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Foto: W. Buchholz
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Nenn mich Altfreak...
Tilman Rossmy Quartett live im Subrosa, Dortmund, 17.5.08
Altfreak ist ein Wort, das ich bis vor kurzem weder je gehört hatte, noch dass es in meinem aktiven Wortschatz zu finden war - logischerweise. Freaks nannten wir früher, in den späten 70ern, als ich in der Mittelstufe war, coole Typen mit langen Haaren, geflickten Jeans und karierten Hemden, die man über die Hose trug, aber nicht zu öko-mäßig. Das war im Westerwald und nicht in Essen-Rüttenscheid, Punk war dort noch nicht angekommen und wie der junge Brian Eno, gerade 60 geworden, sahen die wenigsten von uns aus.
„Altfreak“ heißt ein Lied auf der neuen Platte des Tilman Rossmy Quartetts. Tilman Rossmy gehört zu den Künstlern, die grandiose Musik machen und völlig unverständlicherweise wenig bekannt und noch weniger erfolgreich sind und für eine kleine Nische von Anhängern Platten machen. In den 80ern gestartet, gelang Tilman mit „Die Regierung“ Mitte der 90er das Album „Unten“. Die Platte war unglaublich lässig und wichtig, zwar manchmal wie Udo Lindenberg klingend, erzählte aber grandiose Geschichten und sie hatte mit „1975“ einen Überhit dabei*. Danach zwei Soloplatten und nun seit zehn Jahren und fünf Platten das Quartett.
Altfreaks bevölkern auch das Subrosa, eine urgemütliche, kleine Location am Dortmunder Hafen. Ein Kleinod für handgemachte Gitarrenmusik, lecker Pils, BVB-Fans und sowas wie die Stammkneipe von Tilman im Pott. Er gastiert hier auf jeder der seltenen, wenige Gigs umfassenden Tourneen und dabei sein ist eigentlich Pflicht. Ich war schon häufiger dabei und freue ich mich schon seit Bekanntgabe der Tourdaten darauf.
Zwei Takte oder was und los geht’s, willkommen zu Hause, geschmeidig und angriffslustig mit „So können wir auch sein“ dem Opener des neuen Albums. Der gesamte erste Teil des Abends gehört dann auch der neuen Platte, inklusive der beiden sehr gelungenen Cover von Nena und Van Morrison. Mit neuem Schlagzeuger spielt das Quartett zwar etwas rustikaler, nicht ganz so groovy, angejazzt wie mit dem alten Drummer Rob Feigel aber gewohnt routiniert.
* Anmerkung aus der Musikredaktion: Auch Jens Friebe verehrt Die Regierung: er coverte auf seinem 05’er-Album „In Hypnose“ den Song „Es hat keinen Namen“
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Mit der Solonummer „It ain’t me“ von Bob Dylan läutet Tilman Rossmy den zweiten Teil des Abends ein und die Band ist jetzt richtig warmgelaufen. Es folgt ein Querschnitt aus allen Schaffensphasen von Rossmy, wobei die beiden Alben „Reisen in eigenen Land“ und „Passagier“ im Vordergrund stehen. Herausragend das Steel-Gitarren-Spiel von Gitarrist Folke Jensen – optisch stellt man sich so einen Altfreak vor. Insbesondere bei den alten Regierungs-Juwelen wie „Hennarotes Haar“ und „Ganz tief unten“ ist die Intensität der Songs immer noch unmittelbar greifbar. Endlich wird auch Supertramps „Dreamer“ in „1975“ zitiert. Nach zwei Stunden geht es im Zugabenblock mit Wunschkonzert weiter. „Loswerden“, „Body Count T-Shirt“ und „15 Jahre“ sind auch in geholperten Versionen mit zugerufenen Akkordfolgen unkaputtbar. „In einem fremden Land/Immer jemand im Busch“ beenden schließlich ein wieder einmal unglaubliches Konzert vom Tilman Rossmy Quartett im Subrosa. Auch wenn das Quartett in der Vergangenheit schon musikalisch filigraner gespielt hat - selten passen Band, Auftrittsort, Publikum und die vertraute, atmosphärische Stimmung besser zusammen als hier und heute. Hoffentlich bald wieder.
Ein Altfreak ist übrigens jemand, der immer noch von der letzten deutschen Meisterschaft von Rot Weiß Essen, da war Brian Eno gerade mal sieben, träumt – meint Tilman und der sollte es wissen ...
» www.tilman-rossmy.de
» myspace.com/tilmanrossmyquartett