Exerzitien und Konzepte
The Monks “Demo Tapes 1965”
4 Torquays mit langen Haaren und Karl Heinz-Remy
Fotos: Gary Burger © Play Loud! & The Monks
Unter dem Messer: The Monks
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Beim Schurkenbankett des Rock sitzt er ganz weit vorne, der Typus des bösen Managers. Statt Noten liest er Bilanzen, wo anderen ein Herz schlägt, klimpert bei ihm die Kasse. Mit der er sich aus dem Staub macht, sobald die Gelegenheit günstig ist. Seine Schützlinge lässt er im Regen stehen, wenn ihre Kreativität gemolken ist. Im Falle der Monks, der Band, die mindestens zehn Jahre zu früh kam, sieht, wie es sich für eine Ausnahmegeschichte gehört, alles anders aus. Als das Unternehmen nach nur einer Platte, der legendären Black Monk Time, grandios scheitert, stehen alle Beteiligten im Regen. So auch Walther Niemann und Karl-Heinz Remy, Manager und Stichwortgeber des Quintetts, das mit ihnen eigentlich ein Septett, die erste Konzeptband der Rockmusik war.
Frühjahr 1965, Westdeutschland: Die Clubs, in denen die 5 Torquays, eine Band aus ehemaligen GIs, das Land mit Coverversionen bespielen, tragen so schöne Namen wie Odeon Keller, Regina Bar oder Rio Bar. Gary Burger, Larry Clark, Dave Day, Roger Johnston und Eddie Shaw sitzen in letzterer und langweilen sich. Sieben Nächte pro Woche absolvieren sie auf der Bühne, Routine hat sich breitgemacht. Shaw, der Bassist der Band und stets auf der Suche nach wichtigen Leuten im Publikum, erspäht zwei Typen mit Anzug, Krawatte und Kurzhaarfrisuren: Niemann und Remy. So konservativ sie ausschauen, so radikal sind sie. Die zwei Werbefachleute, vertraut mit moderner Kunst und Philosophie, suchen eine Rockband, die sie managen können. Anders soll sie sein, gefährlicher und härter. Reduzierter als die Rolling Stones, die den beiden bereits Barock sind, wütender als die Beatles, in ihren Ohren Musik für Großmütter. Die 5 Torquays, eine Band auf der Suche, kommen da gerade recht.
The Monks:
Demo Tapes 1965 Play Loud! 2007
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Silver Monk Time; A Tribute to the Monks Play Loud! 2006
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Niemann und Remy besuchen sie auf ihren Proben. Führen mit ihnen lange Gespräche über Kommunikation, Zorn, Image und Minimalismus: “Ihr spielt die Musik der Zukunft. Und die Musik der Zukunft wird nicht freundlich sein.” Die Band ist anfangs skeptisch. Fürchtet die Reaktionen des Publikums, das seine geliebten (und gewohnten) Coverversionen hören will. Auf der anderen Seite steht die einmalige Gelegenheit, etwas völlig Neues, noch nie Gehörtes zu schaffen. Die Neugierde siegt, und langsam nimmt sie Gestalt an, die Zukunftsmusik. Direkt und rhythmisch ist sie. Die Stücke werden kürzer, halten sich nicht mit langwierigen Intros auf, sondern überfallen den Hörer von der ersten Sekunde an. Niemann und Remy schlagen Dave Day vor, anstelle der Gitarre ein elektrisch verstärktes Banjo zu verwenden. Der metallische Sound des Instruments wird, neben der Orgel, stoischen Stakkato-Rhythmen auf dem Schlagzeug und hysterisch gesungenen, dadaistisch subversiven Texten, zum Markenzeichen der Band werden. Im September 1965 ist es soweit: Die 5 Torquays nehmen in den Ludwigsburger Bauer Studios ein Demotape auf, das den Plattenfirmen zugeschickt werden soll.
Einen Tag Zeit haben sie dafür, von 8 Uhr 30 in der Frühe bis 19 Uhr 30. Die Zukunft des Rock'n'Roll hat einen normalen Arbeitstag. Mit allen dazugehörigen Ritualen: Die Besatzung des Studios kocht Kaffee, Niemann und Remy besorgen zum Mittag Sandwiches im nächsten Laden. Und sorgen dafür, dass das fertige Produkt zu Philips geschickt wird. Wo man mit den zehn Songs nichts anfangen kann. Die Ablehnung kommt im Oktober. Bei Polydor zeigen sich die Verantwortlichen aufgeschlossener. Nicht zuletzt durch Jimmy Bowien, den jungen Produzenten Franz-Josef Degenhardts. Bowien erinnert sich: “Es klang so dermaßen ungewohnt, dass ich dachte: Du musst diese Band produzieren. Ich mochte, wie Niemann und Remy hinter dem Projekt standen. An der Musik faszinierte mich ihre Archaik. Es war fast schon Industrial. Die Texte hatten mit dem üblichen Lovesong-Schema wenig gemein. Und die Manager sagten mir, dass an ihnen noch gefeilt werden würde. Klar, diese Aufnahmen waren noch unfertig. Sie waren noch nicht die Monks, trugen auch noch nicht ihre Tonsuren. Aber es war bereits zu hören, was daraus werden sollte.”
Über vierzig Jahre später liegt er jetzt vor, der unverzichtbare Werkstattbericht aus dem Jahre 1965, als der Rock'n'Roll sich anschickte, seinem Versprechen Taten folgen zu lassen. Charmant, fast noch schüchtern klingen diese Entwürfe: Monk Time, die Hymne der Band, kommt noch ohne Protest gegen den Vietnamkrieg daher. Stattdessen ist die Rede von “Kissing Time”. Complication und Shut Up, zwei ihrer großartigen Statements, fehlen völlig. Dafür kriegt der Sammler Pretty Suzanne und Hushie Pushie, die es nicht auf Black Monk Time schaffen sollten. Blast Off!, der Song, den die Dead Kennedys bei der Aufnahme zu Holiday In Cambodia gehört haben könnten, erscheint als Space Age. I Hate You und Oh, How To Do Now überwältigen bereits so zwingend wie ein halbes Jahr später in ihrer fertigen Gestalt. Wer noch einen weiteren Blick zurück werfen will, kann dies tun mit There She Walks / Boys Are Boys, der ersten, einzigen und raren Single der 5 Torquays. Gleichzeitig ein Hinweis auf den langen Weg, den die Monks vom Beat ihrer Tage zur Vorwegnahme von Punk und Techno beschreiten sollten. Walther Niemann und Karl-Heinz Remy, die dabei mehr als nur den Kompass hielten, sind, so scheint es, in der Anonymität verschwunden.