Interview mit Daniel Benjamin
Daniel Benjamin ist ein junger schwäbischer Songwriter, dessen selbstbetiteltes Album ganz selbstverständlich neben John Vanderslice, Bart Davenport und Ben Lee eingeordnet werden kann. Die 14 Songs auf “Daniel Benjamin” perlen locker und gefühlvoll aus den Boxen und man merkt sehr schnell: hier ist jemand, der sein Leben voll und ganz der Musik gewidmet hat. Kein niedliches Low-Fi-Geschrammel, sondern unaufdringlich schöne, ausgereifte Kompositionen, die stets überraschen und im Ohr bleiben. Stücke wie “The Face of Death” verraten eine innige Sozialisation durch angloamerikanischen Gitarrenpop, die englischen Texte unterstreichen Benjamins internationale Ausrichtung. Und da man bisher den Namen Daniel Benjamin noch recht selten gehört hat, seine Musik aber so klingt, dass ihn ganz viele Menschen ganz bald kennenlernen sollten, hat satt.org ihn zu einem Interview gebeten und der Künstler gab höchst freundlich und ausführlich Auskunft:
Du bist noch ziemlich jung, Deine Songs klingen ausgereift und lässig zugleich - wie lange hast du an dem Material gearbeitet, das jetzt auf Deiner CD zu hören ist?
Daniel Benjamin Haldern Pop, Cargo 2006
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DB: Viele Songs entstanden ganz grob innerhalb von zehn Jahren, das ist eine Arbeitsweise, die, denke ich, mein Leben lang andauern wird, weil ich immer ca. 100 Songs rumliegen habe an denen ich immer wieder feile. Die Hauptarrangementarbeit und einige Songs komplett entstanden aber innerhalb von zwei Monaten als ich die Platte aufnahm. Und das hat der ganzen Sache, finde ich, auch einen spontanen Touch gegeben.
Verrätst Du uns, wie alles angefangen hat?
DB: Gerne! Die erste musikalische Station, an die ich mich erinnern kann, war mit circa sechs Jahren, als ich auf einer Musik-Freizeit, die mein Vater leitete, ein kleines Kammerorchester an den Bongos begleitete. Ich muss die Mitmusiker furchtbar genervt haben, aber soweit ich mich erinnern kann, hat's den Zuschauern gefallen, natürlich nur weil ich so klein war. (lacht) Mit ungefähr 12 Jahren fing ich an, selbst Musik aufzunehmen. Ich hatte einen alten Kassettenrekorder, der irgendwie kaputt war und beim Aufnehmen
die vorigen Sachen nicht löschte und so kam ich auf die Idee, verschiedene Instrumente einzeln hintereinander aufzunehmen. Mit 16 hatte ich mein erstes 8-Spur Gerät und seither sammle ich Equipment und nehme meine eigenen Lieder auf. Natürlich hatte ich auch noch ein paar Bands zwischendurch. Im Frühjahr 2003 entschloss ich mich, dass ich eine Art Soloprojekt starten wollte, indem ich komplett auf mich alleine gestellt Musik machen und auftreten konnte. So musste ich nicht mehr auf weniger motivierte Mitmusikanten Rücksicht nehmen, das wollte ich nicht mehr. Ach ja, und dann war natürlich noch 1997 mein unglücklicher Abgang von der Schule. Ein Jahr später war der Zeitpunkt gekommen, an dem ich wusste, dass ich von der Musik leben will und auch nichts anderes kann.
Dein Auftritt beim diesjährigen Haldern-Pop-Festival wurde allenthalben schwer gelobt - hast du den Auftritt auch als Erfolg empfunden?
DB: Oh wirklich? Gut zu hören. Für mich war der Auftritt auf alle Fälle ein Erfolg. Wenn man dran denkt, wie früh wir gespielt haben und dass das ganze Zelt voll war mit Leuten, die wegen unserem Auftritt gekommen sind, ist das echt eine tolle Sache.
Bands wie die Woog Riots operieren in einem regelrechten Netzwerk von befreundeten Musikern, helfen sich live auf der Bühne aus, etc. - bist Du auch in einem solchen Musiker-Netzwerk?
