Was alles fehlt
Der Titel des jetzt erschienenen Erzählungsbandes von David Wagner, „Was alles fehlt“, suggeriert, dass es in den Geschichten gerade um das geht, was man vermisst. Leider kreisen die Geschichten eben um das, was da ist und verweisen nur im Umkehrschluss auf das, was fehlt. Befriedigend ist das nicht. Möglicherweise geht es Wagner darum, im Leser ein Gefühl von Leere zu erzeugen. Damit enttäuscht er aber denjenigen, der sich die Langeweile vertreiben möchte oder Ablenkung sucht ebenso wie den, der von einer Geschichte gefesselt oder erfüllt werden will.
„Karaoke“, das siebte Stück in „Was alles fehlt“, spielt an der amerikanischen Westküste und widmet sich dem Fitnessfanatismus eines gewissen Tyler. Nebenbei erwähnt die Erzählerfigur, mit diesem Tyler einige sogenannte Leihwagenwochenenden verbracht zu haben. Am Ende, als sie abfliegt und die beiden sich verabschieden, heißt es: „wir tun so, als sei nichts gewesen.“ Und tatsächlich, nichts war gewesen. Man weiß nun, dass der fiktive Tyler 67 Liegestütze schafft, aber über solch messbare Äußerlichkeiten hinaus gab es nichts, was erkennbar Bedeutung besessen hätte. Und wie der Fitnesswahn, wie die vielen Ersatzhandlungen, die in Wagners Buch beschrieben werde, verdoppelt „wir tun so, als sei nichts gewesen“ die Leere der Geschichte.
„Telenovela“, die Geschichte einiger Wintertage in Mexiko, bietet einen Gegenentwurf zur ansonsten angesagten Kühlhausästhetik.. Hier treffen sich zwei Menschen, feiern miteinander Sylvester und schauen sich die täglichen Fernsehdramen um Liebe, Geld und Macht an. Doch bald ist die Zeit des Abschieds gekommen und es wird eine verständliche Sehnsucht geäußert, die alle anderen Geschichten, in den Schauplätze wie Rom, Lissabon oder New York als bloßer Chiffre für ein Woanders funktionieren, lediglich implizieren: „Am nächsten Morgen am Flughafen, als Do und ich uns verabschieden mussten, hätte ich auch gerne ein paar Telenovela-Sätze gesagt, ich hätte auch uns gern vom großen Gefühl überwältigt gesehen, aber es gab keinen Ausbruch, keinen privaten Popocatepetl.“
In elf der zwölf „Was alles fehlt“-Geschichten spielt der Tod eine - meist allerdings untergeordnete Rolle, was einen auf die Idee bringen könnte, dass Verdrängung Wagners Thema ist. Dafür gibt es aber keine Anhaltspunkte. Seine Geschichten sind ein Werk der Geheimnislosigkeit. In ihnen herrscht die Endzeitstimmung Hinterbliebener.