Hauptrolle Ellen Ripley, gespielt von Sigourney Weaver) oder Silence of the Lambs (Hauptrolle: Clarice Starling, gespielt von Jodie Foster). Mit Brave (Merida - Legende der Highlands) und Game of Thrones begegnen wir jetzt endlich auch im Fantasygenre Frauen, die selbst darüber urteilen, was richtig und falsch ist und selbstbewusst danach handeln. 2014 trat mit Outlander eine Serie in den Ring, die noch einen Schritt weiter geht. Sie gibt eine überraschend neue Antwort auf die Frage nach der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Outlander basiert auf der achtbändigen Saga von Diana Gabaldon. Dass die Serie 2014, 23 Jahre nach Veröffentlichung des ersten Bandes verfilmt wurde, ist bemerkenswert, da bisher niemand die Umsetzung des gewaltigen Stoffes gewagt hat. Zwar gab es Pläne für einen Film, aber selbst eine Fassung in Überlänge könnte der Fülle an Material aus Verwicklungen, Intrigen und Zeitsprüngen nicht gerecht werden. Sichtbar daran, dass allein der erste Band in 16 Folgen verarbeitet wurde. Für die Adaption mussten Stellen sogar gekürzt und verändert werden, um die Dramaturgie stimmig auf die Leinwand zu übertragen. Worum geht es? Claire, eine verheiratete, 27-jährige Frau tritt im Jahr 1945 an Samhain (Allerheiligen) im schottischen Inverness auf dem Feenhügel Craigh na Dun in einen magischen Steinkreis. Dort nähert sie sich, angezogen von Kreischen und Schlachtenlärm, einem gespaltenen Stein. Als sie wieder erwacht, befindet sie sich plötzlich im Jahr 1743. Inmitten einer Verfolgungsjagd, in der auch Jamie McKenzie, ein Schotte und Jonathan Randall, Hauptmann des englischen Königs in Fort William, und ihre Gefolge verwickelt sind. Indem sie den Steinkreis verlässt, betritt sie eine fremdartige Welt, deren Strukturen alle beteiligen Figuren dauerhaft zwischen mindestens zwei Alternativen festhalten. Zunächst eine unüberschaubare Situation. Und zugleich die ideale Ausgangssituation für eine Saga. Trotz der vermeintlichen Komplexität lässt sich der Inhalt der ersten Staffel schnell eindampfen. Denn im Grunde dreht sich alles um ein zurückliegendes Ereignis. Da die Engländer Schottland im Jahr 1743 besetzten, oblag ihnen auch die Gerichtsbarkeit über seine Einwohner. Diese Funktion nimmt Hauptmann Jonathan Randall nur als zu gerne wahr. Als Jamie es wagt, eine englische Truppe davon abzuhalten, seine Schwester zu vergewaltigen, verurteilt man ihn kurzerhand wegen Obstruktion. Zur Strafe foltert der Hauptmann ihn in aller Öffentlichkeit mit 100 Peitschenhieben. Aus Stolz bittet Jamie während der Folter jedoch nicht um Gnade und verwehrt Randell damit den wahren Sieg über ihn. Die Szene wird immer wieder aufgegriffen, sowohl im 1. Band als auch in der Serie. Der Haupthandlungsstrang dreht sich darum, dass Randall Jamie nicht nur foltern, sondern brechen möchte, und ihn deswegen weiterhin verfolgt. Jamie hingegen muss auf Burg Leoch flüchten, wo Onkel und gleichzeitig Burgherr Colum MacKenzie ihm Zuflucht gewährt. Von hier aus plant er die Wiederherstellung seiner Reputation, damit er auf sein eigenes Gut Lallybroch zurückkehren kann. Ein neues Frauenbild Obwohl sich die zentrale Szene um eine männliche Hauptfigur dreht, ist Outlander im Fantasybereich ein Novum, denn sie zeigt uns ein (zumindest im Fantasygenre) unbekanntes Frauenbild. Sowohl im Buch als auch in der Serie erfahren wir bis auf wenige Ausnahmen alles aus der Perspektive einer Frau, Claire Randell. Sie ist öfter zu sehen als alle anderen Figuren und portraitiert eine selbständige, intelligente und wehrhafte Persönlichkeit. Und noch dazu setzt sie ihre Sexualität schon in der ersten Folge selbstbestimmt ein. Eine sehr ungewöhnliche Konstellation. Es lohnt sich also, einen genaueren Blick darauf zu werfen, worin das Frauenbild der Serie sich von anderen Darstellungen unterscheidet. In vielen Szenen wird die Frau, wie für das 18. Jahrhundert üblich, als dem Mann untergeordnet dargestellt. Trotzdem wird sie als in ihrer Gemeinschaft, einer Art inneren Zirkel, tätige gezeigt. Diese Darstellung wird einerseits der Zeit gerecht und trägt zur Authentizität der Serie bei, gewährt aber gleichzeitig auch einen ganz anderen, würdevolleren Blick auf ihre Rolle als es in den Medien üblich ist. Outlander betont die Bedeutung, die sie für das Funktionieren der Gesellschaft hat. Im Gegensatz dazu ging es in Fantasyfilmen wie Herr der Ringe darum, die Frau zu „verteufeln“. Der Film reduziert das weibliche Prinzip der Geburt auf Orks, die als wilde, unkontrollierbare Bestien der Erde entspringen. Hier wird die Frau bzw. das