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September 2004


Björk:
Medúlla

Universal 2004

Björk: Medúlla
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Björk: Medúlla


Björk

Sie hat es wieder getan: Björk ist einfach immer für eine Überraschung gut. Soll noch mal einer dieser Schlauberger behaupten, Madonna wäre die einzige Frau, die in der Popmusik neue Trends setzt, dem pfeif ich aber was! Und meinem Ex-Kollegen, der immer gern behauptete (und als einziger herzlich über seinen Witz lachen konnte), Björk hieße so wie sie klinge, der wird sich über weite Strecken dieses Albums, sollte er es denn je hören, bestätigt fühlen. Denn für jetzt hat Björk beschlossen: die Stimme ist das einzige was zählt. Und wenn man ihrer neuen Platte lauscht, dann kann man nur sprachlos zustimmen.

Und bei sowas die Sprache zu verlieren, das ist fast schon eine Art von Dialektik. Denn "Medúlla" besteht aus fast nichts anderem als aus Stimmen. Die Idee dazu war genau der Zufall, den es nicht gibt: Während der Aufnahmen hatte Björk Schwierigkeiten mit ihren Songs; die Instrumentierung war zu dicht, nichts schien zu funktionieren. Ihre Lösung spricht für ein gesundes Maß an Intuition: Sie nahm am Mixer Platz und stellte einfach alle Instrumente aus, und siehe da - plötzlich war alles klar. Die Songs und ihre Strukturen lagen offen zutage. Aber würde in der heutigen Zeit ein "A-Capella"-Album funktionieren? "Solange es nicht wie Manhattan Transfer oder Bobby McFerrin klingen würde, sah ich kein Problem damit" sagt Björk. Nun: diese Gefahr besteht tatsächlich nicht. Vielen wird dieses neue, ungewöhnliche Konzept zwar zuviel - oder zuwenig - sein. Es soll ja sogar Musikjournalisten geben, die ihr "in diese Hermetik nicht mehr folgen" wollen oder so ein Quark. Wozu war da eigentlich das Musikwissenschaftsstudium gut, wenn solche Leute plötzlich die Musik nicht mehr verstehen, nur weil die Beats fehlen und die Gitarren und der Bass? Hallo, jemand zuhause? Gut, ich gebe zu, auch ich finde "Vespertine" zugänglicher als "Medúlla". Aber da gleich die Kryptik-Karte zu ziehen, nur weil der Interpret Björk heißt? Ist doch nicht Celan. Tatsächlich will "Medúlla" erarbeitet werden, es biedert sich nicht an. In Björks gesamten Œvre ist es aber sicherlich einmal mehr ein Meilenstein. Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Athen hatte Björk schon die Ehre, ihren Song "Oceania" vorzutragen und mit einer beeindruckenden Show zu untermalen.

Der Albumtitel selbst entstand, wie schön, im Suff. Medúlla, damit ist die Essenz des Lebens, verborgen in unseren Knochen, Zellen, in unseren Haaren gemeint, die Essenz, die durch uns alle fließt. Damit ist’s für heute aber auch gut mit der Eso-Schiene, schieben wir lieber noch ein paar Fakten nach. Als Mitstreiter konnte Björk so illustre Gäste wie Mike Patton (Faith No More), Robert Wyatt und den Beatmaster Rahzel gewinnen; letzterer leistet tatsächlich brillante Arbeit. Björk singt zwischendurch auch isländisch, was die ätherische Verspieltheit noch unterstreicht. Anspieltipps sind das wunderschöne "Pleasure Is All Mine", das vergleichsweise zugängliche "Who Is It" und die potentielle Single "Triumph Of A Heart". Geben wir dem Album also Zeit, unser Herz zu erobern, und linsen wir in der Zwischenzeit vorsichtig, auf welche Idee Björk als nächstes kommt. Sicher sein kann man sich bei ihr nie, denn sie ist immer mindestens zwei Schritte voraus.