Woo-Hoo!
The 5.6.7.8`s:
Bomb the Rocks
Mal ehrlich, wer hätte sich Mitte der Neunziger Jahre für Dick Dale interessiert, hätte ihn nicht Quentin Tarantino für Pulp Fiction ausgegraben und die schönsten Killerszenen mit Mr. Dales Surfgitarre unterlegt.
Kill Bill liefert nun einmal mehr den Beweis für Tarantinos guten Musikgeschmack: die japanische Girlband The 5.6.7.8's sorgt für die musikalische Begleitung von Uma Thurmans Blutrausch in einem Tokioter Restaurant und erfreut sich seitdem unverhoffter und verdienter Popularität, "Woo Hoo" ist nicht nur bei Tarantino-Kennern ein Hit. Die Band existiert allerdings schon seit 15 Jahren, besteht zur Zeit aus Ronnie "Yoshiko" Fujiyama, Yoshiko Yamaguchi und Sachiko Fujii und hat sich von den Bienenkorbfrisuren bis runter zu den High Heels dem Rock'n'Roll verschrieben. Im Laufe der Jahre haben die Damen auf verschiedenen Labels veröffentlicht und können eine beeindruckende Diskographie vorweisen; die Compilation "Early Day Singles 1989 – 1996" bietet einen umfassenden Einblick in ihr Werk.
The 5.6.7.8`s: 1992 OMO / SACHIKO / RONNIE Foto : Yamami
|
Bei uns kommt die wilde Mischung aus Surf, Trash, Rock'n'Roll und Girlgroupgesang sehr gut an: gerade haben die 5.6.7.8's eine erfolgreiche Kurztournee durch sechs deutsche Städte absolviert; mein Versuch, das Konzert im Wiesbadener Schlachthof zu besuchen, wurde durch das Schild am Eingang "Konzert ist ausverkauft – KEINE KARTEN AN DER ABENDKASSE" jäh gestoppt. Natürlich wollte niemand der glücklichen Karteninhaber ein Ticket hergeben, also kann ich leider nicht berichten, wie es auf einem Konzert der Girls zugeht, aber wenn man den ersten Song der Compilation "Early Day Singles 1989 – 1996" so laut wie möglich aufdreht, bekommt man vielleicht eine Vorstellung davon. "Bomb the Twist" ist ein wilder, durchgedrehter rasender Ritt durch 1000 Jahre Rock'n'Roll in der freien Interpretation wilder, durchgedrehter rasender Japanerinnen. Wowwww!!! Sie lieben Surfgitarren und ba-ba-ba-ba-ba-Backgroundchöre, nicht nur der Kill-Bill-Song "Woo Hoo" ist ein Hit, auch die restlichen 26 Stücke der Compilation lassen es gehörig krachen. Einige Stücke sind Coverversionen, z.B. Mr. Lee, It's Rainy, Road Runner und Long Tall Sally, das man nicht ohne weiteres erkennen könnte, stünde nicht der Titel auf der Hülle. Die Ladies pflegen einen sehr eigenwilligen Umgang mit Refrains und der englischen Sprache an sich, aber genau das verleiht der Musik ihren besonderen Charme. Aber man sollte sie nicht fälschlich als niedliche Rock-Manga-Mädchen ansehen, denen ein asiatischer Exotenbonus anhaftet. Bei aller Affinität zu comichaften Rock'n'Roll-Stereotypen wird ganz schnell klar: die 5.6.7.8's meinen es ernst! Sie vereinen die Rotzigkeit und Sexyness der Runaways mit der Energie von Girlschool und dem schrägen Humor der Ramones, spielen mit Girlgroupelementen und verbeugen sich vor Göttern wie Elvis, Eddie Cochran oder Jerry Lee Lewis, um dann aber ganz schnell ihr eigenes Ding anzuzählen: 1.2.3.4 ….5.6.7.8s!!!
Man kann nicht umhin, mehrfach den Namen "The Cramps" ins Feld zu führen, aber das ist ja kein Makel, im Gegenteil: "Jet Coaster" erinnert an das von den Cramps auf einzigartige Weise zerschossene und zerfledderte "Surfin`Bird", Lux Interior ist nicht nur hier Vorbild für die Interpretation. Auch die Auswahl der Songtitel offenbart die Cramps-Affinität der 5.6.7.8's: "My Boyfriend from Outer Space", "She Was a Mau Mau" oder "I Was A Teenage Cave Woman" könnten auch im kranken Cramps-Kosmos kreisen.
Der Song "Edie is a Sweet Candy" ist eine Hommage an Edie Sedgwick, tragische Andy Warhol/Factory-Heldin und eins der besten Stücke der CD; in "Bond Girl" wird die James-Bond-Erkennungsmelodie zitiert und in "Three Cool Chicks" wird ganz tongue-in-cheek mit der Obsession meist männlicher Rock'n'Roller gespielt, Girls zu Chicks oder (Pussy-)Cats zu machen.
"The Future comes from the Past" steht im Booklet der CD – die 5.6.7.8's beweisen das mit Energie und Enthusiasmus: Woo Hoo!