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R: Für mich hatte sich das letztlich einfach so ergeben, und ist ja auch, wie schon mit dem Buch, an uns herangetragen worden. Ich hatte mir über diese Form eigentlich nie Gedanken gemacht, obwohl ich schon immer Duette ganz toll fand. Das Band-Format kam für mich allerdings schon seit Ewigkeiten nicht mehr in Frage. A: Als sich meine letzte Band auflöste, habe ich gedacht: nie wieder. Nie wieder diese Demokratie, diese logistischen Grätschen (wann proben wir das nächste Mal wo), diese Kellerproberäume. Da habe ich mir vorgenommen, eine Person zu suchen und zu finden, mit der ich Musik mache, wo dieses ganze zwischenmenschliche Gezerre und musikalische Diskutieren auf ein Mindestmaß heruntergeschraubt wird. Ich fand die Vorstellung eines Duos wundervoll. Aber ich habe niemanden dafür gefunden. Deshalb hab ich erstmal den Popchor Berlin gemacht. Das war zwar alles andere als ein Duo, aber von der Struktur her auch alles andere als eine Band - nämlich eine klare Rollenverteilung und einen Chef: Ich. Insofern also durchaus bewusst "unmodisches Projekt". Und über den Popchor haben wir uns dann kennengelernt, genau, ist das nicht schön? CM: Popmusik und Literatur - im Moment gibt es viele Musiker, die sowohl singen als auch schreiben. Ist das ein Trend oder einfach "natürlich" (in dem Sinne, dass jemand, der kreativ arbeitet, von vornherein verschiedene Ausdrucksformen sucht)? A: Sowohl als auch, und dann kommt die Sache mit dem Alter dazu: Nach 15 Jahren Touren durch verrauchte Clubs, vergammelte Backstages, Call-a-Pizza-Catering und Verstärker rauf- und runterschleppen kann man sich durchaus auch mal vorstellen, mit dem Zug wohin zu fahren, das Büchlein unter dem Arm, sich auf eine Bühne zu setzen, das Büchlein aufzuschlagen und daraus vorzulesen. R: Und jetzt kommen wieder die verrauchten Clubs und das Verstärkerschleppen … CM: Plant Ihr ein nächstes gemeinsames Buch? A: Ja. Wir arbeiten auch schon fleißig daran. Es wird kein Roman wie „Aus dem Leben des Manuel Zorn“ sein, sondern eine Reihe von Erzählungen, die thematisch locker miteinander verknüpft sind. Erscheint im März 2008 beim Ventil Verlag. CM: Wie entstehen Eure Songs - gemeinsam oder werkelt erst jeder für sich, um dann dem/der anderen das fertige Lied zu präsentieren? A: Letzteres. Eigentlich die gleiche Arbeitsweise wie beim Buch, bei dem uns alle gefragt haben: Wie kann man denn ein Buch zusammen schreiben? Die sind davon ausgegangen, dass man Satz für Satz zusammen gehockt ist. Tatsächlich hat das Buch zwei Protagonisten, die sich kapitelweise - und eben auch autorenweise - abwechseln. Jeder schreibt also seine Songs, und dann ändern wir die Arrangements oder auch Melodien, Akkordfolgen teilweise wieder, das ergibt sich beim Proben oder beim Aufnehmen. CM: Ist immer am Anfang schon klar, wer bei welchem Song singt? A: Eigentlich bisher immer jeder bei seinen eigenen. Ist naheliegend. Aber warum eigentlich? Eigentlich ist es auch reizvoll, als Interpret ein "fremdes" Lied zu singen. Ändert sich bestimmt bei der nächsten Platte. CM: Habt Ihr auf ein Album hingearbeitet oder sind die Songs über längere Zeiträume entstanden? R: Erst für die Lesungen und mal für 'ne Compilation, dann sammelte sich das und wir merkten, daß das gut zusammen geht. Und bei den Lesungen wurde öfters nach CDs gefragt, so lag ein Album nahe. CM: Warum covert Ihr "Wish You Were Here" von Pink Floyd? R: Ich liebe die Tradition der Coverversion, wenn es eine Ehrerweisung ist. Darum ja auch das Interzonelied („Was ich an dir mag“/Anm. cm). CM: Viele Eure Texte wirken rätselhaft ("Beine", "Personal", "Bitte bleiben") - mögt Ihr es, wenn ein Text mehrere