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Januar 2006
Christina Mohr
für satt.org


Maximum Joy:
Unlimited (1979 – 1983)

Crippled Dick Hot Wax 2005

Maximum Joy
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Maximum Joy

Das Label Crippled Dick hat sich nach der grandiosen Compilation Grlz – Women Ahead of Their Time dazu entschlossen, dem Gesamtwerk einer auf jenem Sampler vertretenen Band eine eigene Veröffentlichung zu widmen: Maximum Joy. Die Band wurde 1979 von Janine Rainforth in Bristol gegründet, und rekrutierte sich aus Mitgliedern der legendären Pop Group und den Glaxo Babies. Weitere "offsprings" der Pop Group waren zum Beispiel Rip, Rig & Panic und Pigbag – alle drei Bands vermischten Punk, Reggae, Soul und Jazz, mal groovy und tanzbar wie Pigbag oder sophisticated-versponnen wie R, R & P.

Maximum Joy entwickelten eine einzigartige, übersprudelnde Mixtur, die man mit Fug und Recht den Post-Punk-Sound of Bristol nennen kann (lange bevor Triphop und Bands wie Massive Attack und Portishead gegründet wurden). Viele Bands der späten Siebziger und frühen Achtziger liebten tribalartige Percussions und knackige Bläser – Konk und Liquid Liquid oder auch Spandau Ballet, bevor sie zu schmalztriefenden New-Romantic-Beaus wurden. Maximum Joy verbanden ihre auf Improvisationen gründenden quirligen Stücke dazu mit explizit politisch-kämpferischem Bewußtsein, was zur Zeit des Thatcherismus nicht schwer fiel. Songs wie White and Green Place oder Building Bridges haben bis heute nichts von ihrer Brisanz eingebüßt.

Maximum Joy existierten in einer politisch schwierigen, aber künstlerisch ungemein fruchtbaren Zeit. DIY war das Ding während und nach Punk, ständig entstanden neue Labels und Läden – MJ wurden von Y Records gesignt, die auch die Pop Group, Rip, Rig & Panic und Pigbag unter Vertrag hatten. Die erste Single Stretch von 1981 wurde ein weltweiter Underground-Dancefloor-Hit (dieser Song ist auch auf dem Grlz-Sampler vertreten) und besticht auch heute noch durch seinen zwingenden Groove und diese unglaublichen Bläser. Was Maximum Joy damals wie heute zu einem besonderen Erlebnis macht, ist die Stimme von Janine Rainforth – mal warm und weich, dann wieder wild kreischend; ihre Art zu singen läßt sich heute am ehesten bei Bands wie Chicks on Speed wiederfinden.

1982 erschien die LP Station MXJY, die von Adrian Sherwood (On-U-Sound) mitproduziert wurde. Kurz darauf stieß Nellee Hooper zur Band und prägte mit seiner "Sin Drum" den künftigen Sound von Maximum Joy (Nellee Hooper sollte bald darauf Soul II Soul gründen, aber das ist eine andere Geschichte …), leider trennten sich MJ 1983.

Maximum Joy sind eine (Wieder-)entdeckung wert; erstaunlich frisch klingen die Tracks des Samplers, auf dem hauptsächlich die 12-Inch-Versionen der Songs versammelt sind.


Interview mit Janine Rainforth, Sängerin, Violinistin und Klarinettistin von Maximum Joy:

Was hältst Du vom Revival vieler Früh-Achtziger-Bands wie Gang of Four, The Pop Group und – Maximum Joy? Glaubst Du, dass Eure Musik heute noch Einfluß auf jüngere Bands hat?
JR: Ich bin natürlich freudig überrascht vom Revival der Post-Punk-Bands, aber auch nicht sehr überrascht; viele Einflüsse der damaligen Bands höre ich deutlich bei aktuellen Gruppen wie Franz Ferdinand oder einigen New-York-Girlbands, um nur ein paar zu nennen.

Was haben die Bandmitglieder von Maximum Joy während der letzten Jahre gemacht? Seid Ihr musikalisch aktiv?
JR: Einige von uns machen immer noch Musik, unser Saxophonist Tony Wrafter und der Drummer Charlie Llewellin zum Beispiel. Tony lebt noch immer in Bristol, Charlie in Texas/USA und Nellee Hooper ist ja ein sehr erfolgreicher Produzent geworden. Ich schreibe immer noch Songs, aber die sind nur für meine eigenen Ohren bestimmt!

Habt Ihr den Bandnamen "Maximum Joy" gewählt, weil Ihr Euch wirklich glücklich gefühlt habt oder war der Name als bitterer Witz gemeint? JR: "Maximum Joy" war ein Kompromiß, ursprünglich wollten wir uns "Maximum Sexual Joy" nennen – aber ja, Maximum Joy war, was wir erreichen wollten und bei vielen Gelegenheiten auch bekommen haben!

Wart Ihr beeinflußt vom Thatcherismus – hat sich die eiserne Führung "Maggies" in Euren Texten niedergeschlagen?
JR: Ich glaube, das war einfach zwangsläufig so! Wir lebten während dieser Ära und, klar, Thatcher war wirklich eine starke politische Figur, die man kaum ignorieren konnte.
Wir waren keine ausdrücklich politische Band; unsere Songs behandelten eher die generelle Ungerechtigkeit des Lebens. Zum Beispiel kann Liebeskummer das Leben der Menschen genauso stark beeinflussen wie alle anderen Dinge des täglichen Daseins. Das wollten wir klarmachen (und dabei gut gelaunt sein und Spaß haben!) und diese Gefühle durch unsere Songs ausdrücken.