DB: Ja. Obwohl wir momentan eine feste Band sind und das hoffentlich auch bleiben, habe ich meine Lieder mit schon über 30 verschiedenen Musikern auf der Bühne gespielt und werde auch weiterhin spontan Leute einbauen. Zum Beispiel auf unserer Tour mit John Vanderslice haben wir bei zwei Konzerten ihn und seine komplette Band für ein Lied auf die Bühne geholt und es war ein Riesenspass.
Spielst du lieber live oder bastelst du lieber allein im Studio?
DB: Die Balance aus beidem gefällt mir am besten. Momentan bin ich sehr viel am Spielen und obwohl mir das rumfahren in der Landschaft sehr viel Spass macht, freue ich mich auch auf ein paar ruhige Monate, in denen ich einfach wieder aufnehmen kann.
Wie komponierst du? Erst Musik oder erst Text?
DB: Kommt beides vor. Meistens zuerst die Musik. Oft schreibe ich aber auch Texte in mein Notizbuch, ohne daraus sofort ein Lied zu machen und irgendwann gibt es 'ne Melodie mit der der Text gut funktioniert.
Würdest Du Dich als klassischen Singer/Songwriter bezeichnen oder ist dir der Begriff zu eng?
DB: Wenn man an die ursprüngliche Bedeutung des Singer/Songwriter-Begriffs denkt, finde ich die Bezeichnung gut. Als der Begriff aufkam, war es nicht üblich, dass die "Stars" ihre Songs selber geschrieben haben. Und für damalige Verhältnisse war es schon eine Art Revolution, dass es plötzlich diese Typen gab, die alles selber in die Hand nahmen: das Liederschreiben, Singen, auch das Produzieren und ich würde schon sagen, obwohl das heutzutage durchaus gängig ist, dass es wichtig ist, diese Tradition zu pflegen.
Eine Frage zur selbstgebastelten Eule im Cover: willst du dich bewusst vom glammy und toughen Popstarmodell distanzieren und etwas anderes dagegensetzen? (Klappt man das CD-Cover auf, poppt einem eine Pappeule entgegen, Anm. cm)
DB: Oh, soviele Gedanken hab ich mir gar nicht gemacht. Zu allererst denke ich immer, dass ich etwas besonderes möchte. Und als ich dann die Idee mit der Eule hatte, kam eins zum anderen, zum Beispiel auch der Gedanke dass es eben billiger ist, ein Album selber zu basteln. Obwohl ich mir ja im Nachhinein nicht mehr sicher bin ob das wirklich zutrifft. (lacht)
Warum textest du in Englisch (auch die Linernotes auf deiner CD sind in Englisch) - ist dir eine internationale Ausrichtung wichtig oder ist Englisch einfach die Popsprache?
DB: Ganz genau! Also beides. Deutsch finde ich grundsätzlich nachteilig. Deutsch eignet sich nur als Stilmittel für kühle Musik, so wie sie Superbands wie Kraftwerk, Aim Of Design oder Abwärts bombig rüber bringen, aber alles was melodischer ausgerichtet ist und dann einen deutschen Text hat, klingt für den Rest der Welt wie für uns Polnisch: ziemlich hart und aggressiv. Die internationale Ausrichtung war für mich gleich zu Anfang an ganz wichtig, da ich sofort auch im Ausland gespielt habe. Ich frage mich immer, wie kann man, wenn man wirklich von der Musik leben möchte, sich selbst durch ausschliesslich deutsche Texte ein Bein stellen?
Wer sind Deine Vorbilder?
