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September 2007
Robert Mießner
für satt.org

Pechsaftha
»Dick In Frisco«

Brillen-Punk’s Not Dead

Dieses Album ist keine leichte Kost. Aus der Ferne ließe es sich für eine dieser Luxuseditionen verdienter Klassiker des ehemaligen Untergrunds halten. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich das Cover dann als augenzwinkernde Verbeugung vor Raymond Pettibons Zeichnung zu “Goo”, dem Album, mit dem Sonic Youth ihre Neunziger eröffneten. Kaum ist der erste Irrtum ausgeräumt, wird Fingerakrobatik als Extremsportart verlangt. Die CD steckt in einem liebevoll gestalteten Pappschuber. Bevor der geöffnet ist, muss noch eine Bauchbinde entfernt werden. Erst dann darf sich der Musik genähert werden. Und die hat es in sich.

Pechsaftha: Dick In Frisco
Pechsaftha kennen ihre Idole. Aber kopieren sie nicht.

Pechsaftha sind die Band Martin Büssers (Gesang, Text, testcard-Herausgeber), Sascha Pechs (Schlagzeug, er spricht von Alltagsgegenständen und Blech, die Band benannte sich nach einer irrtümlichen Übermittlung seines Namens), der Herren Kircher (EA80), Gelling und Schneider (Graf Zahl). Alle, die händeringend nach Vergleichen für seinen Anti-Diskurs-Pop suchen, möchte das Quartett eher an Mark E. Smith als an Blixa Bargeld verweisen. S.Y.P.H. fallen noch ein. Oder This Heat, die legendäre Truppe um Charles Hayward, Charles Bullen und Gareth Williams. Die zeitgleich mit Post-Punk herauskamen, aber genauso Improvisiertes und Progressive Rock spielten. Pechsaftha schreiben ihre Songs nicht in der Dichterklause, sondern entwickeln sie auf ausgedehnten Sessions. Es flirrt und scheppert, es klirrt und knirscht. Am Anfang ist der Sound, das Geräusch, erst dann die Struktur. Deshalb sei es erlaubt, ihre Musik als Free Punk zu bezeichnen. Von Punk nehmen sie die Geschwindigkeit, die Dringlichkeit, vom freien Jazz das Offene, die Verblüffung, von beiden das Rauhe, Unbehauene. Ohne Melodie und Rhythmus zu vergessen. Tanzmusik ist immer auch eine Frage der Definition.

Pechsaftha lieben, das ist offensichtlich, Diskussion und Theorie. Sie karikieren Alltagsgewäsch, Hipsterslang und die Selbstgenügsamkeit im Popgeschäft. Die schöne neue Arbeitswelt, die Warteschleife namens Selbstausbeutung, wird in sperrigen Texten auseinander genommen. Sie geben kein Königreich für einen Reim. Pechsaftha machen kein Hehl daraus, dass ihnen das Konsensdeutschland suspekt ist. Wo andere verzückt neue Normalität entdecken, verorten sie Wohlfühlnationalismus. Wobei sich fragen ließe, ob in diesem Zusammenhang Rammstein das richtige Objekt der Kritik sind. “Dick In Frisco” endet mit einer epischen Momentaufnahme: “Mannheim Mitte”, verstörende Skizze, die überall beobachtet sein könnte. Dieses Album ist keine leichte Kost. Trotzdem höre ich es lieber zweimal hintereinander, als mich freiwillig zehn Minuten MTV auszusetzen.



» www.pechsaftha.de
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