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Mai 2007
Christina Mohr
für satt.org

Interview: The Slags


The Slags: Run Free
(Blu Noise/Slag rec/Alive)

The Slags: Run Free
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The Slags sind wieder da! Wer sich jetzt fragt, „hä, wer sind die Slags?“, dem sei so viel verraten: The Slags aus Frankfurt am Main waren zwischen 1991 und 1995 die einzige und beste hart rockende Frauenband Deutschlands. Sie zogen um die Häuser, spielten sich die Finger wund und sahen dabei auch noch gut aus. Sie liessen sich vor keinen Karren spannen, waren weder Teil einer Jugendbewegung noch Riot Grrls á la L7 oder Babes in Toyland, obwohl stilistische und inhaltliche Aehnlichkeiten durchaus erkennbar sind. Eine Zeitlang waren sie richtig erfolgreich, Sony brachte ihr erstes Album heraus, doch 1996 war Schluss. Die Slags trennten sich und gingen zehn Jahre lang eigene Wege – verschlungene und verworrene zuweilen. Familien wurden gegründet, elektronische Musik gemacht, fremde Länder bereist und Entzugskliniken aufgesucht. Dann an Silvester 2005 eine schwesterlich-aufrührerische SMS: „Wollen wir's mal wieder mit den Slags versuchen?“ Man traf sich und fand: Wir machen's! Im Juni 2006 wurde im BluBox-Studio (BluNoise-Records/Troisdorf - „Noisedorf“, Ihr erinnert Euch) das Album „Run Free“ aufgenommen, das nun endlich erschienen ist. Elf Songs, die klingen, als seien die Slags nie in Elternzeit gewesen: rockig, wild, elegant, rebellisch. Zu neuen Taten bereit. Hier ein ausführliches Interview mit allen vier Musikerinnen über damals, heute und das Leben an sich.

CM: Habt Ihr das Gefühl, mit den Slags "Geschichte" gemacht zu haben - als deutsche Frauenrockband? Immerhin wart/seid Ihr ganz schön berühmt …

Conni: Das mit der „Berühmtheit“ lässt sich schwer einschätzen, woran macht man das fest? Es war irgendwo was besonderes oder ist es jetzt wohl auch noch, obwohl es ja heutzutage mehr Rockbands mit weiblicher Besetzung gibt.
Es war nie so, dass wir wirklich viele CDs verkauft hätten oder das Ganze sich finanziell gelohnt hätte, wir haben ohne Ende Schulden gemacht, die wir zum Teil heute noch abzahlen.
Aber es hing auch viel Herzblut dran, wir haben viel Energie und Zeit reingesteckt und hatten unsere Fans, vielleicht waren die Slags so was wie `ne Mini-Sekte …

Anja: „Geschichte“ ist ein grosses Wort, wir merken jetzt erst so langsam, welche Spuren wir hinterlassen haben. Damals hat uns das nicht interessiert.

Bine: „Geschichte“ …. wir haben uns sechs Jahre lang den Arsch abgespielt und die Sache immer sehr ernst genommen. Wir sind viel unterwegs gewesen, schau' dir nur mal unsere Tourpläne aus den 90ern an! Wir hatten Riesenspass, aber es gab auch deprimierende Momente – das hat bei einigen bleibende Schäden hinterlassen, inklusive bei mir und es gibt Leute, die tragen heute immer noch ihre Slags-Shirts! Ich bin immer hin- und hergerissen, es gibt Erfolge, zum Beispiel wenn wir im Studio superschnell vorankommen, oder eine tolle Rezension, oder wenn ein Fan total glücklich ist, dass es uns wieder gibt – aber manchmal, wenn' s kriselt oder wenn wir blöde Besprechungen bekommen, oder ein Gig total vergeigt ist wie kürzlich der in Köln, dann verliere ich komplett die Lust. Mir ist wichtig, dass ich mich wohlfühle, ich bin keine Schauspielerin. Ich bin authentisch und das kann auch bedeuten, dass ich einfach aufhöre, etwas zu tun, wenn es ein fauler Kompromiss wäre.

Suse: Ich denke schon, ganz unbescheiden!

