PeterLicht:
Melancholie
& Gesellschaft
Auf seinem letzten Album läutete PeterLicht, der medienscheue Barde, das Ende des Kapitalismus ein und stellte ganz naiv fest: „Jetzt ist er endlich vorbei... Ist uns ja auch lang genug auf der Tasche gelegen“, nun nimmt er sich der Verbindung von „Melancholie & Gesellschaft“ an. Dies ist auch der Titel eines Buches des Soziologen Wolf Lepenies, das aber laut PeterLicht nichts mit dieser Veröffentlichung zu tun hat. Er habe das Buch zwar neulich gelesen, sagt er, und es sei ja ganz interessant, aber da war seine neue CD schon längst fertig. Kapitalismuskritik ist darin immer noch Thema, mal plakativ wie in „Stilberatung/Restsexualität“, wo die Verteidigung der Unantastbarkeit der Körper zu so fröhlichen Zeilen führt wie „Bitte nie mehr Sexualität zeigen/ bitte nie mehr und nirgendwo/ im Zusammenhang mit Euren Produkten“ oder in „Marketing“, wo PeterLicht herunterbuchstabiert, womit man sich den Tag vermiesen kann, „ein fehlgeleitetes Gefühl entwickeln, eine günstige Option verfolgen/ einen Untergang planen, noch etwas Schulden machen“, mal subtiler wie in „An meine Freunde vom leidenden Leben“, wo zärtlich der „unpfändbare Rest unserer Herzen“ besungen wird. Aber dieser Rückgriff auf die Perversität unserer Tage und wie man darin überleben kann, ist PeterLicht noch nie so gut gelungen wie auf diesem neuen Album.
Und auch das Jasagen kommt nicht zu kurz: „Beipflichten, okayfinden, supersagen“ ist der heilige Dreisprung der „Endverbraucher“, und für die paar Minuten, die „Beipflichtn“ dauert, macht sich PeterLicht zu einem ebensolchen - PeterLicht mag Melancholiker sein, aber sicher einer der witzigsten und fröhlichsten, die man sich vorstellen kann. Und er benötigt dafür kaum elektronisches Equipment, nur Piano und Gitarre, ganz altmodisch schön. „Hauptsache wir sitzen am Ende alle im selben Heim/ denn ohne all die anderen Getrennten/ möchten wir nicht alleine sein“, heißt es im „Trennungslied“, das bei seinen Liveauftritten schon gefeiert wurde. Vorbei ist das Zauberwort der Melancholie, bei PeterLicht wird daraus ein Bewegungswort, vorbei, vorbei, so wie in dem zentralen Song „Heimkehrerlied“ - „der Sommer ist aus/ doch ich möcht dich wiedersehen“, denn es geht immer irgendwohin, in ein anderes Land oder ein anderes Leben. Mit „Melancholie & Gesellschaft“ ist PeterLicht endgültig dort angekommen, wo man ihn bei den anderen Alben schon fast vermutet hat: an der Spitze der deutschen Popmusik.
Dass PeterLicht auch ein großartiger und kluger Schriftsteller ist, wusste man schon nach der Lektüre von „Wir werden siegen“ (aus dem „Melancholie & Gesellschaft“ einige Stellen verwendet) und beim Bachmannpreis 2007 wurde diese Tatsache mit dem 3sat- und dem Publikumspreis belohnt. Sein dort vorgestellter kleiner Text „ Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends“ ist seit März im Blumenbar Verlag veröffentlicht – eine tour de force der Zerstörung, die Geschichte eines Ichs in der Auflösung, auf einem Sofa sitzend, das sich im Erzählen in Schieflage begibt, in einem intakten Zimmer, das sich flugs zu einem Strudel ins Nichts verwandelt, die Entwicklung als Kippbewegung. Vorbei, vorbei, es geht immer weiter, und man sieht oder hört besser zweimal hin, wenn jemand sagt: „Es ging mir gut.“ Eine „fröhliche Apokalypse“ nannte das der Wiener Falter, und da haben wir ihn wieder: den lachenden Melancholiker.
Mit freundlicher Genehmigung von titel-magazin.de