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Oktober 2005
Christina Mohr
für satt.org


Franz Ferdinand:
You Could Have It So Much Better

Domino Records 2005

Franz Ferdinand: You Could Have It So Much Better

Franz Ferdinand
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Franz Ferdinand:
You Could Have
It So Much Better

Franz Ferdinand live:
7.11.05 Düsseldorf, Phillipshalle
8.11.05 Berlin, Tempodrom
9.11.05 Hamburg, Colour Line Arena
12.12.05 München, Zenith

In diesem Jahr hatten es gleich zwei Überraschungsacts von 2004 besonders eilig, ihr zweites Album unters Volk zu bringen: Jens Friebe und Franz Ferdinand. Um das berüchtigte „zweite Album“ ranken sich viele Popmythen, besonders schwierig sei es und trenne die One-Hit-Wonder von den Longsellern. Die Erwartungen an Franz Ferdinand sind immens hoch, schließlich steht ihr Debüt für einen der seltenen Momente der neueren Musikgeschichte, in dem alle Sterne gleichzeitig strahlten. Auch nach dem fünftausendsten Mal Hören klingen Songs wie Jacqueline, Take Me Out und Michael nicht abgenutzt, sorgen immer noch für einen Run auf die Tanzfläche und zaubern Schleier des Glücks auf die Gesichter der Gemeinde. Die britische Green Party verwendete This Fffire für ihren Wahlkampf und durch hunderten von Auftritten worldwide haben sich Sänger Alex Kapranos, Bassist Bob Hardy, Schlagzeuger Paul Thomson und Gitarrist Nick McCarthy den Ruf als fantastische Liveband erspielt. Besonders erstaunlich ist, dass Franz Ferdinand – obwohl selbst noch „Newcomer“ – bereits als Maßstab für ihre vielen Epigonen gelten. Ihr aus Versatzstücken aller Popgenerationen gebastelter Sound, ihre unbändige Energie und ihr Talent für Ohrwürmer, begeisternde Songs unterschied sie von Anfang an von denen, die ihr gesamtes Können in eine tolle Single packten, aber auf Albumlänge nicht überzeugen konnten. Auch Franz Ferdinand haben den Rock’n‘Roll nicht neu erfunden, aber von innen nach außen gestülpt, kräftig durchgeschüttelt und gezeigt, was mit dem Patienten Pop noch so alles geht. Außerdem brachten Franz Ferdinand den Stil, die Mode zurück in die Musik, auf einmal war es wieder schick, mit Popperfrisur, Anzughose und Pullundern mit Rautenmuster zu erscheinen.



Franz Ferdinand
Franz Ferdinand
(Foto: Perou)

So. Und jetzt zu You Could Have It So Much Better: Es war ja eigentlich gar nicht denkbar, nicht möglich, dass FF eine schlechte Platte abliefern könnten und so ist es natürlich auch nicht. In jedem einzelnen der 13 Stücke auf You Could … stecken mehr Ideen als in den Longplayern vieler ihrer Mitbewerber. Die Gefahr der Überfrachtung durch ein Zuviel an Einfällen umschiffen sie geschickt, der Band gelingt immer wieder der „runde", durchstrukturierte Song. Schon beim prog-rockigen Opener The Fallen wird klar, dass es insgesamt etwas ruppiger zugeht als auf dem spielerisch-poppigen Debütalbum. Songs wie Evil and a Heathen, das die Band bereits im Sommer in der Harald-Schmidt-Show performte und das Titelstück sind wie gemacht für wilde Liveauftritte, bei denen zum Schluß alle erschöpft am Boden liegen – Publikum und Musiker. Alex Kapranos‘ Stimme ist mehr in den Vordergrund gerückt, wirkt selbstbewußter, und klingt bei fiesen Texten wie „I love the sound of you walking away / so why don't you walk away“ unwiderstehlich arrogant.

Die Single Do You Want To zitiert 30 Jahre britische Popmusik, euphorische Zeilen wie „You're so lucky, lucky, lucky, lucky“ umarmen Kylie und die Spice Girls gleich mit. Im Video zu Do You Want To sprengen Franz Ferdinand übermütig eine steife Vernissage, parodieren Kunstwerke ("Installationen") und führen sich nach Fight-for-Your-Right-to-Party-Manier rüpelhaft auf und karikieren so den eigenen Artschool-Mythos. In diesem und einigen anderen Songs spielen souverän Franz Ferdinand mit ihrer Spezialität, dem mehrfachen Rhythmus- und Tempowechsel innerhalb eines einzigen Stücks, mittlerweile zum Erkennungsmerkmal der Band avanciert. Ganz neu klingen die beiden langsameren Songs, Fade Together und Eleanor Put Your Boots On (mit Piano, ebenfalls eher ungewöhnlich für Franz Ferdinand), die beweisen, dass die Band nicht nur ihr überdreht-hysterische Level halten kann, sondern auch sensiblere Inhalte angemessen transportiert.

Franz Ferdinand selbst bezeichnen ihre neue Platte als eine Compilation der letzten 30 Jahre Popmusik – ich erhöhe mal auf 40, wegen der archaischen Rhythmen und Arrangements, die zum Teil gar an die ganz frühen Beatles erinnern. Trotz aller kunterbunten Versatzstücke wird der charakteristische FF-Sound durch Kapranos‘ Stimme und den einzigartig klaren, exakten Rhythmus zusammengehalten: stakkatoartiges tchak-tchak-tchak zieht sich mit maschinenhafter Genauigkeit durch alle Songs und klingt so scharf wie die Bügelfalten von Bob Hardys Hosen. Ihre enorme Energie gewinnt die FF-Musik dadurch, dass Melodieinstrument und Gesangsstimme immer gleichauf sind – was den Stücken diesen einzigartigen und umwerfenden Drive und Druck gibt, klare Fokussierung und gewollte klaustrophobische Enge statt wabernder Klangräume. Das alles ist ziemlich einzigartig und steckt die Erwartungen für Album Nummer Drei noch höher.