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August 2006


The Hidden Cameras: Awoo
Rough Trade 2006

Cover
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The Hidden Cameras: Awoo

The Hidden Cameras
Foto: Guntar Kravis

Berlin bleibt weiterhin ein beliebtes Pflaster für Auswanderer: Nun hat auch The Hidden Cameras-Mastermind Joel Gibb, ursprünglich aus Toronto, mitten in der Mark Brandenburg seine Zelte aufgeschlagen. „Awoo“ heißt das neue Album der kanadischen Band, benannt nach dem Ruf des heulenden Wolfes, den man auch in Deutschland wieder ab und zu gesehen haben will. Das Kollektiv der Hidden Cameras, reichlich bestückt mit Geigen, Celli, Orgeln, Glockenspiel und Violas, ändert so gut wie gar nichts an dem bewährten Erfolgskonzept, das da wäre: lasst den Joel ein paar Stunden in einem Zimmer allein, und er kommt mit einer Handvoll funkelnder Folksongs wieder raus. Die müssen wir dann einfach nur einspielen, es ist ein Klacks.

Nach den Vorgänger-Alben „The Smell Of Our Own“ und „Mississauga Goddam“, die den von Gibb „gay church folk“ genannten Stil auf die Höhe getrieben hatten, experimentiert die Band nun auch immer mehr mit rockigen Elementen (siehe das schöne Instrumental „Heji“). Aber auch ganz allein mit seiner Akustik-Gitarre, wie zu Beginn von „She’s Gone“, überträgt sich die Begeisterung auf den Hörer augenblicklich. Überhaupt sind die stärksten Songs auf „Awoo“ die reduzierten – ganz zuvorderst das leise „Fee Fie“ oder „Wandering“.


The Hidden Cameras live:
12.10. Hamburg, Übel und Gefährlich
25.10. Leipzig, Schaubühne
27.10. München, Atomic Café
28.10. Salzburg, Rockhouse
29.10. Wien, Wuk (A)
02.11. Erlangen, E-Werk
03.11. Berlin, Volksbühne

Mit ausufernden Kompositionen wie „For Fun“ oder „Hump From Bending“ lässt Gibb selbst Genregrößen wie Belle & Sebastian aussehen wie Miesepeter. Dass man es in den Texten mit schwulen Lebenswelten zu tun hat, ist sowieso noch niemals ausschlaggebend gewesen, um die Qualität der Hidden Cameras beurteilen zu können; daher nur konsequent, dass Gibb dieses Mal das Liebesleben in toto zu interessieren scheint, egal ob homo oder hetero.

Songs wie „Lollipop“ allerdings oder auch das titelgebende „Awoo“ klingen eher hochgradig hyperaktiv und fügen dem Eindruck, man habe es hier mit einem doch ziemlich begabten Komponisten und Arrangeur zu tun, leider empfindliche Dämpfer zu. Das aber eben ist es, was man unter „gay church folk“ auch verbuchen muss: hochkandidelte Melodien, die bei wiederholtem Hören auch schonmal kräftig auf die Nerven gehen können. In den besseren Momenten jedoch, die auf jeden Fall überwiegen, sind The Hidden Cameras auf ähnliche Weise genial wie Ben Folds oder Daniel Bejar von Destroyer. Und live natürlich sowieso immer noch eine Bank.