Nick Cave
& The Bad Seeds:
Nocturama
Manchmal bin ich froh, dass die Zeit so schnell vergeht; nicht etwa, weil
ich dadurch immer mehr aussehe wie in meinem Reisepass, sondern weil es mir
nicht so lang vorkommt, bis großartige Künstler noch bessere Platten
rausbringen. In diesem Fall ist die Rede vom neuen Nick Cave Album
"Nocturama", das in wenigen Tagen erscheint. Und in der Tat: Nick Cave & The
Bad Seeds setzen nahtlos an der Qualität der Vorgängeralbums "
No More Shall We Part" an, das den Begriff Groove mit Stücken wie "Fifteen Feet Of Pure
White Snow" oder "Oh My Lord" in neuem Licht erscheinen ließ. Der
unwiderstehliche Pathos, der rollende Gospel-Rock, die an der Leine
reissende Band, der wandlungsfähige Cave und die Achterbahnfahrt seiner
Emotionen sind auch auf dem neuen Album mehr als nur Markenzeichen. Die
Platte startet mit drei sanften Stücken (Wonderful Life, He Wants You und
Right Out Of Your Hand), in denen Cave seine gesamte hypnotische Kraft
entfaltet und unabwendbare Melancholie nach dem wehrlosen Zuhörer greift.
Mit dem fünften Titel (Dead Man In My Bed) erreicht die Platte ihren ersten,
satten Höhepunkt: druckvoller, lauter und scheppernder hat man die Band
lange nicht gehört! Danach kehrt Cave zurück in ruhigere Gefilde und zeigt
mit "Rock Of Gibraltar" einen winzigen, hellen Lichtstrahl seiner heiteren
Seite. Das spektakulärste Stück ist gleichzeitig das letzte des Albums:
"Babe, I`m on fire". Hier präsentiert sich die Band unerbittlich rockend und
dämonisch und lässt fünfzehn Minuten lang (43 Strophen!) eine Dampfwalze
durch die Boxen fahren. Die Lust und Leidenschaft am Musikmachen, das Böse
und der Wahnsinn und eine geballte Portion expressionistischer
Ausdruckskraft in einem Song vereint!
© Polly Borland |
Cave hat gut daran getan, seinen Musikern (Mick Harvey, Blixa Bargeld,
Thomas Wydler, Martin P. Casey, Jim Sclavunos und Warren Ellis) wieder mehr
Platz zu schaffen. Diesmal hat er die Titel nicht im stillen Kämmerchen
durchkomponiert, sondern gemeinsam mit der Band während der freien Zeit
einer Australien-Tour daran gearbeitet. Cave wollte damit von der
Planbarkeit einer Platte wegkommen und den Entstehungsprozess deutlich
beschleunigen. Herausgekommen ist ein fantastisches Album und der Beweis,
dass Nick Cave & The Bad Seeds mit ihrer schleichenden, kathartischen und
brachialen Seite längst nicht abgeschlossen haben. Der Mythos Nick Cave
besteht aus gutem Grund.
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