Sollte sich Popmusik politisch engagieren und einmischen? JR: Ja, ich finde, Popmusik kann und sollte politisch relevant sein, viele meiner eigenen Songs sind durch Ungerechtigkeit in der Welt und die bittere Ironie des Lebens inspiriert worden – und das politische Geschehen hat sich ja nicht wirklich verbessert heutzutage. Und ich habe beobachtet, dass Polit-Pop Dinge verändern und Hilfe leisten kann, und sei es nur, das Bewußtsein zu schärfen oder Leute zum Durchhalten zu bewegen – vom Black American Blues über Protestsongs bis zu Bob Geldofs Live Aid. Ich bevorzuge Musik mit einer Botschaft, im besten Falle kommt sie von Herzen und geht zu Herzen, um es mal so auszudrücken. Der Kunstgriff liegt darin, solche Musik dem Publikum schmackhaft zu machen und gleichzeitig die Hörer aufzurütteln, Gefühle zu evozieren und Resonanz zu bekommen. Ich bin natürlich nicht gegen l’art pour l’art, Rhythmus ist Rhythmus, und manchmal ist "just get down and boogie" einfach das Beste, das man tun kann. Aber verbunden mit einer starken Aussage bekommt Musik eine ungeheure Power und Kommunikationskraft, diese Chance sollte man nicht ungenutzt lassen ….

Euer Song Building Bridges ist über das Zusammenbringen von Menschen verschiedener "Stände" – glaubst Du, der Text ist auch heute noch relevant?
JR: Unbedingt! Ich glaube, die Inhalte aller unserer Songs sind heute noch so relevant wie damals …

Maximum Joy war keine Frauenband, aber glaubst Du, dass elektronische Musik sich emanzipierend für Frauen ausgewirkt hat?
JR: Ich glaube schon, dass sich nach Punk vieles für Frauen in der Musik verändert hat. Ob sie sich wirklich emanzipiert haben, kann ich nicht sagen … Ich denke, die Frauenrollen haben sich während und nach Punk verändert und verbessert. Der Weg ebnete sich für anspruchsvollere Künstlerinnen und Musikerinnen.

Simon Reynolds schreibt in seinem Buch Rip it Up and Start Again, dass die Post-Punk-Ära wesentlich kreativer war als Punk selbst – stimmst Du ihm zu?
JR: Ich habe sein Buch noch nicht gelesen, aber ich glaube nicht, dass die Kreativität der Post-Punk-Zeit möglich gewesen wäre ohne Punk. Die meisten Post-Punk-Bands – auch Maximum Joy – begannen in den Punk-Jahren und entwickelten sich dann stetig weiter. Du kannst buchstäblich das Eine nicht ohne das Andere haben. Ich würde es anders ausdrücken: Punk war die kreative Explosion, der Urknall und was daraus folgte, war eine natürliche Aufsplittung und Weiterentwicklung hin zu unterschiedlichen und manchmal sehr abgedrehten Ausdrucksformen. Das entspricht zumindest meinen eigenen Erfahrungen aus dieser Zeit.

War es in den späten Siebziger Jahren einfacher, eine Band zu gründen und mit verschiedenen Stilen zu experimentieren, wie es Maximum Joy gemacht haben?
JR: Ich bin mir nicht sicher, ob ich über heutige Strömungen gut genug informiert bin (und ich habe in letzter Zeit auch nicht versucht, eine Band zusammenzubekommen!), aber instinktiv würde ich sagen, ja, es war leichter – das Musikgeschäft hat sich so fies verändert, Bands und Sounds werden produziert wie Möbelstücke und es ist wahrscheinlich viel schwieriger als früher, einen Plattenvertrag zu bekommen …. aber dennoch gibt es viele junge Bands, die vor sich hin frickeln und kurz vor dem Durchbruch stehen, es geht doch immer weiter. Ich frage mich, was John Peel, der leider verstorbene legendäre Radio-1-DJ, zu dieser Frage sagen würde. Er hat hunderte von Bands bekannt gemacht (er war auch ein großer Fan von Maximum Joy!) und würde mir wahrscheinlich widersprechen. Ich bin sicher, er hat bis zum Schluß tonnenweise Demotapes von gerade gegründeten Bands zugeschickt bekommen – wohin schicken die Leute ihre Bänder jetzt? R.I.P. John Peel!

Welche Musik magst Du persönlich – hast Du ein Lieblingsstück aus dem letzten Jahr?
JR: Ich höre totalen Mischmasch, gerne World Music – aus Brasilien, Algerien, Afrika, Berbermusik; aber auch Barry White, Ms Dynamitee, Mary J Blige – Blige und Ms Dynamitee sind glaubwürdige Künstlerinnen, die mit ihrer Musik echte, pure Energie transportieren! Außerdem mag ich David Bowie, Nick Drake, Goldfrapp, Mercury Rev., Flaming Lips, Rufus Wainwright, Ramones, Plastikman, Reggae (zur Zeit am liebsten britischen!), Kings of Leon und 80's Funk!
Diese Songs gefallen mir besonders gut: Matumbi/The Man in Me; Nick Drake/Time Has Told Me; Mary J Blige/Be Without You

Und welches Maximum-Joy-Stück magst Du am liebsten?
JR: Mein heutiger Favorit (kann sich immer mal wieder ändern): White and Green Place

Werden Maximum Joy demnächst auch wieder live auftreten?
JR: Ich glaube nicht, dass Maximum Joy jemals wieder zusammenkommen. Aber einige von uns werden sicherlich einzeln auftreten – haltet die Augen und Ohren offen! Zur Zeit wird gerade eine Website für Maximum Joy gebastelt, die bald aktuelle Informationen über uns liefern wird!

Janine, vielen Dank für das Interview!