CM: Würden die Slags auch mit männlichen Mitmusikern funktionieren?

The Slags


The Slags:
Conni (Constanze Maly, Gitarre)
Anja (Anja Kraft, Bass)
Bine (Sabine Morgenstern, Gesang + Gitarre)
Suse (Suse Michel, Drums und Backingvocals)


Alben/Discographie:
Everybody Seems to Know (1991)
So What (1992)
Alive, Unchained & Out of Money (1994)
Turn On, Tune In, Drop Out (1995)


The Slags


Fotos © Hotel Dieux

Suse: Nein!

Bine: Wozu?

Conni: Wir hatten auch mal einen Schlagzeuger, allerdings war Bine gerade ausgestiegen, das waren nicht mehr wirklich die Slags …

Anja: Die Slags funktionieren nur mit sich selbst.


CM: Seht Ihr Euch als Rebellinnen? hat Euch in den Neunzigern der Begriff "Riot Grrls" gefallen?

Conni: Ich denke, da gibt’s in der Band ziemlich unterschiedliche Sichtweisen. Für mich war schon ganz klar das Rebellische dabei. So von wegen, 'ich hau ab aus Regensburg und mach jetzt bei den Schlampen in Frankfurt mit und ihr könnt mich alle mal am Arsch lecken …' Das Thema Riotgirls kam eigentlich erst später auf - oder war es zeitgleich? Jedenfalls haben uns dann alle mit dazu sortiert und wir oder zumindest ich dachte, 'was is?n das jetzt wieder für ne Schublade??' Ich denke, wir hatten keinen politischen Anspruch, wir wollten eher den Kerls zeigen, dass Mädels auch rocken können. Und so ' n bisschen wollten wir das mit dem Rock'n'Roll- Lifestyle auch, ich nehme mir, was für Jungs selbstverständlich ist. Im Prinzip eine Art angewandter Feminismus, würde ich sagen, ohne dass wir uns offiziell dazu bekannt haben. Feminismus hat man damals als männerfeindlich, dogmatisch und irgendwo unsexy gesehen, und wir haben uns damals auch eher davon distanziert.
Jetzt, 15 Jahre später, hat sich im Feminismus eine Menge getan, zum Beispiel mit den Ladyfesten wurde der Riotgirl-Gedanke in Europa noch mal neu aufgearbeitet und es gibt auch eine neue Generation von Feministinnen, vom Alter her eher meine Generation. Es gibt auch mehr Verbindungen zwischen Kultur und Politik, Studieren und Party. Aber trotzdem ist es immer noch schwer unter einen Hut zu bringen: oftmals hat man nicht die Zeit, um Musik zu machen und dann noch drüber zu diskutieren, zu schreiben, Zeitungen zu machen …Aber beim Ladyfest in Frankfurt mitzumachen, war für mich schon wichtig, einfach als Prozess, aber auch, um meine Vergangenheit als Musikerin aufzuarbeiten und ein Musik- und Forschungsprojekt wie Mamabitch zu machen, für das ich sonst keinen Ort zur Veröffentlichung gesehen hätte …

Anja: Rebellion war für mich nicht angesagt. Es war einfach klasse, mit den Slags endlich eigene Stücke zu spielen, bei denen jede ihren Teil dazugeben konnte. Das war vorher für mich so nicht möglich, die Slags waren auch erst meine zweite Band. Bassspielen habe ich mit den Jungs „davor“ gelernt.

Bine: Den Begriff „Riot Grrls“ fand ich gut, schon deshalb, weil es toll ist, wenn an verschiedenen Orten zeitgleich ähnliche Dinge passieren. Ich persönlich habe meinen Emanzipationsprozess durchlebt und ich kann nicht nachvollziehen, dass es Frauen gibt, die nicht emanzipiert leben wollen. Ich habe meinen Traum verwirklicht, Erfolg muss nicht materiell sein. Wir haben einfach getan, was wir tun mussten und haben uns ganz gut verkauft. Aber ohne den Arsch hinzuhalten, Du weisst …

Suse: Wir sind Rebellinnen des Alltags, praktisch, nicht theoretisch! Von Geburt an!

