Jedem sein Disco-Fiasko
Also sagen wir mal so: die zweite Platte der Mediengruppe Telekommander stellt keinen Bruch in ihrem bisherigen Werk da. Näher am Menschen schließt nahtlos an den gefeierten Erstling
Die ganze Kraft einer Kultur an , damals wie heute scheuen sich Florian Zwietnig und Gerald Mandl nicht, richtig eklige Sachen in die Hand zu nehmen (wie zum Beispiel ihren Albumtitel, entliehen von einer CSU-Wahlkampagne).
Vor zwei Jahren bildeten Mediengruppe Telekommander, Von Spar und Die Türen die Speerspitze des konsum- und sozialkritischen Slogan- … - ja, was? War das Pop, Funk, Punk oder Crossover aus allem möglichen? Jedenfalls fuhren die laut skandierten, durch Megafone gebrüllten Cut-up-Texte auf wildgewordener Elektronik direkt in Köpfe und Beine und hinterließen nach ihren Konzerten regelmäßig erschöpfte Besucher, die in ihren eigenen Pfützchen standen wie Schneemänner in der Aprilsonne.
Auch Näher am Menschen hat wieder gehörig Wumms, mit Schmackes werden hier HipHop, Elektropunk und Achtzigerjahredisco durch die Lautsprecher gefeuert, es fiept und knarzt, manchmal kehrt sogar ein etwas ruhigerer Groove ein (passenderweise beim Track Mach das leiser). Tracks wie Ein kleiner Widerstand und Jedem Sein Disco (Fiasko) sind housige Groovemonster, die die Repetition genüßlich zelebrieren. Komm laß doch die Sonne rein haut den Hörern am Ende einen wahnwitzigen Gitarrenlauf (besser: -run) um die Ohren, der atemlos und glücklich macht.
Bei aller vielleicht gewünschten Nähe sind Mandl und Zwietnig nicht die „Deutschen Beastie Boys“, wie sie im Opener Bild dir deine Meinung klarmachen – und schon geht's los mit dem leicht schalen Gefühl, daß Näher am Menschen trotz aller deftig-derben Tanzbarkeit hinterläßt: Slogans wie diesen hat man einfach schon zu oft gehört, mit so einem verjährten Tabloid-Werbespruch Sozialkritik üben zu wollen, ist ungefähr so originell wie „zum Bleistift“ sagen. Weitere Beispiele kann man anführen: daß CocaCola mit „Can't Beat the Feeling“ warb, ist circa 20 Jahre her (Mein Herz), „Das Leben ist eine Baustelle“ hat auch schon einige Monde auf dem Buckel. Daß die beiden Telekommander im Track Loft oder Liebe ausgerechnet diesen Film zitieren und dann noch behaupten „and so are we“, kann nur bedeuten, daß sie verdammt lange nicht mehr im Kino waren oder (schlimmer) den Filmtitel für total angesagt halten. Oder glauben, ihr Publikum hört eh' nicht auf die Texte, weil es bei den Konzerten sowieso total laut ist.
Und damit kommen wir zur großen Stärke der Telegruppe Medienkommander (harhar, Witz komm' raus): die Show. Das Konzert. Mandl und Zwietnig live und in Farbe. Das macht alles wieder gut, versprochen.Und was brüten eigentlich Von Spar aus? Wer was weiß, bitte melden.