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August 2004
Stan LaFleur
für satt.org

Thorsten Nesch:
Strandpiraten des Lebens

Wiesenburg Verlag, Schweinfurt 2004

Thorsten Nesch: Strandpiraten des Lebens

185 S., 18,80 EUR
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Nesch: Gebrochen Deutsch
(Kritik von Marc Degens)

Cannabis Sünde sein?

Thorsten Nesch:
Strandpiraten des Lebens



Den Buchtitel "Strandpiraten des Lebens" hat Thorsten Nesch einer alten Fernsehserie entlehnt, deren Dorf – sei es echt, sei es Kulisse – heute noch an der Küste British Columbias liegt, selbst das Boot des Strandpiraten Relic dümpelt dort angeblich noch im Wasser. Doch was ist diese kurze Momentaufnahme aus einem Busfenster gegen die zahlreichen Strandpiraten, die den Landstrich heute tatsächlich bevölkern und es nicht mal bis ins Fernsehen schaffen wollen.



Thorsten Nesch
Thorsten Nesch

In diesem Buch geht es in erster Linie ums Kiffen und Abhängen, das sei deutlich gesagt. Speziell ums Kiffen und Abhängen an der kanadischen Westküste mit ihren Bewohnern, lustigen schmuddeligen Hinterwäldlern, die mit einer Tüte purem Stoff im Mundwinkel und knorrigem Humor ihre kleine Welt in endlosen Gesprächen stets neu zusammensetzen. Thorsten Nesch hat sie besucht, als zeltender Held seiner eigenen Geschichte.

Gleich einer Welle, die sich aufbaut, zu voller Höhe türmt und dann mitten im Meer wieder verschwappt wird hier erzählt. Oder gleich THC-Schüben, die Gedanken ins Rollen bringen, ins Kentern, sie ins Kraut schießen lassen, ihre Herkunft sozusagen, grüne Gedanken voller Schönheit, Melancholie und barem Unsinn. Zahlreiche Dialoge reizen das Zwerchfell desjenigen, der auf absurden Kifferhumor steht: "Alles – macht – plötzlich – einen – Sinnnn!" Auch die Dialoge schwappen, ufern aus, Spülsäume der Bewußtseinsränder und enden erst, wenn der eine Partner umfällt und der andere jaulend in den Regenwald rennt. Monolithisch ragt aus der Erzählwelle eine lange Rede zur Geschichte des Hanf und seiner Wirkungen heraus, die Reales mit Irrem kreuzt, sie scheint sich beinah aus dem Papier zu schälen, diese Rede, die buchstäblich Alles erklärt, keine weiteren Fragen, dankeschön.

Die Gliederung in fünf Kapitel mit Beschreibungen von Küstenorten, ihren Campingplätzen, Bars und Bewohnern mit Höhepunkt im mittleren Kapitel reduziert den inhaltlichen Fluß auf das Phänomen "Durchreise". Sprachwitz und schräge Begebenheiten wie die zu Beginn, als der blanke Autor einen Sack voll Geld geschenkt bekommt und gleich wieder abgibt, was ihm die Flüche eines Busfahrers einbringt, machen das bedauerliche Ausscheiden mancher Figur wieder wett. Eine unterhaltsame Lektüre für entspannte Urlauber, Westkanada-Interessierte und solche Kiffer, die immer schon mal ihre breiten Dialoge mitschreiben wollten, es aber bisher irgendwie nicht auf die Reihe gekriegt haben.