CM: Gab/gibt es Publikumsreaktionen - so nach dem Motto: für `ne Frauenband seid Ihr ganz schön gut oder so ähnlich?

Bine: Gähn, ja klar.

Suse: Anfangs ja, nach dem Konzert nicht mehr.

Conni: Ja, solche Reaktionen gab's schon. Das macht irgendwo stolz, ist aber immer auch komisch, weil es dieses für-Mädels-nicht-schlecht- Ding beinhaltet. Aber es ist schon geil, wenn Leute einem sagen, dass sie noch nie eine Frau so Gitarre haben spielen sehen.
Dann denkt man, 'o.k., es ist doch wohl was wert, bloss, was genau ist es wert? Davon leben kann ich nicht, und manchmal fühlt man sich ganz schön alleine …Wäre ja auch schön, wenn es normal wäre, sich mit anderen Musikerinnen auszutauschen, die auch härtere Musik spielen. Aber leider ist es (noch) nicht soweit, jedenfalls nicht hier in Frankfurt.

CM: Oder bekommt man als Frauenband mehr Aufmerksamkeit als die Jungs?

Conni: Kann schon sein, zum Teil guckt das Publikum aber auch kritischer, am Anfang war?s jedenfalls so. Wir sind ja über die Jahre hinweg besser geworden und dann ist es nicht mehr nur der Tittenbonus, der zählt!

Anja: Das war wohl so, es ging ja auch alles sehr schnell ab der ersten Single: Gleich das erste Stück auf dem Frankfurt-Sampler von Sony! Das war schon ein rascher Durchmarsch, bei dem aber auch viel auf der Strecke blieb, zum Beispiel unsere erste Gitarristin, für die war alles bald zu viel.

Bine: Vielleicht ist das so, vielleicht haben wir einen Quotenfrauen-Status gehabt. Aber in erster Linie entscheidet die Persönlichkeit der Band: weiblich, ein Unikat mit eigener Seele.

Suse: Nein! Am Ende zählt nur gut oder nicht gut!

CM: Wie fühlt es sich an, wieder mit den Mädels von damals Musik zu machen? Gibt es Spannungen oder hat es gleich wieder geklappt?

Conni: Es fühlt sich gut an, wie nach Hause kommen oder Sex mit dem Ex. Es war toll, mal wieder einen richtigen Marshall zu spielen und es kam mir zum Teil wie im Traum vor oder wie ein Film.
Die Slags sind für mich eine eigene Welt mit einem Erfahrungsschatz und Erlebnissen, die einem niemand nehmen kann. Für mich ist es auch so'n Schwesternschaft- oder Amazonending und hat fast schon ideologischen Wert. Vielleicht ist es bescheuert, aber es geht um die Illusion, in einer Männerwelt wie dem Rock' n'Roll die Rollen umzudrehen … 'Don't be the gilrfriend of the guitarplayer, be the guitarplayer', also das, worauf sich auch das Ladyfest bezieht.
Realistisch betrachtet, ist es nicht immer einfach, die Illusion aufrecht zu erhalten. Musikmachen und ein eigenes Label zu betreiben ist verdammt viel Arbeit und braucht Zeit und Musse. Wir sind auch alle anderweitig sehr eingespannt mit Arbeiten, Kids, Family, undsoweiter. Man braucht auch Zeit für Kommunikation und Austausch, damit nicht wieder alte Konfliktmuster einrasten.
Eine Band ist immer auch ein Stück weit Gruppentherapie und Beziehungsarbeit, vor allem wenn's mal nicht so gut klappt. Wir müssen uns immer genau überlegen , was wir eigentlich wollen und was nicht. Eine Band ist auch wie eine Ehe, nur dass wir heute keine Verträge mehr haben, die uns binden, sondern das freiwillig eingehen und jederzeit alles in Frage stellen können …Man muss dran arbeiten.

