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März 2005
Christina Mohr
für satt.org


Moby:
Hotel

Mute 2005

Moby: Hotel
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Moby: Hotel

Ehrlich gesagt hatte ich Moby ja schon abgeschrieben. Die letzte Platte, 18, rückte ihn für mich nicht nur wegen des Titels in unangenehme Neoliberalennähe, er schien endgültig und unwiderruflich im Mainstreamlager gelandet zu sein, Music for the Masses. Moby reizte seine ursprünglich hübsche Idee des Gospelsamplings bis zum Überdruß aus, nach Play und I Like to Score schien das Pulver verschossen zu sein; einzig We are all made of stars besaß noch die hymnische Schönheit, die Moby-Tracks mal so einzigartig machten. Moby teilte das Schicksal Björks: der niedliche Indie-Skurrilo, auf dessen eigentliches Schaffen man kaum noch achtete, ein knuffiger Popstar, dessen Platten man kauft, um sich relativ einfach Connaisseur-Credibility zu verschaffen, auch wenn man sonst mit Musik nicht viel am Hut hat. Aber ebenso wie Björk mit ihrer 2004er-Platte Medulla ist es Moby gelungen, sich neu zu erschaffen. Hotel kommt ohne Samples aus, Moby spielt alle Instrumente selbst, lediglich von Scott Frassetto am Schlagzeug und seiner Freundin Laura Dawn (Gesang) unterstützt; produziert wurde Hotel von Brian Sperber, der sich ansonsten um Feeder kümmert. Moby hat auch seine Stimme wiedergefunden: 10 der 14 Stücke singt er allein, dazu kommen 2 Duette – und alles ohne Vocalsamples.

Hotel klingt insgesamt wie eine Hommage an die britische Popmusik der letzten 400 Jahre, Reminiszenzen an Roxy Music, The Cure, Depeche Mode, die Pet Shop Boys und auch Joy Division, die ja im Moment von vielen Bands wiederentdeckt und – siehe Interpol – in die Neuzeit übersetzt werden. Aber Moby klaut nicht wirklich, eher nimmt er eine ausgeklügelte und stimmige Neupositionierung seines Werks und seiner selbst vor. Sehr konkret werden Mobys Zitate und Anspielungen bei der ergreifenden, bis aufs Songskelett reduzierten Coverversion von New Orders Temptation, gesungen von Laura Dawn – definitiv eins der Highlights des Albums, ruhig und eindringlich zugleich. Spiders ist eine Hymne für David Bowie, mit breit angelegtem Refrain; man sieht die künftigen Konzertbesucher schon direkt vor sich, Feuerzeuge und Handys schwenkend. Apropos Livekonzert: die ersten Songs auf Hotel, Raining Again, Beautiful und Lift me Up sind elektrisierende Smasher zum Mitsingen, im Fall von Raining Again schwer rockig, das Stück erinnert daran, daß Moby auch mal Punkrocker war. I Like It kommt erstaunlich lasziv daher, explizite Lyrics, so sexy gehaucht, daß der Song auch auf einer Kylie Minogue-Platte gut aufgehoben wäre.

Hotel erscheint in zwei Versionen, mir liegt die schick verpackte Doppel-CD im dicken Pappschuber vor (Kompliment an die Plattenfirma – dieses Ding möchte man wirklich besitzen und anfassen), CD zwei heißt Ambient und ist im positiven Sinne zum Einschlafen. Der dezente Herr Moby verabschiedet sich derart leise und zart, dass man kaum bemerkt, wenn die CD vorbei ist. Sehr angenehmes Goody.

Und wer sich fragt, weshalb Moby den Titel Hotel gewählt hat – schließlich ist das Hotel einer der modernen Orte schlechthin; unzählige Bands haben Hotelsongs geschrieben (na, wem fallen spontan fünf ein? Hotel California, Heartbreak Hotel, Hotel Daheim, Chelsea Hotel …), das Hotel als mythische Metapher fürs Ankommen, (Nicht-)Zuhausesein, Einsamkeit, Anonymität, Zuflucht – redselig wie eh und je begründet Moby auf dem Rückcover seine Entscheidung, die so endet: "( ….) and that's why the record is called 'hotel'. Thanks, and I hope that you like what you hear. Moby" Auch danke, und ja, mir gefällt's.