DB: Ziemlich viele. Obwohl ich rein musikalisch gesehen beispielsweise nicht wirklich Parallelen zu Beck sehe, ist er definitiv ein Vorbild, was die Vielseitigkeit anbelangt. Ich meine, ich bin ja ziemlich am Anfang, aber ich kann jetzt schon sagen, dass ich mein ganzes Leben lang sehr stark daran interessiert bin, viele verschiedene Richtungen auszuprobieren. Musikalische Vorbilder ändern sich bei mir von Tag zu Tag, wobei "ändern" vielleicht der falsche Ausdruck ist, die Liste wird eben länger. Ein paar Sachen, die ich momentan sehr oft höre kann ich gerne aufzählen: die neue DJ Shadow finde ich bisher seine beste und zwar gerade deswegen, weil er sich nicht, wie alle hofften, weiterentwickelt hat, sondern weil die Melodien und Stimmungen intensiver geworden sind. Dazu kommen Common Bond, Crumbächer und They Might Be Giants aus den für mich immergoldenen 80ern. (Überlegt lange). Die Brandenburgischen Konzerte vom Johnny und eine 1-Euro-Schallplatte mit Jiddischen Volksliedern sowie Yo La Tengo, Sparklehorse und Stereolab gerade mal wieder, weil ich von denen einige alte Sachen ziemlich günstig gefunden habe (hehe). Wer mich auch sehr inspiriert, sind Freunde wie Stefan von Haldern Pop oder Keule von BluNoise, das sind einige wenige Beispiele, bei denen Kunst, Musik und Ideen vor dem Interesse am Geld stehen und die persönlich soweit gereift sind, dass ich davon ausgehe, dass sich das in ihrem Leben nicht mehr ändert. Etwas, dass die Menschen von mir irgendwann auch behaupten, hoffe ich.
Ich habe ein Interview mit dir gefunden, in dem du dich explizit als Christ "outest"; Religionsbekenntnisse gelten als extrem uncool im Pop - sprechen dich Leute darauf an, wie reagierst du, spielt dein Christsein überhaupt eine Rolle für Deine Musik?
DB: Haha, "outen" ist genau das richtige Wort. Wenn mich jemand fragt, ob ich gläubig bin, sage ich dann natürlich, dass ich Christ bin, wobei ich leider auch gezwungen bin, "Christ" zu definieren. Meine Definition des Wortes und warum ich an dem Begriff festhalte, ist, dass ich es auf Christus beziehe und seine Lehre. Und eben nicht auf das Christentum. Das Christentum ist von jeher eine organisierte Enttäuschung gewesen und damit möchte ich nichts zu tun haben. Das Thema an sich in Interviews öffentlich anzuschneiden, hat keinen Sinn, weil schon alleine diese kleine Antwort im Interview den Leser dazu bringt, irgendwas zu interpretieren, was gar nicht interpretiert werden soll und sich eine Meinung zu bilden, wo gar keine Meinung nötig ist. Aus dem Grund spielt für mich in der Öffentlichkeit mein Christsein keine Rolle, auch nicht in meiner Musik. Persönlich gesehen jedoch
eine grosse. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Liebeslied. Wenn ich für meine Frau ein Liebeslied schreibe, verpacke ich das in eine Form, die jeder Zuhörer verstehen kann, ohne unangenehm berührt zu sein, weil es vielleicht zu persönlich ist. Persönlich kann ein solches Lied die Welt für mich bedeuten und der Zuhörer merkt das auch. Aber er kann es trotzdem geniessen, auch wenn er nicht in dieselbe Frau verliebt ist und er kann es, ohne weiter nachzudenken, einfach so stehen lassen. Wie hoffentlich auch der Leser die Antwort auf diese Frage.
Religion, Politik, Liebe und Gewalt: gibt es Themen, von denen du denkst, dass Musiker ihre Finger davon lassen sollten?
DB: Nein ich finde es sehr interessant, wenn Musiker Themen aufgreifen, vor allem natürlich, wenn sie etwas aussergewöhnlich sind. Meiner Meinung nach ist Musikhören eine der wenigen Beschäftigungen im Alltag, die das Nachdenken noch fördern kann. Zumindest, wenn man bewusst Musik hört. Und da unserer Gesellschaft sowieso gerade das Nachdenken gestohlen wird, ist es sehr wichtig, alle Themen innerhalb von Musik zu verarbeiten.
Bernd Begemann sagt, er würde deswegen kein Buch schreiben, weil er die Musik zu sehr liebt: kannst du dir künstlerische Betätigung neben der Musik vorstellen?
DB: Ja kann ich. Ich meine, auch wenn ich mich nicht als grossen bildenden Künstler sehe, versuche ich immer, zu meinen Veröffentlichungen auch ein entsprechendes Artwork selbst zu machen. Und Bücher schreiben ist eine Sache, für die ich definitiv noch zu wenig Lebenserfahrung habe, aber trotzdem sammle ich schon mal Ideen und Gedanken. Auch Videomachen interessiert mich sehr. Leider habe ich letztes Jahr meine Kamera auf dem Dampfer nach Griechenland liegenlassen, aber sobald ich mir wieder eine leisten kann, werde ich deutlich mehr Videoclips selber drehen.
