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Tobende Ordnung
Hardcore, Noise Jazz und Bossa Nova: Wo gibt’s denn so was? Bei Marc Ribot’s Ceramic Dog. Jetzt kommen die Partyintellektuellen nach Deutschland.
So und nicht anders muss sie klingen, die perfekte Coverversion. Man lümmelt sich also bequem in die Sitzgelegenheit, nimmt einen Schluck, legt eine CD ein. Knall auf Fall wird der Baustellenlärm einen Hof weiter vom donnernden Schlagzeug, mahlenden Bass und flirrender Gitarre übertönt. Von der ersten Minute an tobt die Ordnung. Irgendwoher kommt einem das bekannt vor, nur, so recht will sich die Erinnerung noch nicht einstellen. Dann setzt der Gesang ein. Und jetzt fällt er, der Groschen. Das ist »Break On Through« von den Doors. Bloß damals, bei Jim Morrison & Co., da klang das eher noch nach Herübertasten. Bei Marc Ribot’s Ceramic Dog wird wirklich durchgebrochen. Zur anderen Seite, zu der aus Fleisch und Blut. Geht man so mit den Klassikern um? Aber bitte, nur noch so.
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Marc Ribot (Foto © Marco Zanoni) |
Marc Ribot’s Ceramic Dog live:
- 13. Juli: Berlin,
Haus der Kulturen der Welt
- 14. Juli: Würzburg,
Omnibus
- 15. Juli: München,
Ampere
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Marc Ribot, Gitarrist und Sänger, kommt aus einer Szene, in der Respekt vor den Altvorderen nicht sklavisches Kopieren meint. Wer John Zorns Versionen alter Bebob-Standards, seine Bearbeitungen Ornette Colemans und Ennio Morricones kennt, hat eine ungefähre Ahnung, was das heißt. Man kann auch an Terraplane, Elliott Sharps spielerischen Umgang mit dem Blues, denken. Prinzipiell möchte man ja alle Referenzen in den Wind schreiben, nur hier müssen sie her. Marc Ribot ist, wie Zorn und Sharp, New Yorker, seit den späten Siebzigern in der Stadt zugange. Ribot ist einer der Musiker, die mit Doug Wimbish ein Schicksal teilen: Jede und jeder hat ihn schon mal gehört, nicht alle wissen es. Wer die Realtones, eine Soulpunk-Combo, nicht kennt, muss nicht rot werden. Der Rezensent tut es auch nicht. Aber, um mit den bekannteren Namen anzufangen: Ribot spielte auf Elvis Costellos »Spike« (1989) und »Mighty Like A Rose« (1991). Schon mal den Weltschmerz mit billigem Rotwein und Tom Waits’ »Rain Dogs« (1985) und »Big Time« (1988) ertränkt? Dann habt ihr auch Marc Ribot, übrigens nicht nur an der Gitarre, gehört. Die Musik in James Mangolds Johnny-Cash-Film »Walk The Line« (2005), Liev Schreibers Verfilmung von Jonathan Safran Foers »Everything Is Illuminated – Alles Ist Erleuchtet« (2005) oder Martin Scorseses »The Departed – Unter Feinden« (2006) hat gefallen? Marc Ribot ist dabei gewesen. Wo es eher frickelig und jazzig wird, findet er sich noch öfter: Von 1984 bis 1989 war Ribot Mitglied bei John Luries Lounge Lizards. Hal Willner holte ihn für sein Charles-Mingus-Tribut »Weird Nightmare« (1992), Cassandra Wilson für »Thunderbird« (2006). Auf John Zorns »Kristallnacht« (1992) ist er zu hören. Die Filmarbeiten seines prominenteren Kollegen kommen nicht ohne Ribot aus, Zorns »Great Jewish Musik« (1997/98), eine Serge Gainsbourg, Burt Bacharach und Marc Bolan gewidmete Veröffentlichungsreihe, genauso.
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Marc Ribot's Ceramic Dog v.l.n.r.: Shazad Ismaily, Marc Ribot, Ches Smith. Foto © Enja |
Das ist eine gerüttelte Menge. Wann wird man sich da je durchhören? Will man Ribot gebündelt, seine verschiedensten Stile auf einer Platte haben, bietet sich »Party Intellectuals«, das vor kurzem erschienene Debüt seiner neuen Band Ceramic Dog, an. Da wird aufgekratzt kreuz und quer gesprungen. Haben Ribot, Ches Smith (Xiu Xiu, Schlagzeug, Elektronik und Gesang) und Shazad Ismaily (Bass, Gesang, Moog) erstmal die Doors durch den Hardcore-Filter gejagt, schleppen sie uns im Titelstück auf eine Party, auf der die Beastie Boys wie Thomanerknaben verloren in der Ecke stehen. Ordentliche Partyintellektuelle haben selbstredend ihre Erinnerungen. Die fordern ihr Recht ein auf »When We Were Young And We Were Freaks«, einer getragenen und vertrackten Ballade der anderen Art. Ceramic Dog sind nun mitnichten die Band mit einem Chef und zwei Erfüllungsgehilfen: Das Zusammenspiel des Trios auf »Digital Handshake«, einer zehnminütigen, hinreißenden Achterbahnfahrt aus Elektro, Kraut und No-Wave-Beat, läßt den Tee kalt, das Bier schal werden. Und dann sind da die tropischen Tupfer. Mentor Ribots, ganz am Anfang seiner Laufbahn, war Frantz Casseus (1915 - 1993), ein klassischer Gitarrist und Komponist aus Haiti. Das, wie Ribots langjährige Beschäftigung mit lateinamerikanischer Musik, schlägt mehrmals durch. Bei »Todo El Mundo Es Kitsch« mit Gastsängerin Janice Cruz (Heather Nova, Angie Stone) möchte man ganz schnell eine coole Sonnenbrille aufsetzen und einen großen Cocktail ordern, beim wunderschönen »For Malena« gleich den nächsten. Kann man alles machen, wenn Marc Ribot’s Ceramic Dog am Sonntag eine kurze Deutschlandtour beginnen. Wer weiß, vielleicht spielen sie ja sogar Tracks von »Spiritual Unity« (2005), einem Tribut Ribots, Roy Campbells, Henry Grimes’ und Chad Taylors an Albert Ayler (1936 - 1970). Zuzutrauen wär’s ihnen.
» www.marcribot.com
» myspace.com/marcribotsceramicdog
» www.shazadismaily.com
» www.chessmith.com