Anja: Für mich war es schon toll, gerade nach den ersten Resonanzen. Aber auch schwierig, weil mein Bass seit dem Ende der Slags in seinem Koffer eingemottet war und ich eigentlich wieder von vorne anfangen musste. Und dann muss man sich immer wieder selbst zur Ordnung rufen, dass heute keiner mehr wirklich was von uns will, dass wir alles nur zum Spass machen und dass wir vorsichtig sein müssen, um nicht wieder in alte Muster zu verfallen. Auch heute gibt es immer wieder Spannungen, die noch aus alten Zeiten stammen. Es war auch manchmal anstrengend, so lange und eng aufeinander zu hocken.

Bine: Es gibt Punkte, die kann nur deine Band zu einem wunden machen.

Suse: Die Slags-Pause war nötig

CM: Die Zeit "dazwischen", also zwischen Bandsplit und Neuanfang: fühlt man sich wie auf Entzug, wart Ihr froh, dass die Slags beendet waren, was habt Ihr gemacht?

Conni: Ich war froh, aus den alten Verträgen und all dem rausgekommen zu sein. Bine war ja schon vorher weggegangen. Ich wollte nur frei sein, tanzen, Party machen, psychedelische Drogen nehmen und keine Verantwortung haben. Und alles selber machen, unabhängig sein, meine eigene Musik machen, neue Leute und Szenen kennenlernen. Bin in die Frankfurter Partyszene reingeraten, die damals erst entstanden ist und habe dann angefangen, elektronische Musik zu machen als Lava303. Das ging aus einer Sessionband mit den Slags (Lava Enterprise, später Novadrive) hervor. Ich wollte Musik für den Dancefloor machen, elektronische Sounds haben mich interessiert. Ich habe dann auch Festivals mitorganisiert, CDs und Texte produziert ….
Als mir die Parties in Deutschland zu langweilig wurden, bin ich mit Freunden nach Exjugoslawien gefahren. Jedes Jahr sind wir dort hingefahren und haben Musik gemacht, in Camps gearbeitet und auch Festivals mitorganisiert. Auf einer dieser Balkantouren wurde ich schwanger, die Beziehung mit dem Kindsvater war eine Kathastrophe, er hat das mit dem Musikmachen einfach nicht verstanden, er war der Meinung, ich müsste mich nur für das Kind und ihn interessieren. Aber Musikstücke sind auch wie Kinder, die einen beschäftigen. Das Produzieren war mein Seelentrost, meine Mutter war gestorben und ausserdem bin ich als Amazone eher der Freien Liebe als monogamen Zweierkisten zugetan.
Irgendwo unterwegs mit meinem durchdrehenden Kindsvater in den Bergen in Albanien dachte ich mir: 'Fuck die ganze Scheisse. Ich will, dass es ein Ladyfest in Frankfurt gibt und ich will wieder mit den Slags spielen!' Dann hab ich mit ihm endgültig Schluss gemacht. Als Liveact alleine Rumzuwursteln und zu touren, ist auf Dauer anstrengend. Ich dachte, dass man alleine so wenig bewirken kann und dass ich wieder mehr was mit Leuten, vor allem mit Frauen zusammen machen will. Als ich zurück nach Frankfurt kam, erfuhr ich, dass Freundinnen angefangen hatten, ein Ladyfest zu planen und zwei Monate später hat sich Suse wegen der Slags bei mir/uns gemeldet - per sms, ob wir wieder mal eine Session machen wollen …

Anja: Ich war froh, nicht mehr von der Band fremdbestimmt zu sein, was Freizeit und sonstiges angeht. Schon vor dem Ende der Slags hatte ich angefangen, für die Batschkapp zu arbeiten. Meine Aufgaben waren – wie in der Band – die Organisation im Hintergrund, sich mit Finanzverwaltung, GEMA, dem Verlag und allen Dingen, die auch erledigt werden müssen, rumzuschlagen. Zusätzlich zur Arbeit im Club habe ich mir noch eine Familie angeschafft. Zu der kam auch noch ein Pferd dazu. Tja, und hier stehe ich jetzt und weiss eigentlich kaum, wo mir der Kopf steht … schau'n wir mal, wie's weitergeht!

