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Trau keinem ohne Tonsur
Jetzt auf DVD: Dietmar Posts und Lucía Palacios’ Dokumentation »Monks – The Transatlantic Feedback« erzählt, wie fünf GIs und zwei Manager den Über-Beat erfanden.
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»Monks – The Transatlantic Feedback« gibt es direkt bei Play Loud! im Shop. (zur Zeit noch als Sonderangebot gemeinsam mit »Silver Monk Time«, dem 107 Minuten kurzen Tribute-Album von 2007 mit Faust und Gary Burger, The Fall, Alec Empire und Gary Burger, The Gossip, International Noise Conspiracy, Fehlfarben, Alan Vega und Silver Apples, Michaela Melián, F.S.K., The Havletones, Doc Schoko, Alexander Hacke, Mouse on Mars, Cycle, Charles Wilp und The Monks, Singapore Sling, Goldene Zitronen und Chicks on Speed, Gudrun Gut, Jon Spencer und Solex, Floating di Morel, Nista Nije Nista, Jason Forrest, 27/11, Barbara Manning, Psychic TV, S.Y.P.H., 5.6.7.8's).
Ebenfalls erhältlich bei Play Loud!:
»Demo Tapes 1965« (Play Loud! und Munster Records): Vinyl und CD. Die Blaupause für »Black Monk Time« und der seltene Fall, dass Demoaufnahmen konventioneller klingen als das fertige Studioalbum. Trotzdem essentiell. Enthält darüber hinaus die erste und einzige Single der Five Torquays.
»Black Monk Time« (auf Universal Music): Reissue des Albums auf 180-Gramm-Vinyl und CD, mit originalem Artwork, legendärem Begleittext und ohne die beiden letzten, kommerziellen Singles der Monks. Die haben ihren Charme, gehörten aber einfach nicht zum Album (wie auf vorherigen Reissues).
»Complication« / Oh How To Do Now«: Erste Wiederveröffentlichung der 7’’ seit Mai 1966. Die Vinylsingle war und ist ein wunderbares Format. Diese hier ist ein sehr schönes Beispiel.
»Monks – The Transatlantic Feedback«: Filmplakat (und für das DVD-Cover verwendet, s.o.) von Daniel Richter, dem Hamburger Maler, den jeder Goldene-Zitronen-Fan kennen sollte. Am besten gleich noch einen passenden Rahmen besorgen.
»Monks – The Transatlantic Feedback« läuft am 19. Mai 2009 um 18.00 Uhr auf der Londoner Ausstellung »Paintwork#2« (Praxis Hagen), der Nachfolgerin zur 2006 in Berlin gezeigten Sammlung von Künstlern für und zu The Fall.
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1968 begann zwei Jahre vorher. Zwar hatte im Januar 1966 die Bonner Große Koalition den Eintritt der USA in den Vietnam-Krieg unterstützt, wurde im März Ludwig Erhard zum neuen Vorsitzenden der CDU gewählt (die Partei hatte fünf Jahre vorher unter dem so bescheuerten wie bezeichnendem Slogan »Auch morgen keine Experimente« die Bundestagswahl gewonnen). Vorher flogen in West-Berlin anlässlich einer Anti-Vietnamkriegs-Demonstration Eier auf das Amerika-Haus, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. Volker Schlöndorffs »Der junge Törless« nach Robert Musil, eine Geschichte über die kasernierte Jugendhölle, hatte im Mai seine Premiere. Dann erschien die erste Ausgabe des Musikmagazins »Sounds«, sein erster Schwerpunkt war Free Jazz. Im selben Jahr arbeiteten fünf Amerikaner, die als GIs nach Deutschland gekommen waren, und ihre beiden Manager an einer ganz eigenen Ruhestörung. »Black Monk Time« hieß ihr im Frühjahr 1966 erschienenes Album, die Band nannte sich schlicht die Monks. Die Mönche trugen Tonsur, Kutten und anstelle von Krawatten Stricke. Ihre Tracks waren auf das Wesentliche heruntergebrochen, attackierten Herz und Hirn, nahmen Metal, Punk und Techno vorweg. Der rabiate und konstruktivistische Sound basierte auf Rhythmus und Wiederholung. Die Texte waren bizarr-dadaistische Kürzel und Slogans, das Cover ein schwarzes Quadrat mit weißer Schrift, das an Kasimir Malewitsch erinnerte. Kurz, »Black Monk Time« war und ist ein verdammt sexy klingendes Gesamtkunstwerk.
