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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




14. Juli 2008
 

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Juli 2008, zweite Hälfte:


  Leonard Cohen: The Collection
Leonard Cohen: The Collection
(5-CD-Boxset, Columbia / SonyBMG)


Leonard Cohen: The Collection

Leonard Cohens Bedeutung für ganze Singer-/Songwriter-Generationen und den Pop an sich an dieser Stelle anzuführen, würde den Rahmen sprengen. Der 1934 in Montreal geborene Cohen begann seine Karriere als Schriftsteller, schrieb Lyrik und Romane. Als seine erste Platte mit Songs erschien, war Leonard Cohen 34, in einem Alter also, in dem sich andere Musiker bereits zur Ruhe setzen. „Songs of Leonard Cohen“ beinhaltete „Suzanne“, „So Long Marianne“ und „Winter Lady“, die ersten von unzähligen weiteren Kompositionen, die zu Klassikern avancierten. Cohens melancholisch-monotoner Sprechgesang wurde zum Vorbild für viele Künstler, Nick Cave zum Beispiel ließ sich nicht nur von Cohens Intonation inspirieren, sondern auch von in den Texten immer wieder auftauchenden religiösen (und sexuellen!) Motiven. Andrew Eldritch nannte seine Band nach Cohens Song „Sisters of Mercy“ und heute ist Leonard Cohen wohl einer der meistgecoverten Komponisten und Texter aller Zeiten. 1991 erschien das Tribute-Album „I'm Your Fan“, auf dem die Pixies, REM, Nick Cave und viele mehr die Songs des Meisters neu interpretieren, in dem Film „Leonard Cohen – I'm Your Man“ (2006) huldigen Jarvis Cocker, Rufus Wainwright und – schon wieder – Nick Cave ihrem Idol. Columbia veröffentlicht nun in einem schicken Box-Set fünf wegweisende Alben Cohens wieder – alle fünf bezeichnen Weg- und Wendemarken in Cohens Karriere. „Various Positions“, das Cohen nach längerer Pause 1984 aufnahm, enthält neben „Dance me to the End of Love“ auch das musikalische Gebet „If It Be Your Will“, das für Cohen eins seiner wichtigsten Stücke ist. Auf „I'm Your Man“ von 1988 öffnet sich Cohen neuen musikalischen Strömungen, setzt elektronische Instrumente und tanzbare Rhythmen ein. Der Titeltrack und „First We Take Manhattan“ wurden große Hits und machten Cohen auch für jüngere Fans interessant. „The Future“ von 1992 war ein für Cohen ungewohnt politisches Album, geprägt vom Mauerfall und dem Zusammenbruch des Kommunismus. Oliver Stone verwendete später den Song „Waiting for the Miracle“ in seinem Film „Natural Born Killers“. „Ten New Songs“ entstand in Gemeinschaftsarbeit mit der Produzentin Sharon Robinson und war für den Geschmack eingefleischte Cohen-Fans zu poppig, unüberhörbar ist eine gewisse Leichtigkeit, die Cohen vielleicht erst im höheren Alter erreichen konnte.

Im Box-Set enthalten sind die Alben „Songs of Leonard Cohen“ (1968), „Various Positions“ (1985), „I'm Your Man“ (1988), „The Future“ (1992) und „Ten New Songs“ (2001)

Leonard Cohen live in Deutschland: 25.7.08, Lörrach (STIMMEN-Festival)


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  She & Him: Volume One
She & Him: Volume One
(Domino)
» myspace.com
» sheandhim.com