Bine: Eigentlich wollte ich nie wieder was mit „denen“ zu tun haben. Ich habe versucht, irgendwas für mich zu finden, aber ich habe die Zeit „dazwischen“ mit Drogennehmen, viel viel trinken, feiern, tanzen und Grenzerfahrungen-machen verbracht. Ich war überall dabei … auch in der Notaufnahme (ich selber) und auf dem Friedhof (eine Freundin hat sich quasi totgefeiert). Ich konnte nicht wirklich unterscheiden, was gut oder schlecht ist. Ich habe aber auch lustige Sachen gemacht: zum Beispiel eine Forschungsfahrt um die Kanaren, da habe ich einen englischen Seemann vernascht! Und ich bin mit meiner Videokamera durch die Gegend gelaufen und habe eine Stadt erfunden: Lutschitown … is everywhere. Im Jahr 2000 habe ich wieder angefangen, regulär zu arbeiten, im Sommer 05 habe ich eine Entgiftung mit anschliessender Langzeittherapie gemacht – da habe ich schon wieder mit den Slags gespielt. Mir ist es wichtig, im Leben weiterzugehen und sich Fehler einzugestehen. Es wäre definitiv einer gewesen, keinen Schlussstrich unter die Drogenzeit zu ziehen. Ich bin noch ganz gut davon gekommen und habe alles relativ schadenfrei überstanden.

CM Wie wichtig ist Frankfurt für Euch? Ich frage, weil sich so viele Musiker aus der "Provinz" (okay, Frankfurt ist natürlich keine Provinz) dann doch nach Berlin oder Hamburg absetzen.

Conni: Das ist eine interessante Frage, über die ich schon oft nachgedacht habe. Als ich schwanger aus dem Kosovo zurückkam und ein Freund sagte, 'komm doch nach Berlin', war ich kurz davor. Aber dann dachte ich mir, da hockst du dann mit deinem Kind zu Hause und ärgerst dich, was du alles verpasst, weil du eh nicht rauskommst. Besser, du gehst zurück nach Frankfurt, da kann man nix verpassen, weil ich das alles schon kenne. Frankfurt ist wie ein Dorf, das hat Vor- und Nachteile.
Wenn man viel unterwegs war, dann freut man sich darüber, dass man alte Bekannte einfach wieder trifft, die Szene ist ja nicht so gross. Ich finde es schön, mit Leuten zusammen zu arbeiten, mit denen man eine gemeinsame Geschichte teilt und viel miteinander erlebt hat , seien es Hausbesetzungen, Nachttanzdemos oder die Konzerte und die Rumtingelei mit den Slags. Manchmal frage ich mich schon, warum ich nicht nach Berlin gegangen oder in Regensburg geblieben bin, ich passe hier ja überhaupt nicht hin. Aber vielleicht ist es genau deswegen wichtig, hier zu sein, weil durch Reibung Produktivität entsteht.
Frankfurt ist eine Immigrantenstadt und letztendlich bin ich das ja auch, nur dass ich den Luxus eines deutschen Passes habe. Ich habe hier keine Familie, bei der ich mein Kind unterbringen kann, es gibt nur die Szene und ein Wohnprojekt, das ist wie ein Familienersatz und kann Halt geben. Das gleiche galt/gilt auch für die Slags, sie waren und sind immer noch Familienersatz. Das ist für mich ein wichtiger Aspekt. Ich mag an Frankfurt auch, dass mein Sohn mit den Kindern aus aller Welt aufwächst, ich will das nicht romantisieren, es ist nicht immer einfach hier und eher ein Neben- als ein Miteinanderleben. Ausserdem gibt es in Frankfurt nicht viele Nazis, jedenfalls nicht so offiziell wie in Berlin und im Osten. Wenn am 1. Mai hier früher Nazis einmarschieren wollten, dann sind alle zusammen auf die Barrikaden gegangen, die Antifa, Studis, Gangs aus den Vorstädten - nach der Aktion sind dann keine Nazis mehr in die Stadt gekommen. Natürlich gibt’s auch ein paar NPD'ler und Reps in der Stadt, leider. Und die ganzen Banker, Schnösel, die Hochhäuser, die tote Innenstadt bei Nacht, teure Mieten, Sicherheitswahn. Wer hier nicht sein muss/herkommt wegen Arbeiten oder Familie, der geht auch gerne wieder weg. Ist ja nicht so wirklich schön hier. Am Schönsten in Frankfurt ist der alte Friedhof und dass es früh Frühling wird …Und dass man mit dem Flugzeug schnell wegkommt.

