Gefahr im Anzug - Ole’ Brown Eyes does it again
Adam Green in Deutschland (mit Band und Streichern) 27.3.06 Hamburg, Kampnagel 28.3.06 Leipzig, Haus Auensee 29.3.06 Essen, Lichtburg 31.3.06 Berlin, Tempodrom 01.4.06 München, Herkulessaal
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Alle lieben Adam - so ähnlich hat satt.org schon im letzten Jahr über den
knuffigen Singer/Songwriter geschrieben und daran dürfte sich in der Zwischenzeit nichts geändert haben. Schlichtweg entwaffnend war und ist die Mischung aus Niedlichkeit und echtem Talent, der 24jährige mit der Stimme eines 48jährigen bezirzt alle vom alternden Folkfan bis zum verführbaren Teenie und wurde wo zum großen Konsensstar des Jahres 2005. Das Album Gemstones und seine bei Suhrkamp erschienene Textsammlung Magazine führten viele Jahrespolls an - und wer gedacht hat, Mr. Green würde nun eine kleine Schaffenspause benötigen, wird eines Besseren belehrt. Das hyperaktive Wunderkind hat den Output eines koksenden Töpfers und deshalb steht nach nur knapp einem Jahr bereits ein neues Green-Album in den Läden.
Jacket full of Danger gewinnt erst nach mehrmaligem Hören. Der erste Eindruck ist nämlich gar nicht so dolle, Adam knödelt und croont sich durch 15 Songs und ebenso viele Stile und man denkt kurz, na ja, Gemstones war der Höhepunkt seines Schaffens, das war's wohl. Aber da Jacket so kurz ist (35 Minuten) und Adam so flauschig, gewährt man ihm einen zweiten, einen dritten Durchgang und siehe da - die Platte bietet so manche feine musikalische Überraschung. Mr. Green präsentiert ein buntes Potpourri, probiert vom Hoppla-hier-komm-ich-Gestus á la Jopi Heesters bis zu schwerem Led-Zeppelin-Bluesrock alle Stile durch, die nicht bei drei auf den Bäumen waren. Sehr charmant und tongue-in-cheek impersoniert Adam mal Frank Sinatra, mal Elvis Presley, immer voller Freude an der eigenen Chuzpe. Die Single Nat King Cole erinnert an Patti Smiths‘ frühe Aufnahmen wie Land, rauher Blues mit Klaviereinlagen steigert sich zu einem furiosen, wilden Gejamme. Bei Songs wie Hollywood Bowl oder Jolly Good zieht Green alle Register seines Entertainerkönnens, läßt Musicalszenen lebendig werden, und für alte Filme scheint er sowieso ein Faible zu haben (höre auch: Watching Old Movies). Der Text von Hairy Women läßt seinem bewährten zotigen Humor freien Lauf (ich sag‘ nur hairy nipples“ …) und Party Line ist zwar nicht ganz so rustikal gestrickt wie Emily seinerzeit, taugt aber ebenso zum fröhlichen Tanzdielenschwenker. Adam Green kann auch wie Nick Cave klingen, das beweist er mit C-Birds. Damit die Stimmung nicht zu düster wird, kontert er sich selber mit dem skurril-humorigen Animal Dreams, das kleine Reminiszenzen an die Moldy Peaches weckt. Und dann kommt schon Song Nummer zehn und man stutzt irritiert: das ist doch Cast A Shadow - Adam Green covert Jens Friebe? Ach genau, stimmt, das Original ist ja von Beat Happening und ziemlich wahrscheinlich kennt Green Friebes hübsche Version von 2004 überhaupt nicht. Trotzdem ulkig, dieses Lied mal wieder in Englisch zu hören; und dass sich auf diesen Song binnen kurzer Zeit gleich zwei Jungmänner einigen konnten, sollte Anlaß genug sein, die Ursprungsfassung mal wieder zu hören. Drugs ist eine unkaschierte Hommage an äh, Drogen, aber Adam kann sich eh‘ alles erlauben. Selbst die älteren Damen, die er an den jungen Bob Dylan und damit an ihre Jugendzeit erinnert, werden nicht schimpfen, sondern selbstverständlich darauf vertrauen, dass der pfiffige Künstler schon wissen wird, wie viel er verträgt.
Adam Greens gefährliche Jacke bietet also einiges, was zu einem abwechslungsreichen Frühjahr gehört - auch live ist er bald in Deutschland zu bewundern, mit Orchester und allem drum und dran. Green ist mittlerweile ein Superstar, kein bißchen Moldy Peaches mehr, eher der Robbie Williams des Antifolk. Und ähnlich wie The Robster oder Madonna funktioniert Adam Green am Besten als Gesamtkunstwerk: man muß ihn sehen, seine charmanten Interviews lesen, seine großen braunen Augen erwähnen. Die Musik alleine macht ihn nicht zum Star.