She & Him: Volume One

Wer sein erstes Album „Volume One“ nennt, hat noch viel vor – und legt es von vornherein auf eine dauerhafte Karriere an. Schauspielerin Zooey Deschanel („Almost Famous“, „The Happening“, „Per Anhalter durch die Galaxis“) und die „Einmannband“ M. Ward trafen sich vor zwei Jahren, als sie ein Duett für einen Film mit Zooey aufnehmen sollten. Die beiden entdeckten viele Gemeinsamkeiten, fanden sich sympathisch und beschlossen, ein Duo nach dem Vorbild klassischer Musikpaare wie Nancy Sinatra & Lee Hazlewood oder den Carpenters zu gründen. Zooey Deschanel schrieb seit vielen Jahren eigene Songs, traute sich aber nie, diese öffentlich zu Gehör zu bringen. M. Ward nahm ihr die Scheu und in analoger Heimstudioarbeit entstand besagte Platte „Volume One“, die eine liebevollen und liebenswerten Hommage Zooeys an ihre Vorbilder wie Dusty Springfield, Nina Simone, Linda Ronstadt oder die Ronettes ist. Der Geist der sechziger und siebziger Jahre weht sanft durch die zwölf Lieder, zwei davon Coverversionen: eine sehr reduzierte Aufnahme von Smokey Robinsons „You Really Got A Hold on Me“ und die witzige Surfadaption von „I Should Have Known Better“ von den Beatles. Zooeys helle, klare Stimme steht im Zentrum der Stücke, für die M. Ward zielsicher die passende Instrumentierung findet: Mit Slideguitar und Banjo lassen She & Him softige Countryfolk-Stimmung entstehen, bei anderen Songs ließ man sich von Phil Spectors pompösen Arrangements inspirieren. „Volume One“ ist eins dieser zarten, unaufdringlichen Alben, die sich – fast unbemerkt und wie nebenbei – ins Herz schleichen und für immer dort bleiben. Einen Bonustrack gibt es auch: Das Traditional „Swing Low, Sweet Chariot“ klingt, als hätten es Zooey und M. im Morgengrauen am langsam verlöschenden Lagerfeuer aufgenommen.


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  Makako Jump: Lasciate La Mancia al Portapizze
Makako Jump: Lasciate La Mancia al Portapizze
(Soulfire)
» makakojump.com


Makako Jump: Lasciate La Mancia al Portapizze

MAKAKO JUMP sind eine italienische Ska-Reggae-Dub-Band aus Triest. Mit „Lasciate La Mancia Al Portapizze“ legen die neun Jungs ihr zweites Album vor, und, um es gleich vorwegzunehmen, es ist gut. Der Titel bedeutet soviel wie „Gebt dem Pizzaboten ein Trinkgeld“, und – kein Klischee auslassend - ist das Cover wie eine Pizzaschachtel gestaltet. Und genau so sonnig und sommerlich wie es der erste Eindruck verspricht, kommt der Großteil der fünfzehn Songs daher: Also schön schwungvoll, und zum Glück mit ordentlich Bläsern (da ja Ska sowieso von der Brass section lebt). Gesungen wird (fast) ausschließlich auf Italienisch; aber Ska auf Japanisch und Chinesisch geht ja schließlich auch.

Mit „Il verso die topini“ und „Libera lamento“ fängt das Album schwungvoll und unbekümmert an, und „Precario“ macht genau so weiter. Mit dem vierten Stück „Attendi all’uomo biaoco“ kommen Reggaebeats und Dub ins Spiel. Da geht es etwas ruhiger und bassbetonter zur Sache, was Makako Jump wirklich gut gelingt. Ein bisschen Funk und ein wirklich schöner Trompeteneinsatz machen dieses Stück zum Schönsten auf dem Album, es ist musikalisch vielschichtiger als die schnelleren Songs, die den größeren Teil des Albums ausmachen. Ach ja, eine Coverversion ist natürlich auch dabei: „Eleanor Rigby“, aber nicht als tausendste langweilige Nachmachversion, sondern diesmal als funkiger Dub.

Fazit: „Lasciate La Mancia Al Portapizze“ bietet nicht nur Sommerparty-Musik, auch wenn die meisten Stücke sich dafür am besten eignen. Lasst Euch nicht vom allerersten Höreindruck täuschen, die Musik ist variationsreicher, als man zunächst meint. Obwohl ich eigentlich eher Ska-Fan bin, haben mir die ruhigeren Dubs besser gefallen, vielleicht ist der Ska der Jungs einen Hauch zu poppig und leicht. Aber egal, auf jeden Fall hörenswert.

Makako Jump spielen beim „Umsonst & Draußen“-Festival im bayrischen Mossingen, 26.7.08 (Jürgen Körber)


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  Sebadoh: Bubble and Scrape
Sebadoh: Bubble and Scrape
(Domino)
» sebadoh.com