Wünschst du dir mehr Unterstützung vom Staat oder wem auch immer für junge Musiker?
DB: Ich habe mich erst heute mit einem Freund aus den USA drüber unterhalten, habe ihm von der GEMA erzählt und er meinte, darauf kann kann er nur neidisch sein. Dort gibt es gar nichts in dieser Richtung. Natürlich haben wir hier keine skandinavischen Verhältnisse, aber Deutschland ist wirklich ziemlich weit oben in Europa, was das anbelangt. Trotzdem muss man sich auskennen, wissen, wie die Bürokratie so tickt. Man muss wissen, was einem zusteht und sich darum kümmern, dass man das auch bekommt. Leider weiss fast kein "kleiner Musiker" in Deutschland, wieviel Geld ihm zusteht und dass er, wenn er viel live spielt, allein von der GEMA leben kann. Das liegt wiederum an der oben genannten alten rostigen Business-Maschine, die alles daran setzt, uns zu verklickern, dass es nichts besseres gibt, als unsere Verlagsrechte für 'ne Packung Kippen zu verscherbeln.
Glaubst Du, Deutschland ist besonders verkrampft im Umgang mit jungen Popmusikern?
DB: Jau, natürlich. Trotz allem ist die deutsche Gesellschaft, was Gesetze anbelangt, auch “verkrampft fair”, das heisst, ob du jetzt Hansi Hinterseer heisst oder als Karlo Kool durch die Clubs tingelst, hast du dieselben Rechte.
"Young, talented and unsuccessful" steht auf deiner MySpace-Seite – was wäre ein Grund für Dich, mit der Musik aufzuhören? Oder ist das unvorstellbar? Zur Zeit geistert der Begriff "Prekariat" durch die Medienlandschaft, der auch Künstler meint, die nicht von ihrer Kunst/Musik leben können. Zählst du dich auch zum "Prekariat"?
DB: Nein! Dieses "young, talented and unsuccessful" ergibt nur im gesamten Text einen Sinn (Bitte, lieber Leser, kurz unter: www.myspace.com/danielbenjamin selbst nachlesen). Es geht darum, dass uns Musikanten heutzutage vom Musikbusiness erzählt wird, dass wir
das seien, was du, glaube ich "Prekariat" nennst, obwohl ich den Begriff noch nie gehört habe. Neulich hat mir der Besitzer eines Studios erzählt (dessen Tagessatz bei 500,- Euro liegt), dass man in Deutschland als “kleiner Künstler” einfach nicht mehr von der Musik leben kann. Genau dasselbe haben mir Leute von Majorplattenfirmen erzählt. Und im nächsten Satz: “bevor wir nicht 15.000 Kopien pro Album von einem Künstler verkaufen, kann dieser kein Geld sehen” (abgesehen von einem lächerlichen Vorschuss). In diesen zwei
Aussagen steckt schon die gesamte Kacke: Das Musikbusiness geht heutzutage davon aus, dass der Produzent, der Engineer, der Manager, der Booker, der Verlag und die 100 Angestellten der Plattenfirma alle erst ihren vollen Lohn erhalten, bevor der Musiker auch nur einen Euro sieht. Seit Anfang der 90er läuft das so und langsam gibt es genügend Beweise (und ich bin nur ein ganz kleiner), dass das eine Lüge ist. Ich habe schon Jahre bevor ich eine Plattenfirma und einen Booker hatte, von der Musik gelebt. Natürlich wird meine Best-Of-CD mal heissen "Der Weg war lang". Aber auf meinem Weg war es so, dass mein Label und meine Bookingagentur als Unterstützer zu mir gestossen sind und nicht als Frontalcrash, den ein paar Glückliche mit einer riesigen Versicherungssumme überleben.
Diese ganze Geschichte ist viel zu verzwickt, um hier genauer drauf einzugehen, ich kann nur sagen, wenn du als Musiker etwas gutes zu bieten hast und keine andere Wahl hast, als davon zu leben, dann wird es funktionieren. Du darfst nur nicht darauf warten, dass ein anderer irgendetwas für dich übernimmt.