Anja: Frankfurt ist schon sehr wichtig für mich (auch wenn ich „nur“ aus einem Vorort komme), hier bin ich aufgewachsen, hier läuft mein Leben. Andere Städte haben mich nie gereizt, sind mir zu gross und unüberschaubar.

Bine: Ich bin hier geboren und will hier leben. Berlin ist zu gross und Hamburg zu brutal, nee, mich zieht?s hier nicht weg.

Suse: Frankfurt ist Hometown. Nichts wird irgendwo anders besser!

CM: Seid Ihr mit anderen Bands befreundet?

Conni: Ich habe nicht mehr viele Kontakte zu anderen Bands, weil ich mich eher in der Parytszene und sonst in einem Mama-Umfeld bewege. Zu den ehemaligen 4 Roses gibt es seit dem Ladyfest einen netten Kontakt. Persönliche Kontakte: Mani Neumeier, weil ich mit ihm manchmal zusammen spiele als Lover303, Korai ?ram aus Budapest, Tautropfen, unsere Hausband, Nova Drive, Starsoundsorchestra …

CM: Welche anderen Bands oder Stilrichtungen mögt Ihr? Zu welcher Musik tanzt Ihr?

Conni: Ich tanze am liebsten zu Progressive Trance und Tech House, aber ich höre vieles gerne, auch Gitarrenmusik, Punk, Metal, Balkan-Kram, Big Beat, Elektro …Ich habe keinen Fernseher, hör kaum Radio und lese keine Musikzeitungen, daher krieg ich nix mit, und ich kaufe mir auch nie was. Eine Freundin hat mir neulich Tool überspielt, das fand ich geil: dass Metal auch psychedelisch sein kann! Schon toll, wenn man Verbindungen zwischen Musikszenen sieht …

Bine: Drum'n'Bass, House

Suse: Ich mag elektronisch-akustische, spacige Musik, tiefe, brüchige Stimmen, auf keinen Fall schneller-lauter- härter, ich will nicht mehr angeschrieen werden.


CM: Freut Ihr Euch, auf Tour zu gehen, ist Euch der Kontakt zu Fans wichtig oder eher lästig?

Conni: Für eine richtige Tour ist bisher keine Zeit, wir werden einzelne Gigs hier und dort spielen. Früher fand ich es eher lästig oder komisch mit den Fans oder dem Fanclub, ich konnte damit nicht so wirklich umgehen …Jetzt, mit etwas Abstand, weiss ich das mehr zu schätzen. Jetzt freue ich mich, Leute von früher zu treffen, oder wenn Leute zu einem Lover/Lava 303-Gig kommen, die auch die Slags kennen. Zur Slags-CD-Releaseparty in Frankfurt kam ein Typ von München bis nach Frankfurt gefahren - echt süss. Alte Bekannte waren auch da, das ist schon rührend..

Bine: Fans mag ich, wenn der Fan keine Bierfahne hat.

Suse: Ich liebe Tourneen sehr, wird aber schwierig zu realisieren, vielleicht mal eine Woche oder ein paar Tage am Stück, das ist wie Wellness-Urlaub.

CM: Nehmen wir an, Ihr dürftet nicht mehr rocken, sondern müsstet Euch einen anderen Stil aussuchen, welcher wäre das?
Conni: Warum sollten wir nicht mehr rocken dürfen?

Bine: Hmmmm …. melodiös auf jeden Fall.

Anja: Ich kann mir die Band nicht anders vorstellen. Es gab ja auch Versuche in andere Richtungen zu experimentieren, daraus wurden dann aber Einzelprojekte.

Suse: Das bestimmen nur meine Ohren, wenn die sich endgültig verabschieden, werde ich Malerin oder Buchautorin oder sammle Schmetterlinge …



» www.the-slags.de
» www.myspace.com/theslagsforever