Sebadoh: Bubble and Scrape

Sebadoh wurden Mitte der achtziger Jahre in Massachussetts vom Dinosaur Jr.-Bassmann Lou Barlow gegründet, der eigentlich nur ein kleines Seitenprojekt neben Dinosaur haben wollte. Als Barlow 1989 bei Dinosaur Jr. rausflog, wurde Sebadoh zu seiner Hauptband, die schnell einen unverwechselbaren, eigenständigen Stil entwickelte: Jason Loewenstein, Bob Fay und Barlow verbanden schwere Rock-Gitarrenriffs und Lo-Fi-Folk, psychedelische Elemente und eingängige Melodien mit extrem einfacher Produktion, die meisten Aufnahmen wurden mit einem Vier-Spur-Gerät gemacht. Sebadoh klangen rauh und fragil zugleich, Melancholie und Wut gingen Hand in Hand, lange bevor sich Jugendliche mit schwarzen Hornbrillen als „Emos“ bezeichneten. Nach neun Alben lösten sich Sebadoh 1999 auf, Barlow kümmerte sich um sein neues Bandprojekt Folk Implosion. Im Frühjahr 2007 fanden sich Sebadoh wieder zusammen, um gemeinsam auf Tournee zu gehen, im April und Mai 2008 waren sie auch in Europa live zu erleben. Domino Records veröffentlichte unlängst „Bubble and Scrape“ von 1993 wieder, das als eins der besten Alben Sebadohs gilt: so dicht, stringent und zwingend klangen sie vor- und nachher nur selten. „Bubble and Scrape“ ist jetzt in einer Super-Deluxe-Ausführung erhältlich, die inklusive jeder Menge Bonusmaterial insgesamt 32 Tracks beinhaltet.


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  Mrs. Jynx: The Standoffish Cat
Mrs. Jynx: The Standoffish Cat
(Mu Records)
» planet-mu.com


Mrs. Jynx: The Standoffish Cat

Oh, eine Miezekatze auf dem Cover! Das begeistert die Rezensentin sofort und sorgt für Vorschußlorbeeren. Das Frauchen der getigerten Coverbeauty heißt Hannah Davidson alias Mrs. Jynx, kommt aus Manchester, liebt Pilzsuppe und Cracker mit Käse und gibt auf ihrer myspace-Seite unter anderen die Inspiral Carpets, Kate Bush, Roisin Murphy, The Smiths und die Happy Mondays als Einflüsse an. Tatsächlich klingt ihr Debütalbum „The Standoffish Cat“, das auf Elektro-Impresario Mike Paradinas Label Planet Mu erschienen ist, so britisch, wie elektronische Musik ohne Text nur sein kann. Verspielt und „spleenig“, ein bisschen verwunschen und wunderlich. Die dreizehn Tracks mit so verheissungsvollen Titeln wie „Ice Pops“, „Chocolate Oranges“ oder „Trigger for a Train of Thought“ sind kein bisschen „standoffish“ (reserviert), wie es der Albumtitel suggeriert, sondern unwiderstehlich und bezaubernd. Mrs. Jynx programmiert und produziert liebevoll-altmodisch, verwendet viel Hall und knisternde Geräusche, bei all dem steht aber immer die Melodie im Vordergrund: Elektronika zum Mitzwitschern, Ambient ohne Eso-Touch.


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  So So Modern: Friends and Fires
So So Modern: Friends and Fires
(Unter Schafen / ALIVE)
» sosomodern.com
» myspace.com


So So Modern: Friends and Fires

Die vierköpfige Band So So Modern aus Wellington/Neuseeland spielt seit 2004 zusammen und wird gern so beschrieben, dass musikalisch verwandte Acts wie The Rapture neben ihnen wie Greise wirkten. So So Modern treten in Tierkostümen auf, peitschen Disco- und Waverhythmen durch den Hyperbeschleuniger und sind für Leute, die an Migräne oder Epilepsie leiden, bestimmt verboten. Ihr Wahlspruch lautet „put the party back into participation“, sie skaten gerne nachts und erfinden gern sinnlose Wissenschaften wie „economic cosmology“ oder „electric psychology“. Das hat schon einige Musikerkollegen überzeugt: CSS und The Kills nahmen So So Modern ins Vorprogramm, Xiu Xiu ließen einen ihrer Songs von den Neuseeländern remixen und gemeinsam mit The Robocop Kraus sind So So Modern im Spätherbst in Deutschland auf Tour. Mit kühn geschrabbelter Gitarre, fiependen Synthies, hysterischen Vocals, Kuhglocken und punkiger Attitude gelingt dem Quartett Großartiges wie „Turn This Landscape Upside Down“, „The Love Code“ oder „Vulture Kisses“, auf der langen Strecke ist das Zusammenspiel aus zuweilen vier Synthesizern, zwei Gitarren, einem Schlagzeug und einem Vocoder ziemlich anstrengend. Aber man muß ja nicht alle 15 Tracks von „Friends and Fires“, einer Kollektion ihrer bisher veröffentlichten EPs, auf einmal hören. So So Modern in kleinen Dosen sorgt für größere Wirkung.

So So Modern live: 16.08. Geisenhausen, Bunte Zeiten Festival