Deutungen erlaubt oder haltet Ihr die Texte gar nicht für rätselhaft? R: Sie klingen vielleicht rätselhaft, sind aber letztlich schon sehr eindeutig gemeint. Ich glaube ferner nicht, daß sich gewisse Rätsel über Logik, also über eine Interpretation lösen. CM: Andere Songs sind im Grundton sehr melancholisch („Happytown Beachclub“) oder mißtrauisch („Menschen an sich“) - ist eine gewisse immanente Traurigkeit einfach in Euch drin? A: Also, Traurigkeit ist nicht das richtige Wort … Illusionslosigkeit eher, was den "Menschen an sich" betrifft. Wobei die Texte nicht 1:1 wir sind. "Menschen an sich" zum Beispiel haben wir für die Manuel Zorn-Lesungen geschrieben und charakterisiert eine der beiden Protagonisten aus dem Buch, zitiert ihn sogar teilweise. R: Ich kenne natürlich einen melancholischen Zustand, aber der ist mir eher unsympathisch – denn mir scheint, daß dem oft eine Selbstverliebtheit, das eigene Leid betreffend, mit einhergeht. Das geht gerade noch im Alter von siebzehn. Vielleicht könnte man sich auf sehnsüchtig einigen. CM: Eure jeweilige musikalische Vergangenheit: empfindet Ihr die als Last oder Segen? Die Lassie Singers sind ja für viele bis heute ein großes Vorbild - bist du/seid Ihr darauf stolz oder wäre es leichter, nicht immer mit der einen Band in Verbindung gebracht zu werden? Oder ist es hilfreich, mit dem Lassie-Erbe unterwegs zu sein? A: Also, bei mir ist es jetzt lange genug her, dass ich es wieder lustig und absurd finden kann, wenn Leute mich auf die Lassie Singers ansprechen. Aber es ist eben auch lange genug her, dass es manchen Journalisten oder Leuten im Publikum nichts mehr sagt. Das ist auch gut so. R: Ich habe ja viele verschiedene Sachen gemacht, daß sich das bei mir nicht auf ein so gewichtiges Erbe wie eine einzige Band konzentriert. Von daher ist es nicht so belastend. Ich freue mich aber am meisten, wenn ich mit nicht musikalischen Dingen, sondern zum Beispiel den „Rollo Aller“ Filmen in Verbindung gebracht werde. Natürlich helfen unsere jeweiligen Vergangenheiten aber auch. CM: Wie sieht Euer Publikum aus? Sind eher langjährige Lassie-Fans darunter oder auch "Neulinge", die mit den Lassie Singers gar nichts anfangen können? R: Sowohl als auch. 14. Berlin und Hamburg als Künstlerzentren: könntet Ihr euch vorstellen, woanders zu leben und/oder zu arbeiten? Oder sind die "Netzwerke" innerhalb dieser Städte ideal? R: Ich lebe ja in Hamburg und Almut in Berlin. Es ist sicher nicht schlecht, in beiden Städten eine Basis zu haben. Obwohl die, was den künstlerischen Austausch angeht, ja eh schon sehr zusammengewachsen sind. Was für viele andere Städte ebenfalls gilt. Diese regionalen Abgrenzungen lösen sich immer mehr auf. CM: Stichworte Bohème und Prekariat: könnt Ihr diese Begriffe überhaupt noch hören? Ist es positiv oder abtörnend, dass in der Prekariats-Berichterstattung* vermehrt KünstlerInnen und MusikerInnen auftauchen?
R: Bohème geht für mich in Ordnung. Das mit dem Prekariat habe ich in Bezug auf Künstlerdasein offen gesagt noch nicht so recht begriffen. Prekariat, da schwingt so etwas wie „soziale Ungerechtigkeit“ mit, aber als Freischaffender weiß man ja, worauf man sich einlässt. CM: Was wäre die Alternative zum Musikerleben? Ein Bürojob? Oder eine Kombination aus allem möglichen? A: Realistisch gesehen gibt es überhaupt keine Alternative mehr in unserem Alter. Aber wie Reverend schon sagte: Das hat man sich ja auch ausgesucht. Ich war noch nie angestellt in meinem Leben, hatte aber immer mal wieder Jobs im Büro oder sonstwo. Damit kann ich leben. Bohème – ja, denke ich manchmal schon, wenn ich um zwölf rausgehe, um Zeitung und Brötchen zu holen. |
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