Weibliche als dämonisches Element dargestellt, das vernichtet werden muss. Die Frage nach der weiblichen Identität Outlander zeigt aber nicht nur in diesem allgemeinen Sinn ein positiveres Frauenbild als wir es gewohnt sind. Die Serie lenkt den Blick auch in eine Richtung, die man den Ursprung oder die Quelle des Weiblichen nennen könnte. Und zwar an Claire selbst. Gleich zu Beginn ihrer Reise begegnet sie dem strategisch denkenden sowie dominant und gewalttätig handelnden Hauptmann Randell und muss wohl auch die Gruppe um Jamie, die sie wie einen willenlosen Gegenstand einfach mitschleppt, für übermächtig halten. Mit der Festnahme und dem Aufwachen in einer völlig neuen Gesellschaftsordnung hat sie ihre ursprüngliche Identität und Rolle als Frau verloren. Die Frage, die sie sich folglich stellen muss, lautet, wohin sie jetzt, wo sie nicht mehr zurückkann, gehört. Da sie eine Engländerin ist, gilt sie in Schottland als Sassenach („Outlander“ bzw. Fremde) und wird der Spionage verdächtigt - sowohl von den Schotten als auch den Engländern (schließlich gehört sie, wenn auch nicht ganz freiwillig, zum Gefolge des Clans der MacKenzies). In den ersten sechs Folgen ist sie zur Einzelkämpferin verdammt und hat keine Vertrauensperson auf Burg Leoch. Doch in einer unscheinbaren Szene findet Claire erstmalig einen Zugang zur neuen Gesellschaft und damit auch einen intensiven Zugang zu ihrer eigenen Identität. Die Antwort Die Frage, wohin sie eigentlich gehört, wird damit beantwortet, dass sie in einer Art Ritual in den Kreis der Frauen aufgenommen wird. Es besteht darin, dass Frauen, begleitet von Gesang, Wolle walken, um sie zum Färben vorzubereiten (Staffel 1, Folge 5: „Tribut“). Die eigentliche Aufnahme Claires besteht aber nicht darin, dass sie teilnehmen darf, sondern darin, dass die Frauen sie in das Geheimnis um den Alkohol, den sie nicht mit den Männern teilen, einweihen. Obwohl die Szene nicht zum Hauptstrang der Handlung gehört, ist sie für Claire zentral. Denn noch bevor sie sich mit der Kräuterfrau bzw. Hexe Geillis Duncan anfreundet (Sie gründen eine zunächst nicht sehr stabile Art von „Schwesternschaft“.) und Jaimie heiratet, und auf diese Weise eine Bindung und Zugehörigkeit in der für sie völlig neuen Gesellschaft begründet, tritt sie in eine andere Ordnung ein. Sie ist älter, ursprünglicher und geheimnisvoller als die weltlichen Bindungen (wie z. B. „Clanzugehörigkeit“). Mit ihr hat sie ein Instrument in der Hand, das sie gegenüber weltlichen Bindungen und Zugehörigkeiten unabhängiger, allerdings nicht völlig losgelöst, macht. So positiv dieses Frauenbild auch ist, Outlander zeigt uns nicht ausnahmslos starke und erfolgreiche Frauen, sondern auch eine, die die Grenze ihrer Möglichkeiten erreicht. Fast wie bei der Klimax im klassischen Drama lernen wir mit jeder neuen Frau in Outlander eine stärkere Persönlichkeit kennen. Obwohl sie nicht tatsächlich in dieser Reihenfolge auftreten, müsste der Spannungsbogen ungefähr so aussehen: Geillis Duncan symbolisiert den Höhepunkt, denn sie zeigt, welcher Grenzen sich selbständig denkende und handelnde Frauen bewusst sein müssen. Während alle Figuren zwischen zwei Alternativen hin- und hergerissen sind, gilt das auch für sie. Doch Geillis möchte sich über dieses Dilemma erheben. Sie urteilt selbst darüber, was sie für richtig und falsch hält und nimmt sich einfach, was sie braucht. Geschickt nutzt sie alle Mittel, die einer Frau zur Verfügung stehen, die genug Wissen aus beiden Welten, dem 18. und dem 20. Jahrhundert, besitzt. Die Macht heidnischer Bräuche und die chemische Wirkung von Tränken. Allerdings geht sie damit zu weit. Im Gegensatz zu Claire steckt hinter ihren Taten selten guter Wille. Dass sie ihn trotz des Mordes an ihrem Ehemann besitzt, merkt man, als sie in einem dramatischen Bekenntnis alle Schuld auf sich lenkt und Claire damit vor dem Scheiterhaufen rettet. Resümee Das Frauenbild in Outlander ist zwar viel positiver als in vorausgegangenen Fantasyadaptionen, bleibt aber durch diese und weitere Einschränkungen realistisch genug, um die Glaubwürdigkeit der Geschichte aufrecht zu erhalten. Die ist zwischen Feen, magischen Steinen und Hexenritualen ohnehin immer angreifbar. Aber zumindest in diesem einen Element, dem Frauenbild, begibt sich die Serie nicht in das Reich der Phantasie, sondern ist ausgesprochen modern, ja fast progressiv. Es bleibt spannend abzuwarten, wie sich dieses Frauenbild in der zweiten Staffel (Premiere vermutlich im März / April 2016) weiterentwickelt.
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