Seine Geschichte, die der Menschen dahinter, erzählt Dietmar Posts und Lucía Palacios’ preisgekrönte Dokumentation »Monks – The Transatlantic Feedback«, die jetzt, mit Extras reichlich gesegnet, auf DVD erschienen ist. Der Film ist so mitreißend, wie die Musik seiner Protagonisten immer noch klingt, so rasant wie die Zeit, aus der er berichtet. Man muss sich ja permanent anhören, in was für einer beschleunigten Gegenwart wir leben (und es stimmt natürlich). Nur, was war in den Sechzigern los? Russen und Amerikaner lieferten sich einen Wettlauf im Weltall. Moskau schickte den ersten Menschen ins All, Washington peilte den Mond an. Nicht umsonst nannten die Monks einen ihrer frühen Demo-Tracks »Space Age« (woraus »Blast Off!« wurde). Der Kalte Krieg hätte jederzeit in einen heißen umschlagen können. Während der Kuba-Krise 1962 schien es kurz davor zu sein. Für den Ernstfall waren die im hessischen Gelnhausen stationierten Monks als Kanonenfutter eingeplant. Dann die selbe atemlose Angst, als John F. Kennedy 1963 ermordet wurde. Später sollte es bei den Monks zu einer ohrenbetäubenden Klangkulisse heißen: »People cry / People die for you / People kill / People will for you. People run / Ain't it fun for you. People go / To their deaths for you / Complication!« Der Track ist nicht auf den Demo-Tapes von 1965 enthalten, die Play Loud!, Posts und Palacios’ Produktionsfirma und Label 2007 veröffentlicht hat.
Im Film erzählen die Monks, wie aus der Soldatenband Five Torquays, die »There She Walks« und »Boys are Boys« sangen, klassischen Beat also, eine Über-Beat-Combo wurde. Wie Walther Niemann und Karl-Heinz Remy, die an der Essener Folkwangschule für Gestaltung und der Hochschule für Gestaltung Ulm ausgebildeten Manager, sie mit der radikalen Theorie der Sechziger vertraut machten. Niemann und Remy kamen aus der Werbung. Mit Sendungsbewusstsein und Visionen waren sie ausgestattet, blasiert jedoch nicht. Dafür war Remy vor seinem Studium zur See gefahren. Sie beide dachten sich die Frisur, die Kostüme und das Konzept der Mönche aus. Einer Band, die sich selber schon mal fragte: Was tun wir den Leuten hier eigentlich an? Eine, die vor aus Vietnam zurückgekehrten GIs »Monk Time« spielte: »You know we don't like the army / What army? / Who cares what army? / Why do you kill all those kids over there in Vietnam?« Die Monks fügten dem noch »Mad Viet Cong« hinzu, da die Zeilen für heftige Reaktionen sorgten, wie sich Bassist Eddie Shaw erinnert. Larry Clark, Organist und Keyboardspieler, sagt gar, dass ihn der politisch-theoretische Überbau, der bei den Monks mitgedacht werden sollte, wenig wichtig war. Er wollte einfach sein Vergnügen auf der Bühne haben. Ein Gegensatz, den man einfach so stehen lassen sollte, aus dem das Abenteuer Monks vielleicht sogar seine Energie bezog. »Man hätte 1968 zwei Jahre früher haben können«, sagt Hans-Joachim Irmler (Faust) im Film. Wenn man die Monks begriffen hätte, fügt er hinzu. Es ist eigentlich ganz einfach und ein Heidenspaß noch dazu.
» the-monks.com » playloud.org
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